Speed-Dating mit regionalen Betrieben In acht Minuten zum Traumberuf

Alpen · Die Alpener Sekundarschule hat Schüler der neunten Klassen und regionale Unternehmen zusammengebracht, damit diese sich bei einem „Speed-Dating“ kennenlernen. Auffallend: Oftmals waren die Betriebe die Bewerber.

  Eva-Maria Neuhaus, selbst im dritten Lehrjahr, stellte drei Schülerinnen die Vorteile einer Ausbildung im Blumen Studio Quernhorst aus Ginderich vor.

Eva-Maria Neuhaus, selbst im dritten Lehrjahr, stellte drei Schülerinnen die Vorteile einer Ausbildung im Blumen Studio Quernhorst aus Ginderich vor.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

Im Rahmen der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ arbeiten Schulen daran, Schüler auf den Übergang von der Schule zum Beruf vorzubereiten. In der Alpener Sekundarschule hat man sich dazu etwas Besonderes ausgedacht: Im Rahmen eines „Speed-Datings“ hatten Schüler und Betriebe gestern die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen.

Jeweils acht Minuten saßen rund 70 Schüler der neunten Klassen Vertretern von regionalen ausbildenden Betrieben aus dem Pflegebereich, der Metallverarbeitung oder etwa dem Garten- und Landschaftsbau gegenüber, dann wurde gewechselt. Was dabei auffiel: Die eigentlichen Bewerber sind oftmals die Betriebe. „Normalerweise erwarten wir nach den Sommerferien die Bewerbungen für das Ausbildungsjahr 2020. Die Wahrheit ist aber: Von den 15 Ausbildungsplätzen für 2019 sind erst sieben besetzt. Es dürfen sich also gerne Bewerber melden“, erklärt Christine Heinrichsmeyer von der Sparkasse am Niederrhein.

Lag der Beruf Bankkauffrau/-mann vor einigen Jahren noch auf den vorderen drei Plätzen der Beliebtheitsskala, rangiert man heute im unteren Mittelfeld. Zu Unrecht, findet Heinrichsmeyer: „Zum einen bieten wir ein riesiges Portfolio an Weiterbildungsmöglichkeiten, zum anderen einen spannenden Arbeitsalltag.“ Den Kennenlern-Termin hat die Bankangestellte gezielt wahrgenommen: „Wir nehmen gerne Sekundarschüler, weil dort sehr praktisch ausgebildet wird.“

Gute Argumente im Wettbewerb um Auszubildende hat auch Thomas Luft, der in Alpen und Borth einen Edeka-Markt betreibt: „Wir haben ein tolles Team, bieten abwechslungsreiche Tätigkeiten und sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten bis hin zum eigenen Laden.“ Ein gewichtiges Argument ist sicherlich auch die Vergütung. Azubis zur/m Kauffrau/mann erhalten im ersten Lehrjahr bereits mehr als 800 Euro monatlich. Was das betrifft, hat Thomas Kretzer von der Alpener Burg- und Adler-Apotheke schlechte Karten. Denn für den Besuch der zweijährigen Fachschule müssen angehende Pharmazeutisch-technische Assistenten/innen 210 Euro monatlich bezahlen. Auch wenn Fördermittel aus dem Gesundheitsministerium diesen Betrag auf knapp über 60 Euro im Monat schrumpfen lassen, hält das den Anreiz, diesen Beruf zu ergreifen, in Grenzen. „Gerade Apotheker leiden sehr unter dem Mangel an Auszubildenden. Deshalb übernehmen wir die Kosten für die Schule“, so Kretzer. Äußerst flexible Arbeitszeiten, gute Arbeitsbedingungen und die Aussicht, immer einen Job zu bekommen nennt er als weitere Argumente.

Wie gut sich die Schüler auf das Speed-Dating vorbereitet hatten, erfuhr auch Garten- und Landschaftsbauer Frank Giesen. „Welche Stärken muss ich mitbringen, um eine Ausbildung bei Ihnen erfolgreich abzuschließen“, wollte Schüler Noah Just wissen. „Man sollte eine hohe Wettertoleranz besitzen, wir arbeiten bei Regen, Wind und Frost draußen. Außerdem wäre es gut, eine Eiche von einem Ahorn oder einer Linde unterscheiden zu können“, beschrieb Giesen die Grundvoraussetzungen. Wie die meisten anderen Betriebe, hofft auch der Gartenexperte, seine offenen Ausbildungsplätze besetzen zu können.

Initiator Dirk Podschwadt wirkt angesichts der komfortablen Situation, in der sich Schulabgänger heute befinden, fast schon entspannt. „In der Wirtschaft renne ich offene Türen ein. Wir haben inzwischen Schüler, die ohne einen Schulabschluss einen Ausbildungsplatz bekommen“, sagt der Koordinator für Schule und Wirtschaft.

Das sorgt für eine neue Selbstsicherheit bei den Schülern. Rund ein Drittel von ihnen haben bereits nach dem ersten Praktikum ganz konkrete Vorstellungen von ihrem künftigen Berufsweg. Podschwadt sagt: „Sie machen dann in demselben Betrieb ein zweites Praktikum und bekommen eine Ausbildungsstelle versprochen. Eine Bewerbung schreiben brauchen sie eigentlich nicht mehr.“

(erko)
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