Neuer „Tatort“ aus Dortmund Tristesse in der Zechensiedlung

Dortmund · Kurz nach dem Ende des Bergbaus in Deutschland widmet sich der Dortmunder „Tatort“ der Thematik – allerdings auf gewohnt ungewohnte Weise. Wir verraten, warum trotz aller Klischees Spannung aufkommt.

 Die Kommissare Dalay (Aylin Tezel) und Pawlak (Rick Okon) bei der Arbeit.

Die Kommissare Dalay (Aylin Tezel) und Pawlak (Rick Okon) bei der Arbeit.

Foto: dpa/Martin Valentin Menke

Schon die ersten Bilder zeigen, wo es atmosphärisch im Dortmund-„Tatort“ hingeht. Gezeigt werden die Überreste der Bergbaukultur im Ruhrgebiet: Industriebrachen, heruntergekommene Zechensiedlungen und arbeitslose Bergleute, die mit ihrem neuen Leben nicht zurecht kommen. Der Krimi zeichnet kurz nach dem Ende des Kohlebergbaus in Deutschland die Verlierer dieses Strukturwandels in äußerst tristen Farben – und schafft es, in diesem Panorama der Verbitterung Spannung aufzubauen.

Der ehemalige Bergmann Andreas Sobitsch (Daniel Fritz) wird erschossen aufgefunden. Er wohnte in einer von Bergbauschäden gezeichneten Zechensiedlung und kämpfte in einem Verein für Schadensersatz für deren Bewohner. Seine beiden besten Freunde, Stefan Kropp (Andreas Döhler) und Ralf, genannt Ralle, Tremmel (Thomas Lawinky), kannte er von unter Tage. „Andis Familie waren die Kumpel“, sagt Ralle, als die Kommissare Faber (Jörg Hartmann) und Bönisch (Anna Schudt) mit der Todesnachricht in eine Versammlung des Vereins platzen. Diese findet in einer ehemaligen Zechenkneipe statt, vor der Tür grüßt man sich mit „Glück auf“, und ihre Verzweiflung ertränken die ehemaligen Bergleute in Pils und Kippen.

Das klingt klischeehaft und ist es auch, ebenso wie der erste Mordverdächtige: Klaus Radowski (Peter Kremer), der im Streit um die Entschädigung vermitteln soll und das erste Angebot des Zechenbetreibers an die Siedlungsbewohner für ausreichend hält. Und dann finden die jungen, ewig streitenden Kollegen Dalay (Aylin Tezel) und Pawlak (Rick Okon) heraus, dass Sobitsch ein Verhältnis mit der Frau seines Freundes hatte. „Wir wollten weg von hier, ein neues Leben anfangen“, schluchzt Frederike Kropp (Mona Kloos).

Dennoch bekommt der „Tatort“ die Kurve – dank einer Spur, die in eine ganz andere, überraschende Richtung führt: zum „Reichsbürger“ Friedemann Keller (Götz Schubert) und zum Verfassungsschutz. Der kommt wie so häufig im deutschen Sonntagabend-Krimi schlecht weg: Die vielfach preisgekrönte Bibiana Beglau spielt überzeugend kalt die Geheimdienstlerin Dr. Klarissa Gallwitz, die um jeden Preis ihren V-Mann in der Szene schützen will. Dafür ist sie auch bereit, einen Deal mit Faber einzugehen – der, wie sollte es anders sein, mit dessen Intimfeind Markus Graf zu tun hat, der wieder auf freiem Fuß ist.

Fabers Jagdinstinkt ist geweckt – und der des Zuschauers gleich mit. Zu einer Auflösung dieses nun schon seit mehreren Jahren anhaltenden Spannungsbogens kommt es freilich auch diesmal nicht. Aber es bleibt eben spannend – etwas, das man bei weitem nicht über jeden „Tatort“ sagen kann.

„Tatort: Zorn“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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