Wie haben sich die Taliban gegründet?
Der Gründer der Taliban, Mullah Omar, folgte der Lehre des puristischen Deobandismus – er war ein Deobandi. Nachdem die Besatzung durch die Sowjetunion 1989 abzog, herrschte weiterhin Unruhe im Land. Es kam zu Kämpfen zwischen verschiedenen Gruppen. 1994 traten die Taliban zum ersten Mal militärisch auf.
In der Stadt Kandahar schlossen sich etwa 30 Männer unter der Führung von Mullah Omar zusammen, um zwei Mädchen zu befreien, die von einem Milizenführer entführt und vergewaltigt worden waren. Ob diese Entführungen wirklich der Startschuss für die Gründung der Taliban war, lässt sich jedoch nicht mehr eindeutig nachvollziehen.
Die Gründungsmitglieder der Taliban bestanden größtenteils aus früheren Mudschahedin, ehemalige Guerillakämpfer in Afghanistan, die zwischen 1979 und 1989 vor allem gegen die sowjetischen Truppen kämpften.
Diese Gruppen wurden von den USA, Pakistan und Saudi-Arabien finanziell und durch Waffenlieferungen unterstützt. Die Strategie der USA war es, durch die Stärkung der Mudschahedin die UdSSR zu schwächen.
Weitere Mitglieder rekrutierte die Taliban aus religiösen Schulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan – vor allem in den islamischen Schulen des Deobandismus. Dieser puristischen, islamischen Glaubensrichtung gehörte auch der Talibangründer Mullah Omar an.
Im Herbst 1994 trugen die Taliban erste militärische Kämpfe aus und brachten die Stadt Kandahar am fünften November 1994 unter ihre Kontrolle. Bis zum Ende des Jahres eroberten sie weitere Gebiete im Süden und im Westen des Landes. Diese Gebiete standen damals nicht unter der Kontrolle der Zentralregierung.
Durch weitere Kämpfe wuchs das Einflussgebiet der Taliban. Im Frühjahr 1995 waren bereits sechs Provinzen unter ihrer Kontrolle. Den Kampf um Kabul verloren die Taliban 1995 noch, während sie im Westen ihr Einflussgebiet ausbreiteten.
Durch Bündnisse und neue Waffen und Fahrzeuge konnten sich die Taliban nach ihrer Niederlage in Kabul neu organisieren und einen neuen Angriff planen. Im September 1996 gelangen den Taliban die Einnahme Kabuls. Durch die Vertreibung der Zentralregierung übernahmen sie die Kontrolle im Land.
Vom 27. September 1996 bis Ende 2001 regierten die Taliban die Hauptstadt Kabul und weite Teile des Landes. Am siebten Oktober 2001 begannen die USA mit militärischen Einsätzen in Afghanistan als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September und den „Krieg gegen den Terror“.
Was wollen die Taliban in Afghanistan?
Die Taliban haben seit August 2021 wieder die Macht in Afghanistan. Aber was wollen sie eigentlich? Ihre Ideologie gibt die Regeln vor: Sie wollen einen islamischen Staat, der die Regeln des Islam achtet und ihnen folgt, streng nach der Scharia.
Die Scharia sind religiöse Gesetze im Islam. Der Begriff wird häufig als „islamisches Recht“ übersetzt. Diese Gesetze, die alle Bereiche des islamischen Lebens vorgeben, sollen auf dem Koran beruhen. Erwähnt wird die Scharia im Koran jedoch nur in einer einzigen Sure. Der Begriff beschreibt im Koran einen Pfad in der Wüste, der zu einer Quelle führt.
Die Scharia entwickelte sich ab Mitte des siebten Jahrhunderts aus Überlieferungen der Reden und des Handeln Mohammeds. Über die Jahrhunderte passten sich die Gesetze der sich wandelnden Zeit an. Die Auslegung der Scharia unterscheidet sich ebenfalls stark – gewährt im islamischen Alltag je nach Interpretation mal mehr, mal weniger Freiheiten.
Vor allem die Freiheit von Frauen wird durch die konservative Auslegung der Scharia von den Taliban in Afghanistan bedroht. Unter der Kontrolle der Taliban in den späten 1990ern wurden Musik, Sport, Bilder und Fernseher verboten. Mädchen und Frauen wurden stark in ihrer Freiheit eingeschränkt und vom öffentlichen Leben praktisch ausgeschlossen.
Frauen wurden systematisch unterdrückt, Mädchen wurde der Zugang zu Bildung nach der Grundschule komplett verwehrt. Frauen und Mädchen ab acht Jahren durften nur in mit einer Burka bekleidet und in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds nach draußen.
In 2021 droht sich eine Wiederholung dieser dunklen Zeit – auch wenn die Machthaber der Taliban direkt nach der Machtübernahme noch moderate Aussagen trafen. Vor allem in den Städten droht den Frauen der Verlust der Fortschritte der letzten Jahre. Auf dem Land lebten bereits vor der Einnahme Kabuls viele Frauen unter dem Einfluss und der Kontrolle der Taliban.
Welche Menschenrechtsverletzungen haben die Taliban begangen?
Den Taliban werden unter anderem folgende Verbrechen vorgeworfen:
- Verübung von Massakern
- Verstümmelungen und Steinigungen
- Ausübung von Terroranschlägen
Nach dem Global Terrorism Index war Afghanistan im Jahr 2020 das am meisten von Terrorismus betroffene Land. Afghanistan gilt als das gefährlichste Land für Frauen.
Nun zeichnet sich seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 eine besorgniserregende Entwicklung ab: Die Terrorgruppe schränkt den Zugang zu Schulen für Mädchen ein, tötet Zivilisten und blockiert Hilfeleistungen aus dem Ausland.
Gegen Frauen, die gegen das neue Regime demonstrierten, gingen die Taliban gewaltsam vor. Das Leben von sogenannten „Feinden der Taliban“, beispielsweise Menschenrechtsverteidiger und Verteidigerinnen, Journalisten und Frauenrechtlerinnen, ist seit der Machtübernahme der Taliban in Gefahr. Viele Menschen verstecken sich oder flohen bereits aus Afghanistan.
Dramatische Szenen in Kabul.