Warenhauskonzern: Galeria schließt 16 seiner 92 Warenhäuser
EILMELDUNG
Warenhauskonzern: Galeria schließt 16 seiner 92 Warenhäuser

TV-Talk „Anne Will“ zum Brexit „Wir wissen, was Sie nicht wollen - aber nicht, was Sie wollen.“

Düsseldorf · Brexit und kein Ende – wie geht es weiter? Seit der nach 17 Monaten ausgehandelte „beste Deal“ durchfiel, ist die Ratlosigkeit auf beiden Seiten des Ärmelkanals groß. Anne Will diskutiert mit ihren Gästen Optionen.

Kate Connolly, Berlin-Korrespondentin von "The Guardian" und "The Observer" in der Gesprächsrunde.

Kate Connolly, Berlin-Korrespondentin von "The Guardian" und "The Observer" in der Gesprächsrunde.

Foto: Screenshot: ARD

Darum ging's:

Der angeblich bestmögliche Deal von Theresa May ist mit Pauken und Trompeten in Großbritannien durchgefallen. Nun ist die Frage, wie es bis zum geplanten Austrittstermin Großbritanniens aus der Europäischen Union am 29. März. Die Runde aus Politikern und Medienvertretern aus Großbritannien und Deutschland suchte darauf Antworten.

Darum ging's wirklich:

„Streit um den Brexit - Wer kann das Chaos noch verhindern?“, war die Leitfrage der „Anne Will“-Sendung vom Sonntag. Die Antwort, die in der Sendung durch die Gesprächsrunde gefunden wurde, war wohl: „alle“, also sowohl die britische Regierung als auch die EU. Was den Grad des gegenseitigen Entgegenkommens betrifft, waren sich Wills Gäste in der insgesamt sehr zivilen Diskussion allerdings nicht einig. Während die einen glauben, dass noch Kompromisse gefunden werden können, um den Brexit-Deal durchzubringen, sind andere skeptisch und setzen auf ein zweites Referendum.

Die Gäste:

Greg Hands, Tory-Abgeordneter und ehemaliger Staatssekretär im britischen Außenhandelsministerium

Kate Connolly, Berlin-Korrespondentin von "The Guardian" und "The Observer"

Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag

Norbert Röttgen, CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages

Jean Asselborn, Außenminister von Luxemburg

Am 29. März soll der Brexit vollzogen werden. Doch der angeblich „bestmögliche Brexit-Deal“ der britischen Premierministerin Theresa May mit der Europäischen Union ist mit dem schlechtmöglichsten Ergebnis im britischen Parlament durchgefallen. Soweit die Ausgangslage.

Greg Hands, der vom Brexit-Gegner zum Befürworter umschwenkte, sagt, damit May das Abkommen noch durchbringen kann, müsse sie drei Dinge erreichen: Erstens müsse sie mehr Konservative auf ihre Seite bringen. Zweitens brauche sie die Unterstützung der Democratic Unionist Party von Nordirland. Drittens wären ein paar mehr Labour-Abgeordnete auf Mays Seite von Vorteil.

Der Abgeordnete der konservativen Tories und früherer Staatssekretär im britischen Außenhandelsministerium sieht ein entscheidendes Grundproblem: Das Abkommen sei zu nah an der EU und zu unvorteilhaft für Großbritannien. In dieser Version habe es keine Chance, durchs britische Unterhaus zu kommen. Trotzdem zeigt er sich optimistisch, dass es noch schaffbar ist. Bei Verhandlungen gelte für ihn grundsätzlich: "Ich sage immer, wenn man keinen Sitz am Tisch hat, ist man wahrscheinlich auf der Speisekarte."

Kate Connolly, die Berlin-Korrespondentin von "The Guardian" und "The Oberserver", hat nach der Brexit-Entscheidung die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Sie ist damit eine von über 7.400 Britinnen und Briten, die 2017 diesen Schritt unternommen haben, zehnmal mehr als 2015. Denn sie teilt den Optimismus ihres Vorredners nicht. „Was fehlt, ist die überparteiliche Zusammenarbeit.“ Man habe das Gefühl, dass May die Zeit davonlaufe. Aber zugleich bewundere man May in Großbritannien für ihre Hartnäckigkeit. „Andere nennen das starrsinnig…“, wirft Will ein. „Ich auch“, sagt Connolly und lacht. Aber immerhin halte sich May auf ihrem Posten, während andere wie Boris Johnson massiv an Einfluss eingebüßt hätten.

Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, glaubt nicht, dass May und deren Regierung noch eine Mehrheit für den Brexit-Deal erzielen können. Was seiner Meinung nach passieren könnte, ist, dass das Parlament das Ganze an sich zieht, "das wäre ein Novum". Denn bisher hätten immer die Führer der beiden Parteien alles dominiert, wobei die Parteien allerdings in sich selbst zerstritten seien. "Es ist eine Möglichkeit zu einem Kompromiss aus dem Parlament zu kommen", und zwar parteiübergreifend.

Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Bundestag sagt, sie hätte sich gewünscht, dass in der EU einmal darüber diskutiert worden wäre, warum die EU so an Popularität verliert. "Das muss doch jedem Sorgen machen. Ich möchte nicht, dass Europa auseinanderfliegt." Sie fügt hinzu: "So wie die EU agiert, säht sie Zwietracht." Ihrer Ansicht merke man, dass die EU heute in erster Linie eine Organisation sei, die in die Interessen großer Unternehmen und Banken vertrete – ein Standpunkt, der in den Augen der Gesprächsrunde und der Moderatorin ein Nebenkriegsschauplatz ist. Als sich Wagenknecht und Röttgen gegen Ende darüber mit Worten in die Haare kommen, winkt Hands ab: „Das ist ein Ablenkungsmanöver“.

Jean Asselborn, Minister für europäische und ausländische Angelegenheiten und Außenminister von Luxemburg, zeigt sich in Bezug auf den Brexit ebenfalls skeptisch. Die Frage, die 2016 gestellt wurde, sei schwarz-weiß gewesen: Bleiben oder gehen. "Die Antwort ist nicht schwarz-weiß, da gibt es Schattierungen." Er warnt vor Chaos im Falle eines "no deals", das würde eine „Katastrophe“ werden. Er regt zu einem Entgegenkommen bei der Zollunion an. "Wir haben in 17 Monaten alles gegeben", sagt er. "Wenn wir am 30. kein Abkommen haben, sind wir auf einem gefährlichen Weg".

Hands, der mit Röttgen an dem Abend die Runde dominiert, schüttelt den Kopf, während er Asselborn zuhört. „Wir brauchen mehr Einigung in London, aber auch mehr Bewegung in Brüssel", sagt er. Von Anfang an sei die Stimmung in Brüssel in Bezug auf Großbritannien negativ gewesen.

"Man kann aus dem Ei ein Rührei machen, aber aus dem Rührei wieder ein Ei zu machen, ist eben kompliziert", bemüht Röttgen die nächste Essens-Metapher. Eine 40 Jahre andauernde Verbindung aufzulösen, sei eben schwierig. Er unterstellt den Briten, das Beste von beiden Seiten zu wollen: außerhalb der Zollunion zu sein, um Kontrolle über die eigenen Grenzen zurückzugewinnen, aber zugleich keine Grenze zu Nordirland zu wollen. „Wir wissen, was Sie nicht wollen", sagt er an Hands gerichtet", "aber wir wissen nicht, was Sie wollen!" Röttgen glaubt auch, dass die Initiativen aus dem Parlament kommen werden.

Connolly hofft ebenfalls, dass das Parlament eine Lösung findet, sie fände aber sonst ein zweites Referendum legitim. Beim ersten sei es ein Fehler gewesen, dass eine einfache Mehrheit dafür genügte. Sie habe die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, weil „ich mich von der Politik unernst genommen fühlte“, sagt sie. So habe sie ein wenig Kontrolle zurückgewinnen wollen, um aus dem „Chaos“ und „Schammassel“ herauszukommen. Die Frage, ob sie auch bereit gewesen wäre, ihre britische Staatsangehörigkeit aufzugeben, weist sie lachend als „gemein“ zurück.

Angesprochen auf den offenen Brief von Parteivorsitzenden von CDU, SPD und Grünen an die Briten, sich das mit dem Brexit nochmal zu überlegen, sagt Wagenknecht, dass sie dies als Einmischung der Deutschen und als „nicht hilfreich“ empfinde. Ein zweites Referendum würde ihrer Meinung nach das Land weiter spalten.

Auch Hands ist gegen ein zweites Referendum, das sei undemokratisch. Röttgen, der den Brief an die Brien mit unterzeichnet hat, spricht sich für ein zweites Referendum aus, falls der Brexit-Plan keine Mehrheit findet. Asselborn, der am Montag wieder nach Brüssel fährt, weil dort Gespräche mit Asien und Afrika stattfinden, sagt: „Wir sollten alles tun, um zu vermeiden, dass wir dass wir am 29. mit einem No-Deal dastehen. Das ist unsere Aufgabe.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort