Kreis Viersen Corona-Krisenstab-Chefin abberufen

Kreis Viersen · Landrat Andreas Coenen stellte am Mittwoch die Dezernentin für Soziales, Gesundheit und Arbeit von allen Aufgaben frei. Ordnungsdezernent Thomas Heil übernimmt bis auf Weiteres den Posten. Was steckt dahinter?

 Ein Bild aus besseren Tagen: Vor vier Jahren stellte Landrat Andreas Coenen Katarina Esser als neue Dezernentin vor. Am Mittwoch stellte er sie von allen Aufgaben frei.

Ein Bild aus besseren Tagen: Vor vier Jahren stellte Landrat Andreas Coenen Katarina Esser als neue Dezernentin vor. Am Mittwoch stellte er sie von allen Aufgaben frei.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Landrat Andreas Coenen (CDU) hat die Leiterin des Corona-Krisenstabs von allen Aufgaben entbunden. Katarina Esser sei „mit sofortiger Wirkung von allen Aufgaben freigestellt“, teilte der Kreis am Mittwochnachmittag in einer Pressemitteilung mit – auch von ihren Aufgaben als Dezernentin für Soziales, Gesundheit und Arbeit. Eine Begründung gab der Kreis auch auf Nachfrage nicht an.

Die Leitung des Krisenstabs und des Gesundheitsamtes übernimmt bis auf Weiteres Thomas Heil, Kämmerer und Dezernent für Ordnung und Verbraucherschutz.

Damit wechselt der Landrat die Leitung des Krisenstabs in einer Phase aus, in der die Corona-Krise im Kreis Viersen stark an Dynamik gewinnt: Am Mittwoch war der fünfte Corona-Todesfall zu beklagen. Eine 87-Jährige Covid-19-Patientin aus Schwalmtal starb in einer neurologischen Rehaklinik. Und: Mittlerweile grassiert das neuartige Coronavirus in vier Seniorenheimen im Kreis Viersen. In den hoch sensiblen Einrichtungen infizierten sich bereits 56 Bewohner und ein Dutzend Mitarbeiter.

Zugleich ist medizinische Schutzausrüstung im Kreis Viersen mittlerweile so knapp, dass sich die Kreisverwaltung am Mittwoch veranlasst sah, die heimische Wirtschaft um Unterstützung zu bitten. „Firmen, die Schutzausrüstung vorrätig haben, selbst produzieren oder ihre Produktion dahingehend umstellen können, sind aufgerufen, sich beim Kreis Viersen zu melden“, erklärte eine Kreissprecherin. „Benötigt werden Desinfektionsmittel, Schutzmasken und -brillen, Schutzbekleidung und -kittel sowie Handschuhe.“ Unter Telefon 02162 392401 können sich Firmen werktags von 9 bis 16 Uhr melden.

Erschwerend kommt hinzu: Das Kreisgesundheitsamt steht seit Januar ohne Führung da; der Stellvertreter ist seit März in Pension. Zahlreiche weitere Stellen in der Behörde sind nicht besetzt, so dass der Landrat NRW-Gesundheitsminister Laumann um Entsendung von medizinischem Personal bat.

Warum Esser, die vom Kreistag im März 2016 einstimmig zur Dezernentin gewählt wurde, den Krisenstab abgeben musste, dafür dürfte es zwei Hauptgründe geben. So gab es mehrfach Zuständigkeitsgerangel des Krisenstabs mit den kreisangehörigen Kommunen.  Als das mobile Corona-Diagnosezentrum beispielsweise nach Kempen kam, hatte die Stadt Hinweisschilder aufgestellt. Die musste sie auf Weisung des Kreises wieder entfernen, weil die Schilder nicht das Logo des Kreises Viersen trugen. Der Eindruck in den Kommunen: Da setzt jemand die falschen Prioritäten.

Auch Teile der Ärzteschaft empörten sich über den Kreis, weil der ein Grundstück fürs Diagnosezentrum in Kempen vorschlug, das sich als ungeeignet erwies. Per Pressemitteilung schob der Krisenstab den schwarzen Peter an die Stadt weiter.

Der andere Hauptgrund: Auch in der Kommunikation von Nachrichten aus dem Krisenstab heraus hakte es mehrfach. Als es den ersten Todesfall gab, informierte der Krisenstab zwar die Kommunen, nicht aber die eigene Pressestelle.

Kritik an der Freistellung der Sozialdemokratin Esser äußerte Britta Pietsch, Sprecherin der Viersener Linken: „Das ist ein Bauernopfer“, sagte sie. „Das macht der Landrat nur, um von der eigenen Unfähigkeit abzulenken.“ Die Corona-Krise zu managen, sei Chefsache, so Pietsch. „Der Landrat muss jetzt selbst den Krisenstab leiten.“

Für Verwunderung sorgt im politischen Raum Coenens Entscheidung, Katarina Esser von allen Aufgaben freizustellen – üblicherweise bei vollen Bezügen – und nicht nur die Leitung des Krisenstabs in andere Hände zu geben. Zumal die Dezernentin bereits vor geraumer Zeit angekündigt hatte, 2021 aufzuhören.

In einer früheren Version des Textes war auf die Besonderheit von Freistellungen im Beamtenrecht eingegangen worden. Die Kreis-Sozialdezernentin ist allerdings Tarifbeschäftigte und keine Wahlbeamtin. Wir haben diese Passage deshalb entfernt.

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