Berlin Grüne streiten über die Verteilung des Reichtums

Berlin · Die Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt schwören die Partei auf einen harten Wahlkampf ein.

Locker-Sein ist normalerweise nicht die Stärke des Grünen-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin. Zum Auftakt des Wahlprogrammparteitags am gestern Abend in Berlin probierte es trotzdem: "Die Überlänge des schwarz-gelben Films nervt schon, talentfreie Darsteller, echter Kassenflop. Bringen wir das zu Ende", erklärte er lässig, bevor er ans Rednerpult trat.

Die Grünen selbst zeigten sich in den vergangenen Tagen als geeignete Darsteller für öffentlichen Zank. In der Partei schwelt ein Streit um Vermögensteuer und Vermögensabgabe. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann legte ausgerechnet zum Start des Parteitags in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" nach und warnte davor, mit den Steuerplänen Wirtschaft und Bürger zu überfordern.

Trittin ging darauf nur indirekt ein und attackierte die Grünen-Kritiker aus der Wirtschaft. "Wir lassen es nicht durchgehen, dass die Interessen des reichsten Prozents der Gesellschaft als die Sorge des Deutschen Mittelstands verkauft wird", sagte er zur Verteidigung der Vermögensabgabe. Die Auseinandersetzung der Grünen um die Frage, wie eindeutig sie sich im Wahlkampf für ein Bündnis mit der SPD aussprechen sollen, ließ er auch außen vor, sagte nur, was die Grünen nicht wollen: "Mit solchen korrupten Amigos von der CSU koalieren Grüne nicht. Wir sorgen dafür, dass sie abgewählt werden."

Co-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt wurde deutlicher: "Ich sage: Wir lassen uns nicht anbaggern", erklärte sie mit Blick auf Avancen der Union für ein schwarz-grünes Bündnis. "Wir machen einen Wahlkampf für echte Veränderungen und wir überlegen uns, mit wem die am besten gelingen können." Dies passe am besten mit der SPD. "Aber wir machen keinen Wahlkampf im Windschatten der SPD. Der Wind sind wir selbst." Immer wieder hämmerte sie den Delegierten das Motto des Parteitags ein: "Deutschland ist erneuerbar." Eine echte Absage an Schwarz-Grün klingt dennoch anders.

Während Trittin eher staatsmännisch, zurückgenommen und längst nicht so scharf wie sonst auftrat, gab sich Göring-Eckardt ungewohnt kämpferisch. Sie rief ihre Parteifreunde zum Durchhalten im Wahlkampf auf, auch wenn sie von den politischen Gegnern als "wirtschaftsfeindlich" denunziert würden. Zur Homo-Ehe sagte sie: "Früher waren die Grünen für die freie Liebe, heute wollen wir die Ehe für alle".

Den Grünen steht im Velodrom in Berlin ein Marathon-Parteitag bevor. 2600 Änderungsanträge haben die Parteimitglieder eingereicht. Basisdemokratie in Reinkultur. Knapp 100 der Anträge bieten Sprengstoff für kontroverse Debatten. Heute ist die Tagesordnung bis zwei Uhr morgens angesetzt.

Bis Mitternacht soll SPD-Parteichef Sigmar Gabriel allerdings nicht warten müssen, bis er den Grünen seine Freundschaft öffentlich beteuern darf. Wenn er heute redet, handelt es sich um eine Art Rückspiel. Zwei Wochen zuvor hatte Grünen-Chefin Claudia Roth den Parteitag der SPD aufgemischt. Für die Fotografen stellte sich das rot-grüne Doppel damals Hand in Hand auf die Bühne. Ob Gabriel bei den Grünen ebenso herzlich empfangen wird wie Roth bei der SPD bleibt abzuwarten.

In dieser Woche lief es nicht gerade rund zwischen den Wunschpartnern. Bei der Debatte um das NPD-Verbotsverfahren im Bundestag gifteten sich Abgeordnete von SPD und Grünen an. Die SPD stimmte für den von ihr gestellten Antrag, die Grünen enthielten sich oder lehnten ihn ab.

Der SPD-Chef könnte dennoch bei seinem heutigen Auftritt gut aufgelegt sein, denn in der Auseinandersetzung um die Präambel des grünen Wahlprogramms entschied gestern Abend der Parteitag, sich auf ein Bündnis mit der SPD auf Bundesebene festzulegen.

(RP)
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