Liberale fordern massive Zweitstimmenkampagne "Wer Merkel haben will, wählt FDP"

Berlin · Nach dem Debakel bei der Bayern-Wahl fürchtet die FDP ums politische Überleben. Liberale kündigen eine massive Zweitstimmenkampagne für die Bundestagswahl an. Nicht mit der CDU. Der Streit droht zu eskalieren.

Die FDP wirbt nach ihrer Wahlniederlage in Bayern unverhohlen um Zweitstimmen von Unionsanhängern bei der Bundestagswahl. "Wer Merkel haben will, wählt FDP", sagte FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle am Montag in Berlin. Nur die "Merkel-Stimme" für die FDP sichere den Fortbestand des schwarz-gelben Regierungsbündnisses und verhindere, dass die Union eine große Koalition mit der SPD eingeht.

"Wir werben selbstbewusst um die Zweitstimme", kündigte Parteichef Philipp Rösler an. Die Großplakate der FDP würden mit einem entsprechenden Aufruf überklebt: "Jetzt geht's ums Ganze - Zweistimme FDP", lautet der Text.

CDU möchte keine Stimme verschenken

Nach der Landtagswahl in Bayern ist zwischen Union und FDP ein Streit um Zweitstimmen entbrannt. "Die Union hat keine Stimme zu verschenken", wandte sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Montag gegen eine Zweitstimmenkampagne des Koalitionspartners.

"Jede Partei wirbt für sich", hob Gröhe im Sender n-tv hervor. Daher werbe auch die Union sowohl um die Erst- wie auch um die Zweitstimme. Die FDP müsse für sich selbst sorgen. "Wir brauchen beide Stimmen", sagte auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder im ZDF-"Morgenmagazin".

"Spiel mit dem Feuer"

Die Zweitstimme sei die Stimme für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Eine Zweitstimmen-Kampagne ist ein Spiel mit dem Feuer", warnte im Portal "Handelsblatt Online" auch der Vorsitzende der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Thomas Bareiß.

Nach der Schlappe bei der Bayern-Wahl kündigten Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler am Montag in Berlin einen Kampf "bis zur letzten Sekunde" an. "Manche träumen davon, in der großen Koalition landen zu können", sagte Brüderle. "Wenn sie aufwachen, sind sie bei Rot-Rot-Grün." Rösler sagte: "Wir wollen, dass Deutschland aus der Mitte heraus für die Mitte regiert wird."

Liberale werben für Kampagne

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte im ZDF, bürgerliche Wähler könnten Schwarz-Gelb helfen, "indem sie einen starken Kandidaten vor Ort von der Union unterstützen und mit der Zweitstimme FDP wählen".

Führende FDP-Politiker verteidigten dagegen die Zweitstimmen-Kampagne der Partei, mit der die FDP nach ihrem Scheitern in Bayern einen Hinauswurf auch aus dem Bundestag verhindern will. Dafür bräuchten die FDP-Wähler "keine Erlaubnis von der Union", sagte Rösler dem Sender n-tv. Er warb zugleich für die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Brüderle spielte das schlechte FDP-Wahlergebnis in Bayern im SWR als "landesspezifisch" herunter.

Seehofer schließt Appell aus

Seehofer aber schloss einen Zweitstimmen-Appell für die FDP aus: "Es gibt keine Leihstimmen." Ziel bleibe die Fortsetzung von Schwarz-Gelb in Berlin. Die FDP habe ein "riesiges Wählerpotenzial". Attackieren will die CSU laut Generalsekretär Alexander Dobrindt nun vor allem die Grünen. Spekulationen über eine große Koalition stoßen in der CSU auf Ablehnung. Schwarz-Gelb bleibe die "Wunschkoalition", betonte Agrarministerin Ilse Aigner (CSU).

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte dem "Tagesspiegel", für seine Partei gehe es "ums Ganze, es geht auch um die Existenz einer freiheitlichen Partei". Er malte wie andere führende Politiker von FDP und Union eine rot-rot-grüne Mehrheit an die Wand. SPD und Grüne haben eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen.

SPD sieht sich gestärkt

Dagegen sieht sich die SPD, die in Bayern einen leichten Zugewinn um zwei Prozentpunkte erzielte, durch das Ergebnis der Landtagswahl gestärkt. Parteichef Sigmar Gabriel sprach am Montag in Berlin von einer "großen Chance" für ein Regierungsbündnis von SPD und Grünen, wenn nur die Wahlbeteiligung am kommenden Sonntag hoch genug ausfalle. Das Reden über andere Konstellationen wie eine große Koalition wies er als "alberne Spekulationen" zurück.

Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte an, ihre Partei werde das Thema Energiewende in den Mittelpunkt der Wahlkampf-Schlussphase stellen. "Wir haben entweder bezahlbaren Strom aus Sonne und Wind oder wir haben schmutzigen Strom aus Kohle und Atom", sagte Göring-Eckardt im ZDF-"Morgenmagazin".

Grüne schlechter als in Umfragen

Die Grünen hatten in Bayern schlechter abgeschnitten als zuvor in Umfragen vorhergesagt. Ko-Spitzenkandidat Jürgen Trittin wertete dies als "Herausforderung" für den Endspurt. Die Chance, Schwarz-Gelb abzulösen, sei mit der Bayern-Wahl aber nicht kleiner, sondern größer geworden.

Bei der Landtagswahl in Bayern hatte die CSU dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge mit 47,7 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im Landesparlament erreicht. Auf die SPD entfielen 20,6 Prozent. Die Freien Wähler erhielten 9,0 Prozent und die Grünen 8,6 Prozent. Die FDP scheiterte mit 3,3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde, ebenso wie die Linkspartei mit 2,1 Prozent und die Piratenpartei mit 2,0 Prozent.

(rpo/AFP/dpa)
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