Spahn und Merkel zu Astrazeneca-Entscheidung „Das alles wird Verunsicherung mit sich bringen“

Berlin · Nach dem Impfstopp mit Astrazeneca für Jüngere haben sich am Abend Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn geäußert. Die Regierungschefin rechtfertigte die Entscheidung, der Empfehlung der Stiko zu folgen.

 Jens Spahn und Angela Merkel traten am Abend in Berlin vor die Öffentlichkeit und erklärten die Astrazeneca-Entscheidung.

Jens Spahn und Angela Merkel traten am Abend in Berlin vor die Öffentlichkeit und erklärten die Astrazeneca-Entscheidung.

Foto: dpa/Markus Schreiber

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat um Vertrauen in die Entscheidung von Bund und Ländern zur Aussetzung der Astrazeneca-Impfungen bei unter 60-Jährigen geworben. „Das alles wird Verunsicherung mit sich bringen“, sagte sie am Dienstagabend. Doch Offenheit und Transparenz seien die beste Möglichkeit mit einer solchen Situation umzugehen. Die Alternative sei gewesen, entweder etwas unter den Teppich zu kehren oder aber die existierenden Fälle ernst zu nehmen, sagte Merkel. „Und deshalb glaube ich, unter allen Abwägungen ist dies der Weg, der noch zu dem möglichst besten Vertrauen führt auf dem Weg zu einer Verwendung von Astrazeneca. Wenngleich ich die Verunsicherung nicht wegreden kann.“

Dass verschiedene Impfstoffe zur Verfügung stünden, sei ein großes Glück. Auf ihre eigenen Impfung angesprochen sagte die Kanzlerin: „Wenn ich dran bin, lass‘ ich mich impfen, auch mit Astrazeneca.“ Bund, Länder und Kommunen wollten nun gemeinsam Änderungen bei den Impfplanungen klären.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die Bürger könnten sich darauf verlassen, dass in Deutschland zugelassene Impfstoffe „akribisch überwacht“ würden. „Andererseits ist es ohne Frage ein Rückschlag, dass bei einem unserer verfügbaren Impfstoffe in dieser Pandemie für eine bestimmte Altersgruppe offenbar ein erhöhtes Risiko besteht.“

Menschen über 60 könnten nun schneller geimpft werden. Spahn betonte, es sei wichtig, möglichst viele der über 60-Jährigen in der dritten Infektionswelle zu impfen und so zu schützen. Deshalb sei es wichtig, dass auch der Impfstoff von Astrazeneca zügig genutzt werde. „Und es werden sich, da bin ich sehr, sehr sicher, hinreichend viele über 60-Jährige gerne schützen lassen mit diesem Impfstoff.“ Merkel und Spahn bekräftigten das Ziel, bis Ende des Sommers allen Bürgern ein Impfangebot zu machen.

FDP-Generalsekretär Volker Wissing kritisierte das Krisenmanagement der Regierung: „Dieses Sprunghafte, dass die Bundesregierung an den Tag legt, führt zu Vertrauensverlust. Wir verlieren Zeit, wir zerstören das Vertrauen in die Impfung“, sagte Wissing bei „Bild live“ am Dienstagabend. Es sei „mehr als erklärungsbedürftig“, dass der Impfstoff „erst für Jüngere, dann für Ältere, dann wieder mit Risiko und plötzlich nur für Ältere“ sicher sei. Die Verunsicherung nehme von Tag zu Tag zu.

Derweil zeigte sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Abend optimistisch, dass die Entscheidung keine großen Auswirkungen auf die Impfkampagne in Deutschland haben wird. „Wir werden eine kleine Delle haben von ein paar Tagen, wo es Verwirrung gibt, aber dann wird das Impftempo wieder voll anziehen“, sagte Lauterbach in den ARD-„Tagesthemen“. Generell überwiege bei über 60-Jährigen der Nutzen die möglichen Risiken. „Es ist ein sehr guter Impfstoff, den ich weiter empfehlen kann“, sagte Lauterbach. Die Entscheidung der Bundesregierung sei aber richtig gewesen. Man müsse auf die neuen Daten reagieren, denn „das ist keine Kleinigkeit, über die wir hier reden.“

Der Impfstoff von Astrazeneca soll ab diesem Mittwoch in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahre eingesetzt werden. Unter 60-Jährige sollen sich jedoch „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ auch weiterhin damit impfen lassen können, wie aus einem Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern hervorgeht. Hintergrund sind Auffälligkeiten mit Fällen von Blutgerinnseln in Hirnvenen nach Impfungen vor allem bei jüngeren Frauen.

Im zweiten Quartal werden insgesamt deutlich größere Impfstoffmengen erwartet. Die Hersteller haben laut einer Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums vom 22. März rund 70 Millionen Dosen in ihren Prognosen zugesagt: 40,2 Millionen sollen demnach von Biontech/Pfizer kommen, 12 bis 15 Millionen von Astrazeneca, 6,4 Millionen von Moderna und rund 10 Millionen von Johnson & Johnson.

(peng/mja/dpa)
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