TV-Nachlese zu „maybrit illner“ „Wir hoffen das Beste und bereiten uns auf das Schwierigste vor“

Düsseldorf · Bei „Maybrit Illner“ geht es wieder einmal um Corona-Maßnahmen. Eine Überraschung kommt dabei aus Spanien – mit einem Detail, das im Grunde genommen selbstverständlich sein könnte.

 Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 13. Januar 2022.

Die Talkrunde bei „Maybrit Illner“ am 13. Januar 2022.

Foto: ZDF

In der Talkshow „maybrit illner“ ging es am Donnerstagabend um das Thema „Welle oder Wende – ändert Omikron die Corona-Politik?

 Die Gäste:

  • Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
  • Klaus Holetschek (CSU), Gesundheitsminister von Bayern
  • Melanie Brinkmann, Virologin
  • Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist
  • Eva Quadbeck, Journalistin
  • Anne Arend, Journalistin

 Darum ging’s:

Um Omikron, Kommunikationsprobleme, Testengpässe, Impfpflicht – oder anders ausgedrückt: um aktuelle und altbekannte Fragen der Corona-Politik.

 Der Talkverlauf:

„Aus Sicht einer Infektionsbiologin ist es ein Virus, mit dem man sich besser nicht infizieren sollte“, sagt Melanie Brinkmann. Die Virologin hält mit ihrer Fachkenntnis ebensowenig hinter dem Berg wie mit dessen Grenzen. Forscher wüssten etwa noch nichts über Long Covid bei Omikron, auch die Reaktion von Kindern unter fünf Jahren auf diese Virusvariante sei noch unbekannt. Und auf die Frage, wie Ungeimpfte in Deutschland erreicht werden könnten, erspart Brinkmann der Runde Spekulationen. Ihre Empfehlung: Dazu müssten entsprechende Experten Vorschläge machen.

Angesichts der Omikron-Welle lädt die Wissenschaftlerin zu einer kühlen Analyse ein. Für eine Bewertung seien zwei Elemente zu betrachten: Das Virus und sein Wirt – und was sich in beiden Bereichen verändert habe. „Das Virus ist sehr einfallsreich und hat uns schon oft überrascht“, konstatiert Brinkmann. Bei seinem Wirt, dem Menschen, habe sich auch etwas verändert: „Alle, die drei Mal geimpft sind, haben ihr individuelles Risiko sehr stark reduziert.“ Das derzeitige Problem sei die Zahl der Ungeimpften. Bei den Schutzmaßnahmen befürwortet Brinkmann zwar eine Verkürzung in Verbindung mit dem Freitesten. Das Problem seien aber die Testkapazitäten.

„Wir werden beim Testen wahrscheinlich eine Priorisierung einführen müssen“, sagt der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Im erneuten Ausscheren Bayerns aus den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz zur „2G Plus“-Regelung für die Gastronomie sieht die Journalistin Eva Quadbeck „auf jeden Fall ein Stück Oppositionspolitik“. Ihrer Ansicht nach sei dies das falsche Signal, denn die Regelung könne als Anreiz zum Boostern wirken. „Wenn man so weitermacht, dass man Beschlüsse fasst und es dann nicht schafft, sie umzusetzen, dann wird das Virus diese Entscheidung für uns treffen“, sagt die Journalistin.

Als Landeschefin von Mecklenburg-Vorpommern war Manuela Schwesig an den Beschlüssen der MPK beteiligt. „Ich staune, dass Bayern das macht“, bekundet die SPD-Politikerin. „Denn vor Kurzem wurden dort ja auch die Patienten ausgeflogen.“ Sie habe zudem erlebt, wie die Menschen in ihrem Bundesland zum Clubbing nach Schleswig-Holstein gefahren seien. „Wenn nicht überall die gleichen Maßnahmen gelten, weichen die Menschen aus.“ Nun betont sie, dass bei der Diskussion um die Belastung der Krankenhäuser auch jene Patienten zu bedenken seien, die nicht wegen Covid-19 eingeliefert würden. Vom Expertenrat erhofft sie sich eine Antwort auf die noch offene Frage, ob die vielen Ungeimpften durch die Omikron-Variante zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen könnten. Unterdessen beschreibt Schwesig ihre Politik so: „Wir hoffen das Beste und bereiten uns auf das Schwierigste vor.“

In der politischen Diskussion kommt auch die Frage auf, wie die Bundesregierung mit der vollmundigen Ankündigung einer Impfpflicht umgeht – und keinen Gesetzesvorschlag vorlegt, sondern die Abgeordneten selbst daran arbeiten lässt. CSU-Mann Holetschek unterstreicht, dass ein schnelles Handeln wichtig sei. Doch die SPD-Politikerin Schwesig kontert: „Wer ungeduldig ist, muss dann eben selbst einen Gesetzesvorschlag vorlegen.“ Die Journalistin Quadbeck merkt an, dass die Ampel-Koalition auf eine Debatte im Bundestag angewiesen sei, um eine Mehrheit zu bekommen. Sie selbst ist indes überzeugt, eine Impfpflicht werde am Ende überhaupt nicht eingeführt. „Wenn man eine solche politische Kehrtwende macht, muss man schnell um 180 Grad drehen, wie etwa beim Atomausstieg“, sagt Quadbeck. Nun zerfasere die Diskussion.

Die zugeschaltete Korrespondentin Anne Arend überrascht bei ihrer Beschreibung der Lage in Spanien mit einem Detail. Die hohe Impfbereitschaft des Landes schreibt sie nicht nur den Erfahrungen eines sehr harten, langen Lockdowns und den Nachwirkungen der Schockbilder von Sterbenden auf Krankenhausfluren in der ersten Welle zu, sondern auch dem hohen Vertrauen in das Gesundheitssystem. „Wenn da die Ärzte eine Impfung empfehlen, dann wird das auch gemacht“, sagt Arend.

Die Virologin Brinkmann findet es „unfassbar“, dass das in Deutschland ganz anders sei. Grundlegend falsch sei eines der dahinterliegenden Narrative, die „Natur“ als etwas darzustellen, das dazu da sei, dem Menschen zu helfen – und zu argumentieren, eine sogenannte „natürliche Ansteckung“ sei besser als die Impfung. „Die Natur ist grausam“, stellt Brinkmann klar.

Der Journalist Rangar Yogeshwar weist darauf hin, wie solche Fragen zu einer Lagerbildung führen können. Das sei auch der Grund, warum er zwar vehement für die Impfung werbe, aber von einer Impfpflicht nicht überzeugt sei. Yogeshwar befürchtet Trotzreaktionen. Stattdessen wünscht er sich mehr Kreativität bei Impfkampagnen und führt Mark Twains Jugendroman „Die Abenteuer von Tom Sawyer“ als Vorbild an: „Wie bei Tom Sawyer, der den Zaun strich und irgendwie die anderen dazu kriegte zu sagen: Darf ich auch mal?“

Pflichten gegenüber ist Yogeshwar aber nicht generell abgeneigt. Er betont, dass eine hohe Impfquote allein in Deutschland nicht ausreichen werde, um die Pandemie zu bekämpfen. Impfspenden seien nicht allein barmherzig, sondern ökonomisch notwendig. „Wenn man es langfristig betrachtet, wäre eine Pflicht zur Hilfsbereitschaft gut.“

(peng)
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