Serie Mein Traumjob Ein Beruf für Bissfeste

Wermelskirchen · Als Tierpflegerin ist Laura Sticht acht Stunden am Tag draußen – bei jedem Wetter. Die junge Mutter arbeitet auf der Straußenfarm.

 Laura Sticht mit dem etwas zickigen Hennen-Trio Charity, Clara und Cianna. Die Tiere sind neugierig und picken gerne zu.

Laura Sticht mit dem etwas zickigen Hennen-Trio Charity, Clara und Cianna. Die Tiere sind neugierig und picken gerne zu.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Cigolo ist nicht gerade freundlich gestimmt, als Laura Sticht die Holztür zu seiner Stallüberdachung aufschiebt. „Ich würde da jetzt nicht ins Gehege gehen“, erklärt die 26-Jährige, die die Signale des imposanten Vogels zu deuten weiß. Die Brust pludere er auf, macht sich groß und schaut damit locker über die Drei-Meter-Marke. Cigolo regt sich auf, dass Fremde seinen Stall betreten, aber auch die ihm vertraute Pflegerin Laura Sticht findet er suspekt. „Es sind Wildtiere, die sehr territorial sind“, erklärt Sticht. „Wenn die Hähne drohen, betreten wir die Gehege nicht.“ Denn gegen Cigolo und die bei ihm lebenden drei Straußendamen Cianna, Charity und Clara hätte Laura Sticht keine Chance. „Wegrennen ist keine Option“, sagt die Expertin und lacht. Zwischen 50 und 70 Stundenkilometer schnell sind die Tiere: „Das schaffe ich nun mal nicht.“ Sollte sie sich in einem Gehege befinden, wenn ein Strauß schlechte Laune bekommt, helfe nur, schnell über einen Zaun zu klettern, um sich in Sicherheit zu bringen. In einigen Situationen könne man sich auch bäuchlings auf den Boden werfen und hoffen, dass der Strauß noch nicht allzu sauer ist und auf dem Menschen rumtrampelt: „Aber ich bin schon eher Zaunfan.“ Die Tiere wiegen gut 100 Kilo und haben eine Beinkraft, mit der sie, träfen sie Kopf oder Brust eines Menschen, diesen töten können.

Während Cigolo den Hals reckt, knabbern seine drei Gefährtinnen an Laura Stichts Jacke, öffnen den Klettverschluss am Bündchen und schnappen immer wieder in ihre Finger. „Das ist nett gemeint“, erklärt die Mitarbeiterin der Straußenfarm, wobei der freundliche Probebiss in ihren Zeigefinger sie ruckartig nach vorne zieht. Der Finger wird sich später röten, aber weh tue das nicht, beteuert die 26-Jährige: „Daran gewöhnt man sich schnell.“ Ein Job für Bissfeste.

Bei Wind und Wetter arbeitet die Mutter einer vierjährigen Tochter als Tierpflegerin auf der Straußenfarm, paukt nebenher, um ihr Abitur nachzuholen. Die gelernte Heim- und Pensionstierpflegerin absolvierte ihre Ausbildung im Tierheim in Remscheid und wechselte dann in ihren Heimatort Emminghausen auf die Straußenfarm. Statt um Hunde, Katzen und Kaninchen kümmert sie sich seitdem um die afrikanischen Laufvögel und um eine Bisonherde. Dazu war ein Sachkundenachweis für Strauße nötig, und zu ihrer Arbeitskleidung gehören warme Sachen in gedeckten Farben (“Rot findet man bei Straußen nur an Beinen und Schnäbeln der Hähne“) und Schuhe mit Stahlkappen oder Gummistiefel.

Dass sie mit Tieren arbeitet, die ihr körperlich überlegen sind, weiß die junge Mutter, deren kleine Tochter eher gelangweilt ist, wenn Außenstehende staunen, womit Sticht ihr Geld verdient. „Ich habe meinen Traumjob gefunden“, sagt Laura Sticht. Das bedeute zwar, dass sie auch im Winter acht Stunden draußen arbeite und ein Schrittzähler auf dem 12,7 Hektar großen Gelände der Farm schon morgens um 10 Uhr locker 10.000 Schritte anzeigen würde. Aber: „Mein Job ist super spannend, jeder Tag ist anders, und ich brauche keine aufregenden Hobbys mehr“, sagt die zierliche blonde Frau und lacht. Ein Buch zu lesen, reiche da in der Freizeit völlig aus. Der Job sei anstrengend, gerade im Winter, nach acht Stunden Arbeit an der frischen Luft, auch mal bei minus 10 Grad oder im Dauerregen, spüre sie den Körper abends. Tauschen möchte sie aber nicht. „Ich erlebe hier ganz besondere Momente.“ Wenn sie die aktuell 130 Tiere füttert – in der Brutsaison im Sommer sind es bis zu 100 mehr –, die frisch geschlüpften Jungtiere versorgt oder auch den Stall ausmistet.

 Eine Bisonherde mit elf Tieren lebt ebenfalls in Emminghausen. Diese Bisonkuh lässt sich von Laura Sticht sogar anfassen.

Eine Bisonherde mit elf Tieren lebt ebenfalls in Emminghausen. Diese Bisonkuh lässt sich von Laura Sticht sogar anfassen.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Die Lebenserwartung der Tiere liegt bei bis zu 70 Jahren, der älteste Vogel auf dem Hof ist derzeit der 29-jährige Barney. Dass es nicht mehr gefiederte Senioren gibt, liegt am Geschäftsmodell: Die Tiere werden gezüchtet, verkauft und auch selbst geschlachtet. Das war für Laura Sticht, die in einer kuscheligen Haustierumgebung gelernt hat, erst einmal eine Umstellung. „Man schätzt Nahrungsmittel anders wert, und wir wissen, wie viel Mühe dahintersteht.“ Seit einiger Zeit leben auch elf Bisons auf dem Gelände. Die Tiere sind deutlich scheuer als die neugierigen Großvögel und ignorieren Menschen lieber, als dass sie sich zum Zaun begeben. Vergeblich versucht Laura Sticht, den imposanten Bisonbullen Samson anzulocken, der versteckt hinter einer Heuraufe liegt. Als dann eine Bisonkuh langsam in ihre Richtung kommt, sie vorsichtig beäugt und am Ende sogar ganz sanft mit dunkler Zunge ein Stück Möhre aus der Hand von Laura Sticht frisst und sich streicheln lässt, strahlt die 26-Jährige. „Das ist einer dieser wunderbaren Momente meines Berufs. Das Tier vertraut mir und lässt sich sogar anfassen.“

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