Fauna Neuss Geflügelzüchter lösen Verein auf - nach 144 Jahren

Neuss · Immer mehr Menschen freuen sich über Hühner im eigenen Garten. Doch dieser positive Trend erfasst die Vereine der Rassegeflügelzüchter offenbar nicht. Nach 144 Jahren ist für Fauna Neuss Schluss. Die verbliebenen zehn Mitglieder haben die Auflösung beschlossen.

 Der Geflügelzuchtverein „Fauna“ Neuss von 1878 wird aufgelöst. Das haben die verbliebenen zehn Mitglieder beschlossen. Annemie Lauterbach (81, l.) und Inge Groß (85) gehören dem Vorstand an.

Der Geflügelzuchtverein „Fauna“ Neuss von 1878 wird aufgelöst. Das haben die verbliebenen zehn Mitglieder beschlossen. Annemie Lauterbach (81, l.) und Inge Groß (85) gehören dem Vorstand an.

Foto: Ludger Baten

Stolz führt der Hahn die Hennen an. Fröhlich gackernd folgen sie ihm auf der Suche nach ihrer Lieblingsspeise: das Grün der Klatschmohnpflanze. „Die wissen was lecker ist“, freut sich Annemie Lauterbach (81) aus Gruissem. Hühner, vor allem Holländische- und Bielefelder Zwerge, haben sie ihr Leben lang begleitet. Mehr als 60 Tiere waren es in der Spitze, heute sind es weniger als ein Dutzend. Das Alter diktiert der resoluten Frau Zurückhaltung – zusätzlich erfordern das Haus, der Garten und ihr kranker Mann Friedrich (86) ihre Aufmerksamkeit. Da bleibt weniger Zeit für die Hühner. Auch ihre Freundin Inge Groß (85) vom Reckberg im Neusser Süden hat ihren Tier-Bestand deutlich reduziert. Die „Vielfalt unterschiedlicher Rassen“ hat sie immer fasziniert. Sie hatte sich auf japanische Seidenhühner und Zwerg-Strupphühner spezialisiert.

 Die Haltung der Tiere in dicht bebauten Gebieten wird immer schwieriger.

Die Haltung der Tiere in dicht bebauten Gebieten wird immer schwieriger.

Foto: Ludger Baten

Im 1878 gegründeten Verein Fauna Neuss sammelten sich die Züchter von Rassegeflügel und Ziervögeln, eine der ältesten Gemeinschaften im gesamten Landesverband. Jetzt steht der Verein mit Tradition vor dem Aus. Die zehn verbliebenen Mitglieder um den Vorsitzenden Jörg Schroter haben die Auflösung beschlossen. „Schweren Herzens“, sagen Annemie Lauterbach und Inge Groß, „aber junge Leute finden nicht mehr zu uns.“ Und das steht ganz im Widerspruch zu dem Trend, dass private Hühnerhaltung einen Boom erfährt. Eier von frei laufenden Hühnern im eigenen Garten gelegt, frisch auf den Frühstückstisch. Mehr „bio“ geht nicht.

 Die Schrift zum 25-Jahr-Jubiläum aus dem Jahr 1903 ist noch gut erhalten.

Die Schrift zum 25-Jahr-Jubiläum aus dem Jahr 1903 ist noch gut erhalten.

Foto: Ludger Baten

Doch die Haltung der Tiere in dicht bebauten Siedlungen wird immer schwieriger: teurer Baugrund, kleine Parzellen, Nachbarn, die sich über das Krähen des Hahns beschweren, Marder oder Füchse, die Hühner reißen, bei Halter-Abwesenheit müssen die Tiere von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn versorgt werden. „Es wird alles komplizierter“, sagt Annemie Lauterbach. In Glanzzeiten wurden bei Landesausstellungen mehr als 10.000 Tiere gezeigt. Bei der jüngsten Veranstaltung auf dem Birkhof (Lüttenglehn) waren es noch etwas mehr als 1000.

Inge Groß hatte einst einen Bestand von mehr als 80 Tieren. Sie hat gekauft, verkauft. „Ich habe finanziell immer zugelegt“, sagt sie, „ich habe immer für zehn Euro verkauft, aber nicht selten 50, 60 Euro für ein neues Tier bezahlt.“ Aber eins habe sie nie: Ein Tier geschlachtet. Das sieht Annemie Lauterbach anders. Ihre Hühner tragen keinen Namen, sie hält emotionalen Abstand, weil auch schon mal ein Huhn im Suppentopf landet – aber nur für den Eigenverzehr. „Da weiß ich, was ich habe“, sagt Annemie Lauterbach, „gesunde Tiere ohne Antibiotika-Gaben.“ Ihre Hühner hätten es verdient, „nicht einfach weggeworfen zu werden“.

Mit der Vereinsauflösung endet eine stolze Geschichte, die vom praktizierten Tierschutz, Erhaltung der Artenvielfalt und von der Versorgung der kleinen Leute in Kriegs- und Notzeiten, aber auch von Eiern und Braten ohne chemische Zusätze erzählt. Wie angesehen Fauna Neuss einst war, zeigt die Ernennung des damaligen Landrates im Kreis Neuss-Grevenbroich, Freiherr von Schorlemer-Gliesen, zum Ehrenvorsitzenden. Das war 1890. Aus. Vorbei. Was bleibt sind Erinnerung, Unterlagen fürs Stadtarchiv und der Hahn, der seine Hennen in Lauterbachs Garten zum Klatschmohn-Essen ausführt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort