Altkanzler stellt Buch über neuen Kanzler vor Schröder über Scholz: "Er ist kein männlicher Merkel"

Analyse | Berlin · Bei Rot-Grün war Gerhard Schröder Koch, Joschka Fischer durfte kellnern. Olaf Scholz rät der Altkanzler in der Ampel dringend von Basta-Methoden ab. Dann traut er dem Merkel-Nachfolger zu, lange an der Macht zu bleiben.

 Altkanzler Gerhard Schröder stellte die erste Scholz-Biografie in Berlin vor.

Altkanzler Gerhard Schröder stellte die erste Scholz-Biografie in Berlin vor.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Im „Meistersaal“ nahe des Potsdamer Platzes spielte David Bowie einst seinen Welthit „Heroes“ ein - jetzt sitzt ein Sozi-Held vergangener Tage auf der Bühne der früheren Hansa Studios, um ein paar Takte über den neuen SPD-Superstar und Kanzler Olaf Scholz zu erzählen. Gerhard Schröder hat nach seinem Besuch der Kanzlerwahl im Bundestag eine Nacht in der Hauptstadt dran gehängt. Am Donnerstagmorgen stellt er die (man mag es kaum glauben) erste Biografie über Scholz (“Der Weg zur Macht“) vor.

Kundig und launig geschrieben hat sie der Chefredakteur des „Hamburger Abendblatts“, Lars Haider. Er hat Scholz viele Jahre als Bürgermeister aus nächster Nähe erlebt. Als der ihm 2018 von seinem Plan erzählt habe, er werde Kanzlerkandidat der SPD und sechs bis acht Wochen vor der Bundestagswahl 2021 würden die Menschen sich wegen des bevorstehenden Rückzugs der Kanzlerin einen „männlichen Merkel“ wie ihn wünschen, habe er das für eine Scholzsche Verschwörungstheorie gehalten. Seit Mittwoch weiß ganz Deutschland, dass man Scholz’ Visionen ernstnehmen sollte.

“Es ist erstaunlich, dass ein Außenseiter wie Olaf Scholz es geschafft hat, Bundeskanzler zu werden“, sagt Haider. Da widerspricht Schröder energisch. „Außenseiter würde ich ihn nicht nennen.“ Scholz sei zwar in der SPD nie geliebt, aber immer respektiert worden, sei es als Bürgermeister, Arbeits- und Finanzminister. Der Erzählung, Scholz habe sich ins Kanzleramt gemerkelt, kann Schröder nicht viel abgewinnen: „So wenig wie Frau Merkel eine frauliche Scholz war, so wenig ist er eine männliche Merkel. Schminkt euch diese Plaketten ab.“

Auch das Etikett „Scholzomat“, das Scholz seit seinen Zeiten als Schröders Generalsekretär anhaftet, mag der Altkanzler nicht. „Das ist ganz falsch. Sie können nicht Kanzler werden, wenn sie nicht kommunizieren können.“ Scholz wisse enorm viel, lese Unmengen an Büchern. Weggefährten erzählen, der Rekord liege bei etwa 3000 Seiten - an einem Wochenende. Scholz habe unbedingten Machtwillen gezeigt - und vor allem deshalb CDU-Mann Armin Laschet und die erste grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock bezwungen.

Wie ruppig wird es für Scholz in der Ampel-Koalition? Schröder prägte nach 1998 bei Rot-Grün ja die Arbeitsteilung Koch und Kellner, zum Leidwesen von Joschka Fischer. Topdown, Basta wie zu seinen Zeiten, davon rät Schröder Scholz ab. „Koch und Kellner, das wird er nicht tun. Er muss Richtlinienkompetenz ausüben, so wie Stachelschweine sich im Winter lieben - ganz vorsichtig.“ In den Koalitionsverhandlungen war Scholz bemüht, Grünen und FDP einen Gefühl von Augenhöhe zu geben. In ersten Interviews nach der Vereidigung gab er Baerbock indes zu verstehen, dass Chefdiplomat der Kanzler sei. 

Anders als zu seinen Kanzlerzeiten, als die Hartz-Reformen die SPD zerrissen, rechnet Schröder absehbar mit keinen Querschüssen gegen Scholz aus der eigenen Partei. Die Vorsitzende Saskia Esken, an der er anfangs kein gutes Haar ließ, sei „über sich selbst hinausgewachsen“. Der designierte Co-Chef Lars Klingbeil aus Niedersachsen (den Schröder im Wahlkampf nach Kräften unterstützte) und Fraktionschef Rolf Mützenich würden Scholz vor den Jusos beschützen: „Dann kann man auch Kevin Kühnert aushalten.“ Der Ex-Juso-Chef soll am Samstag beim SPD-Parteitag zum neuen Generalsekretär gewählt werden.

Scholz’ Ansage, mindestens acht Jahre regieren zu wollen, findet Schröder gut und richtig: „Verglichen mit Biden ist er ein junger Mann.“ Und die Biografie über den neuen Kanzler, Lesetipp für die Weihnachtsferien? Für eine Zugfahrt von Hamburg nach Berlin, dröhnt der Schröder-Bass, sei das 198-Seiten-Buch ein guter Schmöker: „Mehr muss man über Olaf Scholz nicht wissen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort