Leben im Krähenbach Auf einen Plausch über den Gartenzaun

Krähenbach · In Krähenbach leben kaum 20 Einwohner. Kühe, Falken, Schafe und Bienen sind deutlich in der Überzahl.

 Felder, Wällder, Scheunen: Ehepaar Werker liebt den Blick aus dem Fenster.  Fotos (2): Theresa Demski

Felder, Wällder, Scheunen: Ehepaar Werker liebt den Blick aus dem Fenster. Fotos (2): Theresa Demski

Foto: Theresa Demski

Wenn Claudia und Bünyamin Werker morgens aufwachen, dann sehen sie manchmal als allererstes die Gesichter der Kühe, die neugierig vor dem Fenster die Hälse recken. Die 36-Jährige lacht. „Da freuen wir uns immer wieder drüber“, sagt sie und deutet dann auf das weite Land, das sich hinter ihrem Haus erstreckt. Die Felder, Wälder und Hügel.

Vor drei Jahren hat das Paar die alte Scheune, die heute ein helles, denkmalgeschütztes Zuhause ist, gekauft. Er kam aus Dortmund, sie aus Bergisch Gladbach. „Wir suchten irgendwas dazwischen und entdeckten Krähenbach“, sagt sie. Ihr war sofort klar, dass der kleine Ort, der noch hinter Dhünn-Neuenhaus liegt, ein Zuhause wird. Er habe nicht so genau gewusst, was er suchte. „Das erkannte er erst, als wir hier zum ersten Mal den Berg runter gefahren sind“, sagt seine Frau. Werkers sind nicht die einzigen Neuankömmlinge in Krähenbach, auch ihre Nachbarn leben noch nicht lange in der Ortschaft.

„Das war für uns Ureinwohner eine aufregende Zeit, als die beiden letzten Häuser in der Straße zum Verkauf standen“, erzählt Ute Debes, die in Krähenbach geboren wurde. Baugrundstücke gebe es keine mehr, die Regeln im Wasserschutzgebiet seien streng und gäben den Menschen hier die Sicherheit, ihren Ausblick und ihre vertraute Umgebung auch bewahren zu können. Wer würde also die beiden Häuser kaufen? Würden sie nach Krähenbach passen? Schließlich hat der Ort eine Geschichte, seine Einwohner haben ein besonderes Lebensgefühl.

„Meine Großeltern kamen nach Krähenbach, um hier ein vegetarisches Erholungsheim zu gründen“, erzählt die 63-Jährige. Bis in die 1960er-Jahre kamen Erholungssuchende auf den Lindenhof, um tief durchzuatmen, die Sauna und die Freikörperkultur zu nutzen und den kurzen Weg zur Dhünn-Talsperre. „Das war für die Menschen, die schon hier lebten manchmal wohl etwas schräg“, erzählt Ute Debes lachend. Aber es zeigte auch: Die Menschen flüchteten gerne ans Ende der Welt, wenn es ihnen in den Städten zu eng wurde. Nicht umsonst wurde Jahrzehnte später im Ort eine Yoga-Schule gegründet, die bis vor vier Jahren Menschen aus der ganzen Region in das kleine Dorf zog. „Dann war hier richtig was los“, sagt Ute Debes. Schließlich kommt jedes Auto, das ins Dorf fährt, gleich zweimal an ihrem Haus vorbei – beim Kommen und beim Wegfahren. Sackgasse. Die meiste Zeit aber bleibt es ruhig in Krähenbach – bis auf ein paar Wanderer und Reiter. Und das wissen die Menschen hier zu schätzen – sowohl die 98-Jährige Helga Debes als auch der vierjährige Neubürger. Im Winter seien sie früher häufiger eingeschneit, bei Unwettern seien sie die ersten, die vom Stromnetz und vom Telefon abgeschnitten seien und an den Kanal sei Krähenbach erst vor 19 Jahren angeschlossen worden.

Und trotzdem kehrte Ute Debes vor rund 20 Jahren in ihre Heimat zurück – mit ihrem Mann und ihren Kindern. Den Kindern hätten sie damals versprochen, sie zu fahren und zu holen. Schließlich habe sie sich gut an ihre eigene Jugend erinnert – ihre Eltern hatten keinen Führerschein. „Aber dafür einen großen Garten zur Selbstversorgung“, sagt die 63-Jährige. Die Gärten gehören bis heute zum Herz der Ortschaft. Sie liegen nebeneinander am Hang statt neben den Häusern. „Und über die Zäune hinweg kommen wir ins Gespräch“, sagt Ute Debes. Manchmal sitzt sie auch gemeinsam mit den Nachbarn auf der warmen Straße, hört den Rufen der Falken und ihren Jungen zu und kommt ins Gespräch – über Gott und die Welt. „Wir sind kein Dorf, das große Feste ausrichtet“, sagt sie, „aber wenn wir feiern, dann laden wir oft auch die Nachbarn ein.“

 Luft und Ausblick: Ute Debes (l.) und Claudia Werker wissen die Ruhe und Idylle in Krähenbach zu schätzen.

Luft und Ausblick: Ute Debes (l.) und Claudia Werker wissen die Ruhe und Idylle in Krähenbach zu schätzen.

Foto: Theresa Demski

Und genauso lernten auch Claudia und Bünyamin Werker die Menschen in Krähenbach kennen. „Wir haben zur Einweihungsfeier eingeladen“, erzählt die 36-Jährige und ergänzt dann lachend: „Und alle sind gekommen.“ Danach machte sich auch keiner mehr Sorgen, ob die „Neulinge“ den vertrauten Ort verändern würden. Die neuen Nachbarn wurden willkommen geheißen. Und die Kühe taten es ihnen gleich.

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