Nachbarschaftliche Pflanzaktion Waldohreulen erobern Labbecks Gärten

Sonsbeck-Labbeck · Die Anwohner des Neubaugebiets Am Hasenacker haben regelmäßig tierischen Besuch. Nachdem die Nachbarschaft in einem gemeinsamen Projekt Wildblumen pflanzte, fühlt sich dort nun auch ein Eulen-Paar mit seinen Drillingen wohl.

 Dieses Waldohreulen-Junges beobachteten Malte (2) und seine Mutter Melanie Köhler beim Gang zum Kindergarten.

Dieses Waldohreulen-Junges beobachteten Malte (2) und seine Mutter Melanie Köhler beim Gang zum Kindergarten.

Foto: Köhler

Als Tanja Birnbaum zum ersten Mal die nächtlichen Rufe hörte, schreckte sie auf und machte sich Sorgen. „Das hörte sich an, als hätte jemand seine Kinder im Wald ausgesetzt oder als sei ein Tier schwer verletzt“, erzählt die Labbeckerin. Ihr Mann Bernd blieb da noch cool, ließ sich von dem herzzerreißenden Fiepen nicht um den Schlaf bringen. Doch dann drangen die Laute immer häufiger durch das Neubaugebiet Am Hasenacker. Immer rund um die Dämmerung um 22 Uhr. Zum Juni hin dann jede Nacht. „Man hatte das Gefühl, die Geräusche kommen von links, von rechts, von überall“, erzählt Tanja Birnbaum.

Der kleine Malte war einer der ersten in der Nachbarschaft, der die Urheber der „Ruhestörung“ ausmachen konnte. Als der Zweijährige mit seiner Mama Melanie Köhler eines Morgens zum Kindergarten spazierte, blieb der Junge plötzlich stehen und sagte: „Guck mal, eine Baby-Eule.“ Tatsächlich saß dort am helllichten Tag der Nachwuchs einer Waldohreule auf einem Gullideckel. „Wir waren zwar spät dran, aber das musste ich fotografieren, also rannte ich schnell nach Hause mein Handy holen“, erzählt die junge Mutter.

 Der zweijährige Malte und sein vierjähriger Bruder Leonard halten Wildblumen in die Kamera, die unter anderem (hinten, v.l.) Tanja und Bernd Birnbaum, Jutta Block sowie die Eltern Melanie und Sven Köhler pflanzten.

Der zweijährige Malte und sein vierjähriger Bruder Leonard halten Wildblumen in die Kamera, die unter anderem (hinten, v.l.) Tanja und Bernd Birnbaum, Jutta Block sowie die Eltern Melanie und Sven Köhler pflanzten.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Das Bild des tierischen Besuchers teilte sie in der nachbarschaftlichen Whatsapp-Gruppe. Nur wenige Tage später sollten zahlreiche mehr auf den Bildschirmen zu sehen sein. Vor allem im Garten der Familie Birnbaum lassen sich die imposanten Greifvögel oft blicken. Und kamerascheu sind sie nicht gerade.

„Eines Abends sah mein Mann etwas Dunkles am Staketenzaun“, erzählt Tanja Birnbaum. Das Paar schaute genauer hin und erblickte das Mutter-Tier der Waldohreulenfamilie. Mit knapp 40 Zentimetern Körpergröße und ihren durchdringenden orangefarbenen Augen eine stattliche Erscheinung. „Das war ein faszinierendes Erlebnis“, so Birnbaum. Einen Tag später saß der Vogel wieder im Garten. Schon morgens, und dann den ganzen Tag. „Wir konnten bis auf einen Meter an das Tier herangehen, Fotos machen, Videos drehen, es hatte überhaupt keine Angst.“

 Das Mutter-Tier sitzt regelmäßig im Garten der Birnbaums.

Das Mutter-Tier sitzt regelmäßig im Garten der Birnbaums.

Foto: Birnbaum

Das wiederum ließ der Labbeckerin keine Ruhe. Sie rief einen Förster an, um sich zu informieren. Fehlt dem Tier etwas? War es mal ausgewildert worden, dass es so zutraulich ist? Und warum überhaupt zeigt es sich tagsüber? Der Förster konnte beruhigen. Wenn die nachtaktiven Tiere Junge haben, suchten sie auch am Tag nach Futter, erklärte er.

Und davon gibt es genug Am Hasenacker. Dafür hatten die Nachbarn selbst gesorgt. 2019 übernahmen mehrere Familien die Patenschaften für Baumscheiben und Randstreifen im Wohngebiet, säten in einer gemeinsamen Aktion Wildblumen aus und legten Insektenhotels an. Unterstützung gab es von den Experten des Naturgarten-Vereins. Aber: „Im ersten Jahr dachten wir, das wird nichts mehr“, erinnert sich Jutta Block, die die Initiative damals angeschoben hatte. Viele Wildblumen bildeten lediglich Rosetten aus. Eine Augenweide, geschweige denn Bienenweide war das nicht. 

„Wir mussten viel lernen, allen voran, Geduld zu haben.“ Denn viele Wildblumen sind zweijährige Pflanzen, sie entwickeln ihre Blütenpracht erst im zweiten Jahr, sind dann aber wie der Natternkopf, die Nachtkerze oder die Glockenblume eine umso attraktivere Erscheinung. Auch für Insekten. „Obwohl wir hier im Neubaugebiet leben, ist der Tisch für Tiere reich gedeckt“, sagt Block.

Auch Xantens Klimaschutzmanagerin Lisa Heider und Weezes Artenschutzbeauftragte Melanie van der Flierdt waren schon vor Ort, um sich das Projekt der Nachbarn anzusehen. Sie bestätigten, so Block, dass die Besuche der Eulenfamilie mit der Pflanzaktion zusammenhängen könnten. „Viele Wildblumen ziehen viele Insekten an, die wiederum viele heimische Vögel, deren Nester dann interessant für die Raubvögel sind“, erklärt die Initiatorin.

„Immer wenn die Amseln Alarm schlagen, wissen wir, die Eulen sind wieder da“, erzählt Birnbaum. Vor einigen Tagen gab es wieder Gezeter. „Wir gingen raus und erlebten ein Schauspiel“, so Birnbaum. Mama-Eule saß links am Gartenzaun, Papa-Eule rechts, und die drei Jungtiere flogen hin und her. Die Birnbaums waren in eine Lehrstunde der Jagd geraten. Inzwischen sind aus den Baby-Eulen Raubvögel geworden. „Es ist toll, dass sich die Tiere hier so gut entwickeln“, sind sich die Nachbarn einig. Vielleicht auch, weil nun die nächtlichen Futterrufe verklungen sind.

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