„Markus Lanz“ zum Coronavirus Dunkelziffern, Horrorszenarien und unsinnige Masken

Düsseldorf · Ob Medizin oder Politik: Immer wieder kommt bei „Markus Lanz“ das Gespräch über das Coronavirus auf Italien – und meistens landet dann Halbwissen auf dem Schafott.

Die Talkrunde bei "Markus Lanz" am 10. März 2020.

Die Talkrunde bei "Markus Lanz" am 10. März 2020.

Foto: ZDF

Der Talk bei „Markus Lanz“ dreht sich am Dienstagabend erneut um das Coronavirus. Der Moderator lässt sich bei der Gesprächsführung auch von persönlichen Beziehungen leiten.

Darum ging’s:

Eigentlich soll die Talkrunde medizinische, wirtschaftliche, politische und psychologische Aspekte einer drohenden Coronavirus-Epidemie besprechen. Doch die Gesprächsanteile sind nicht gleich verteilt.

Die Gäste:

Der Talkverlauf:

Einer von 200. In diesem Verhältnis werden COVID-19-Erkrankungen und Todesfälle unterm Strich stehen, ist Alexander Kekulé überzeugt und macht damit greifbar, was 0,5 Prozent bedeuten. Für die Rate von vier bis fünf Prozent, die aus Italien gemeldet wird, hat der Virologe auch eine Erklärung: Eine hohe Anzahl von Todesfällen weise auf eine hohe Dunkelziffer an Infizierten hin, zudem sei der Altersdurchschnitt bei den Todesfällen in Italien sehr hoch. Aus beidem könne man in Deutschland wichtige Schlüsse ziehen: Schutz von alten Menschen mit Vorerkrankungen und Vorsicht mit Reisen, nach denen die Menschen die Krankheit ahnungslos mit nach Deutschland bringen.

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Foto: dpa-tmn/Zacharie Scheurer

Kekulé erwartet eine „ganz massive“ Vermehrung von Fällen in Deutschland und zeigt sich frustriert über „anfängliche Fehleinschätzungen“ und „Missmanagement“. Verantwortlich dafür macht er die Angst von Politikern davor, die Bevölkerung zu verunsichern. Er hingegen ist der Ansicht, wenn man den Leuten sage, wie es ist, habe man gute Chancen, Panik zu verhindern. „Ich persönlich glaube, dass wir ein relativ aufgeklärtes, vernünftiges Volk sind.“

Dieser Vorstellung hätte vielleicht Carmen Thoma mit ihren Erkenntnissen zum Thema Reaktanz beleuchten können – dem Blindwiderstand, der Menschen dazu bringt, ohne jede Grundlage vehement „dagegen“ zu sein. Doch Moderator Markus Lanz schiebt das Thema ganz an den Schluss der Sendung.

Stattdessen will er noch mehr Zahlen. Kekulé zitiert erst einmal seinen Kollegen Christian Drosten: „Wenn wir das einfach so laufen lassen, werden 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infiziert.“ Nach dieser Rechnung ergäbe das binnen zwei Jahren 250.000 bis 500.000 Tote in Deutschland – ein „Maximal-Horrorszenario“. Kekulé dagegen nimmt Daten aus China als Grundlage und kommt so im schlimmsten Fall auf 40.000 Tote.

Nun hat der niedersächsische Politiker Boris Pistorius eine Chance, auf Kekulés Frustbemerkung von vorher zu reagieren. Ihm geht dessen Folgerung von Fehleinschätzung zu Missmanagement zu schnell – und als Gegenbeispiel führt er die Situation mit Flüchtlingen 2015/16 an. Das habe man nach Anfangsschwierigkeiten auch hervorragend geschafft.

Der Ökonom Hans-Werner Sinn soll über die wirtschaftlichen Folgen und mögliche Maßnahmen sprechen. Er geht von einer Rezession aus, glaubt aber nicht, dass sie durch Nachfrage stimulierende Maßnahmen überwunden werden könne. Die Menschen wollten verständlicherweise Abstand voneinander halten, und damit sinken die wirtschaftlichen Aktivitäten. „Ich scheue mich, mich als Volkswirtschaftler gegen den Kollegen aus der Medizin zu stellen, der ja hier Fachmann ist.“

Einem Angriff auf die Politik scheut Sinn indes nicht. Politiker würden auf wöchentliche Umfrageergebnisse schielen, wenn sie Entscheidungen träfen. Daraufhin ätzt Pistorius: Er fände das „ein bisschen schlicht“. Nun erntet Sinn mit „Na ja, das ist so mein Eindruck“ zwar einen Lacher. Doch Pistorius kontert: „Wir erleben das hier gerade: Sie sagen etwas in der Annahme, es sei populär. Aber das ist genau das, was unser Gemeinwesen in diese fragile Situation bringt.“

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Foto: dpa/Claudio Furlan

Als Moderator Markus Lanz bald darauf - wie so oft - unterbricht und diesmal wegen seines „persönlichen Hintergrunds“ Südtirol als Gesprächsthema vorgibt, manövriert sich Sinn in eine missliche Lage. In Norditalien würden ja „viele Chinesen“ arbeiten, behauptet er vielsagend. Doch da unterbricht nun Kekulé und mahnt zur Vorsicht. „Bevor ich eine Bevölkerungsgruppe zum Auslöser einer Krankheit mache, muss ich wissenschaftliche Beweise haben.“ Und die bleibt Sinn schuldig.

Zwischendrin gibt es noch eine Gelegenheit für Kekulé, Aufklärung zu betreiben: In einem Gespräch mit einem Menschen, der sich mit dem Coronavirus angesteckt habe, reiche ein Abstand von etwa einem Meter; wenn er huste, zwei Meter. Anders als etwa bei Windpocken läge die Ansteckung nicht in der Luft – und deshalb sei das Tragen von Masken im Freien schlicht und einfach Unfug.

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