Droht der Menschheit Gefahr? Experten zeichnen drei Szenarien für eine KI-Apokalypse

Die Appelle an die Politik für eine rasche Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI) werden immer lauter. Das weltweite KI-Wettrüsten könnte fatale Folgen für die Menschheit mit sich bringen. Doch wie reguliert man eine Büchse der Pandora?

Können fehlgeleitete intelligente Maschinen die gesamte Menschheit vernichten (Symbolbild)?

Können fehlgeleitete intelligente Maschinen die gesamte Menschheit vernichten (Symbolbild)?

Foto: Getty Images/iStockphoto/PhonlamaiPhoto

Kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in der Welt auf die Gefahren Künstlicher Intelligenz (KI) hingewiesen wird. So zum Beispiel diese Woche, als das Center for AI Safety folgendes Statement veröffentlichte: “Das Risiko einer Vernichtung durch KI zu verringern, sollte eine globale Priorität neben anderen Risiken gesellschaftlichen Ausmaßes sein, wie etwa Pandemien und Atomkrieg.“

In den letzten Jahren hatte es immer wieder solche Warnungen und Appelle an Politik und Gesellschaft gegeben. Neu ist, dass jetzt auch die führenden Köpfe, die an der Entwicklung eben dieser Systeme beteiligt sind, immer zahlreicher und immer vehementer vor ihrer eigenen Erfindung warnen. Fast so, als hätte man die Büchse der Pandora geöffnet und wolle dann hinterher sagen: „Aber wir hatten euch doch gewarnt!“.

Zu den prominentesten Köpfen in den Reihen der Apokalyptiker zählt neuerdings auch der OpenAI-Chef Sam Altman, der durch die überraschende Veröffentlichung der KI-Software ChatGPT Ende 2022 ein regelrechtes Wettrüsten in Gang gesetzt hatte, wie es das Silicon Valley noch nicht erlebt hat. Ob Microsoft, Google, Meta (Facebook) oder Amazon - selbst der Apple-Konzern, der kommenden Montag auf seiner Entwicklerkonferenz erstmals eine Mixed-Reality-Brille präsentieren wird, hat seine Ausgaben für KI-Anwendungen still und heimlich hochgefahren.

KI habe das Potential, gefährlicher zu sein als Atombomben, hatte Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk schon 2015 geunkt. Mochte ein solcher Vergleich damals noch als Panikmache gegolten haben, inzwischen hat ein Umdenken stattgefunden. Das liegt auch daran, dass sich unter den Vertretern dieser These keineswegs nur Spinner oder Untergangs-Apologeten befinden, sondern führende Wissenschaftler und Experten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, darunter Nobelpreisträger und Bestseller-Autoren, wie etwa der jüngst verstorbene britische Physik-Professor Stephen Hawking („Eine kurze Geschichte der Zeit“) oder der israelische Historiker Yuval Harari („Homo Deus“).

Die Wahrscheinlichkeit, dass KI außer Kontrolle gerät und zur Auslöschung der Menschheit führen kann, taxieren renommierte Wissenschaftler heute mit zehn Prozent. In anderen Worten: die Wahrscheinlichkeit, dass eine unregulierte Weiterentwicklung dieser Systeme zur Auslöschung der Spezies Homo Sapiens führen kann, ist nach Einschätzung der Gelehrten mehr als eine Million mal wahrscheinlicher, als vom Blitz getroffen zu werden oder einen Sechser im Lotto zu erzielen.

Eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Schluss, dass fehlgeleitete intelligente Maschinen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die gesamte Menschheit vernichten werden. Demnach sei eine „existenzielle Katastrophe nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich“, heißt es in dem Papier.

Doch von wo genau her droht die Gefahr? Wie soll sich eine solche Apokalypse im Detail abspielen? Wer hier nach Antworten sucht, stößt bei den Gesprächen auf KI-Konferenzen meist auf Schulterzucken oder erhält bestenfalls vage, wenig konkrete Antworten. Grob zusammengefasst gelten in Expertenkreisen drei Szenarien als am wahrscheinlichsten, die unsere Welt noch in diesem Jahrhundert ins Chaos stürzen könnten:

Eine der radikalsten Theorien verfolgt die Idee, dass die KI-Systeme eines Tages eine Art Bewusstsein erlangen könnten. Da die KI dem Menschen zu diesem Zeitpunkt schon lange überlegen sein wird, wird es einer solchen Maschine nicht schwerfallen, seine Schöpfer zu überlisten und jegliche Versuche, sie abzuschalten oder gar zu zerstören vorausgedacht und entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen haben.

Ein weitaus weniger fantastisches Szenario beschreibt eine Welt, in der digitale KI-Waffen dazu genutzt werden, um systemkritische Infrastrukturen von Ländern oder gar Kontinenten außer Gefecht zu setzen. Neben einem solchen Cyber-Krieg könnte die KI auch zu einer ungebremsten Verbreitung neuer synthetischer oder biologischer Kampfstoffe führen, die in ihrer Wirkung verheerender als konventionelle Waffen sein dürften und die dank KI-Anleitung auch für Privatleute leicht herzustellen wären.

Vergleichsweise harmlos, dafür aber umso teuflischer, das dritte Weltuntergangsszenario: Diese Theorie besagt, dass eine KI-gestützte Produktion und Verbreitung von Deep-Fake-Nachrichten, -Fotos und -Videos zu soviel Hass und Unruhe in der Gesellschaft führen könnte, dass es zu Anarchie, Bürgerkriegen und letztendlich zum Untergang der Zivilisation kommt. In diesem letztgenannten Szenario erledigen wir Menschen die Arbeit der Maschine quasi selbst.

Völlig unabhängig davon, für wie wahrscheinlich man all diese Theorien hält: Was die Künstliche Intelligenz von allen bisherigen Technologien und Waffensystemen unterscheidet, ist ihre Geschwindigkeit. Da diese Systeme, die bereits heute frei und völlig unreguliert im Internet zirkulieren, in der Lage sind, sich selbst zu trainieren, sich miteinander zu verbinden und voneinander zu lernen, werden sie unsere menschliche Intelligenz schon bald um ein x-faches übertreffen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es noch rechtzeitig zu einem weltweiten Moratorium kommt, dass sich die USA, Europa und China besinnen und auf eine gemeinsame Regulierung, die Ächtung von Waffensystemen und eine gegenseitige Kontrolle ihrer KI-Systeme verständigen, mag heute fast noch unwahrscheinlicher erscheinen als die oben beschriebenen Doomsday-Szenarien.

Doch wer weiß, vielleicht findet sich die Antwort auf die Probleme unserer Zukunft in den antiken griechischen Mythologien. Dort lesen wir, dass nachdem alles Leid, Schmerz und Unheil der Welt aus Pandoras Büchse entwichen war, ganz am Boden des Gefäßes noch etwas anderes verborgen lag: die Hoffnung.

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