„Maischberger – die Woche“ Linken-Politikerin Wagenknecht zofft sich mit Investor Thelen über Corona-Warn-App

Düsseldorf · Der durchs TV bekannte Start-up-Investor Frank Thelen hat Sahra Wagenknecht vorgeworfen, ihre Argumente gegen die Corona-Warn-App seien „Blödsinn“. In der Talkshow sieht er gegen die Linken-Politikerin allerdings blass aus.

 Frank Thelen und Sahra Wagenknecht bei "Maischberger - Die Woche" am 02.09.2020.

Frank Thelen und Sahra Wagenknecht bei "Maischberger - Die Woche" am 02.09.2020.

Foto: ARD

Bei „Maischberger – Die Woche“ ging es am Mittwochabend neben aktuellen Nachrichten auch um die Corona-Warn-App – aufgehängt an zwei Äußerungen aus deren Startzeit.

Die Gäste:

  • Frank Thelen, Ex-Jurymitglied bei „Die Höhle der Löwen“
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke), Bundestagsabgeordnete

Darum ging’s:

Die beiden Gäste im letzten Teil der Talkshow verdanken ihre Einladung einer Brise im Wasserglas vom Juni dieses Jahres: Nachdem Sahra Wagenknecht in einem Interview erklärt hatte, warum sie die Corona-Warn-App nicht auf ihrem Telefon habe, warf Thelen ihr auf Twitter vor, sie würde „360-Grad-Blödsinn“ erzählen. In der Sendung ist es hingegen eher Wagenknecht, die Thelen aufs Töpfchen setzt.

Der Talkverlauf:

Die Leistung der Corona-Warn-App habe sie auch in der Zwischenzeit nicht überzeugen können, teilt Sahra Wagenknecht mit, nachdem ein Einspieler zum strittigen Punkt den Beginn des Talk-Segments eingeleitet hat. Als Beispiele führt sie diverse Pannen an und kritisiert: Dass Bluetooth eingeschaltet sein müsse, öffne ein Tor für Hacker. „Wir brauchen andere Wege, um diese Pandemie zu bekämpfen“, findet die Linken-Politikerin.

Der Technologie-Investor Frank Thelen räumt ein, dass Bluetooth tatsächlich ein Einfallstor für Hacker darstelle, aber das brauche man ja auch für andere Sachen. „Ich hab’s normalerweise ausgeschaltet“, sagt Wagenknecht dazu. Damit gehöre sie dann aber in eine ganz kleine Gruppe von Smartphone-Nutzern, erwidert Thelen, und im Übrigen sei der große Vorteil der Corona-Warn-App ja, dass sie „open source“ sei. „Jeder kann die Betriebsanleitung herunterladen“, schwärmt der Unternehmer.

„Und?“, fragt daraufhin Moderatorin Sandra Maischberger. „Und es ist super!“, sagt Thelen. Mit dieser Begeisterungsfähigkeit wird er sich später noch öfter hervortun. Zunächst aber gibt er Wagenknecht recht, es habe tatsächlich Probleme mit der App gegeben. Die Pointe dieser Geschichte kommt freilich erst in den letzten Sekunden der Sendung heraus (Achtung, Spoiler): Thelen hat die Nachteile der Corona-Warn-App bereits am eigenen Leib erlebt. Nach einem positiven Test warnte die App andere nicht vor ihm. Es stellte sich heraus, dass das Labor, das seinen Test bearbeitet hatte, nicht mit der App verbunden war – dass es keinen zentralen Server für die Datenerfassung gibt, kritisiert Thelen und lastet es der „Angst vor Daten“ an, die in Deutschland herrsche.

Das sieht Wagenknecht allerdings anders. Die eigentliche App sei zwar „open source“, aber sie laufe nur auf Plattformen, die Google und Apple stellen. Und diese Unternehmen hätten durchgesetzt, dass es keine zentralen Server gebe – „weil sie die Daten selber haben wollen“, sagt Wagenknecht. Das Kernproblem sei deshalb für sie auch nicht die Corona-Warn-App. Sie würde niemandem davon abraten, diese herunterzuladen. Stattdessen kritisiert Wagenknecht die Abhängigkeit von „diesen zwei riesigen Datenkraken, wenn man eine App programmieren will“.

In diesem Punkt stimmt ihr Thelen zu. Auch Amazon sei viel zu mächtig, deshalb fordert er europäische Plattformen. Für einen Moment herrscht eitel Einigkeit und Sonnenschein, aber schon grätscht die Moderatorin dazwischen. Gleichzeitig, so erinnert Maischberger Thelen, sei er aber auch ein Fan von Amazon-Besitzer Jeff Bezos. „Wie klug der Mann ist!“, schwärmt Thelen. Bezos sei bei einem Gespräch über Thelens Pläne für ein elektrisch angetriebenes Flugzeug sofort in technische Details eingestiegen. „So etwas sehe ich bei Dax-Vorständen selten.“ Thelen wünscht sich ein solches Denken dagegen schon bei Kindern.

Die Vorbildrolle eines Jeff Bezos zweifelt Wagenknecht an. Wegen dessen Umgang mit Mitarbeitern – „Überwachung bis auf die Toilette“ – und Händlern, die unter Rabattdruck gesetzt werden. Ein „hemdsärmelig-brutales Unternehmertum“ als Vorbild für Kinder hält sie für eine gruselige Idee. „Sie haben das wahrscheinlich nicht so gemeint“, sagt sie zu Thelen, „aber das gehört alles dazu.“ Sie setze sich gerade auch deswegen für eigene Anbieter in der EU ein, um andere Grundsätze durchzusetzen. Ansonsten drohe wirtschaftliche Abhängigkeit und Verlust von Wohlstand.

Thelen will seine Verehrung aber nicht so leicht fallenlassen. Ihm sei es wichtig, so zu denken wie Jeff Bezos, Elon Musk (Tesla) oder Bill Gates (Microsoft). Die sähen „exponentiellen Fortschritt“ und dächten langfristig, und das fehle in Europa. Dort würden Unternehmer zudem meist als böse dargestellt. Dabei hätten Unternehmer wie Elon Musk das Geld gar nicht nötig, der Mann habe lediglich verstanden, dass nur Technologie den Planeten retten könne.

Doch abermals kontert Wagenknecht Floskeln mit Fakten. Tesla-Autos seien meist schwer, auf große Reichweiten konstruiert und mit großen Batterien versehen. „Das ist umwelttechnisch überhaupt kein Gewinn“, stellt sie fest und führt problematische Rohstoffe wie Lithium und Kobalt an. Dennoch stimmt sie Thelen dabei zu, dass Deutschland bei den digitalen Technologien hoffnungslos abgeschlagen sei. Doch auch dieser Punkt geht für Thelen nicht gut aus, denn sie fügt hinzu: „Aber das liegt nicht an den Unternehmerpersönlichkeiten.“ Im Handstreich klärt sie darüber auf, worauf der Erfolg des Silicon Valley basiert: „ganz viel Staatsgeld“.

Mit beinahe rührender Begeisterung bestätigt Thelen daraufhin ihr Argument – und fordert Milliardenförderung für Bereiche wie künstliche Intelligenz, Quantencomputer und Hyperloops. Für Wagenknecht beantworten diese Innovationen aber nicht die elementaren Zukunftsfragen. Sie plädiert für Technologien, die „unsere Probleme lösen“, etwa Plastikmüll in den Meeren, Umweltverschmutzung, Kreislaufproduktion.

Schließlich gelangt die Diskussion bei der Frage an, ob Konzernkapitalismus oder eine staatliche Lenkung des Marktes die besseren Lösungen hervorbringe. Und Maischberger stellt Wagenknecht schmunzelnd die ketzerische Frage, ob es beim Beispiel Corona-Impfstoff nicht gut sei, dass Tausende Unternehmen um die Wette forschen, weil jede Menge Gewinn winkt.

„Wenn wir dann einen wirklich wirksamen Impfstoff bekommen“, sagt Wagenknecht, „und der nicht übereilt auf den Markt geworden wird.“ Sie verweist darauf, dass in die Impfstoffforschung bereits öffentliche Gelder investiert werden und fordert unabhängige Instanzen, die solche Produkte überprüfen. Es könne nicht angehen, dass ein Hersteller eine Studie mitbezahlt, die die Unbedenklichkeit seiner Arznei bescheinigt.

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