Karin Hilgers zur Städtepartnerschaft Blick auf Menschen fernab der Klischees

Wassenberg · Gerade persönliche Begegnungen sind der beste Schutz gegen vorschnelle Urteile, weiß Karin Hilgers vom Partnerschaftskomitee.

 Karin Hilgers vor dem Schild am Pontorsonplatz, das zum 40-jährigen Bestehen der Partnerschaft errichtet wurde.

Karin Hilgers vor dem Schild am Pontorsonplatz, das zum 40-jährigen Bestehen der Partnerschaft errichtet wurde.

Foto: Angelika Hahn

Warum sie sich für die Städtepartnerschaft engagiere? Karin Hilgers, die 2019 zur neuen Vorsitzenden des Wassenberger Partnerschaftskomitees gewählt wurde, muss nicht lange überlegen: „Ich wohne in der Stadt Wassenberg, die sich ,Europaaktive Kommune’ nennen darf, arbeite an einer Europaschule und glaube, dass die Gesellschaft vom Ehrenamt lebendig gehalten wird.“

Nicht erst seit ihrer Wahl als Nachfolgerin des verdienten Sepp Becker im März ist Hilgers aktiv im Partnerschaftskomitee, das die nun bald 52 Jahre andauernden engen Verbindungen zur französischen Partnerstadt Pontorson in der Normandie organisiert und seit nun zehn Jahren auch die über die Freunde in Pontorson entstandene Partnerschaft zu Highworth im Südwesten der britischen Insel. Ende der 90er Jahre wurde Hilgers Mitglied, übernahm später das Amt der Kassiererin, dann das der stellvertretenden Vorsitzenden und schließlich der Vorsitzenden.

Für Hilgers ist die persönliche Beziehung zu Menschen aus anderen Ländern durch kein klassisches Touristenprogramm zu ersetzen. „Den Alltag von Familien im Ausland kennenzulernen, die Sitten, Eigenarten, die Mentalität der Menschen hautnah zu erleben, ist wichtig und schützt vor Vorurteilen.“ Das habe sie selbst immer wieder erfahren. Ein Schlüsselerlebnis bleibt Hilgers aus ihrer Zeit als Fremdsprachenassistentin an zwei Londoner Schulen nach ihrem Englisch-Studium an der früheren PH Aachen in Erinnerung. Sie wohnte, gemeinsam mit einer Spanierin, damals bei einem englischen Ehepaar. Der Mann hatte im Krieg mit der Royal Air Force gegen Deutschland gekämpft und ein anonymes Land als Feind erlebt. „,So etwas darf nie mehr passieren’, sagte er. Deshalb suchte er nun den Kontakt zu Menschen aus anderen Ländern, nahm aus Prinzip stets Gaststudenten auf, vor allem auch aus dem ehemaligen ,Feindesland’ Deutschland. Das hat mich beeindruckt.“

Deshalb ist es ihr heute so wichtig, dass möglichst viele Schüler(innen) an den Austauschprogrammen der Betty-Reis-Gesamtschule teilnehmen und die Chance haben, das Alltagsleben von Familien im Ausland kennenzulernen. Auch die vielfältigen Begegnungen der Erwachsenen im Rahmen der Städtepartnerschaften, die seit langem keine „Honoratioren-Besuche“ mehr sind, ermöglichen, so Hilgers, den Blick hinter die Fassade von Länderklischees auf den Alltag der Menschen durch engen Familienanschluss. So seien viele Dauerfreundschaften entstanden.

Sie selbst pflegt seit 15 Jahren engen Kontakt zur Kassiererin des Partnerkomitees in Pontorson, die übrigens kein Deutsch sprechen kann. „Wir kommunizieren Französisch, trotz meines anfangs noch sehr lückenhaften Schulfranzösisch. Aber ich habe schnell die Scheu verloren. Heute ist mein Französisch besser als zu Schulzeiten“, sagt Hilgers lachend. Bei Besuchen in Highworth ist ein pensioniertes Lehrerehepaar seit Jahren „Anlaufstelle“ der Wassenberger Schulleiterin.

Als Gesamtschulleiterin begrüßt Hilgers es, dass mittlerweile in Deutschland Schüler, unabhängig von Einkommen und Status der Eltern, an den vielfältigen geförderten Austauschprogrammen teilnehmen können. So unterhält die Betty-Reis-Europaschule auch Kontakte zu Schulen etwa in Italien und Polen. Und die Jugendlichen erleben so nebenbei auch soziale Unterschiede und den Alltag unter bescheideneren Lebensverhältnissen als in Deutschland, aber auch immer wieder viel Herzlichkeit, die die Jugendlichen begeistert.

Der Brexit ist natürlich ein Thema für die Englischlehrerin und England-Kennerin Hilgers und wird übrigens auch bei den Partnerschaftstreffen in den Workshops heiß diskutiert. „Ich hatte nie mit einer solchen Entscheidung gerechnet und war betroffen“, bekennt die 59-Jährige. Um dann aber zu versichern, dass die Partner ihre Beziehung weiter pflegen werden. „Die meisten, die sich in der Partnerschaft engagieren, haben einen positiven Blick auf Europa, gehörten sicher nicht zu den Brexit-Befürwortern. Aber natürlich bleibt abzuwarten, wie sich die Reisebedingungen ändern werden.“

Für Karin Hilgers bieten Partnerschaften die Chance, Europa auch in den aktuell schwierigen Zeiten als Wertegemeinschaft für den Frieden weiter zusammenzuhalten. Um solche Themen wird es auch während der nächsten Europatage der Partnerstädte gehen, die im Mai in Wassenberg veranstaltet werden. Hilgers vertritt die Meinung: „Die Begegnungen bieten eine gute Versicherung, Dinge differenzierter und komplizierter zu sehen als die Populisten mit ihren einfachen Antworten uns glauben machen wollen.“

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