Rhein-Kreis Neuss Mehr Schlaganfälle im Kreis – Experten rätseln

Rhein-Kreis Neuss · Gegen den Landestrend sterben nach Schlaganfällen mehr Menschen. Neusser Ärzte können sich das Phänomen nicht

 Eine von landesweit 52 auf Schlaganfall spezialisierte Stationen – Foto zeigt nicht Neuss – unterhält auch das Johanna-Etienne-Krankenhaus.

Eine von landesweit 52 auf Schlaganfall spezialisierte Stationen – Foto zeigt nicht Neuss – unterhält auch das Johanna-Etienne-Krankenhaus.

Foto: Archiv/Saltmann

Im Vorjahr starben kreisweit mehr Menschen an den Folgen eines Schlaganfalls als noch ein Jahr zuvor. Das geht aus Zahlen hervor, die das Statistische Landesamt jetzt veröffentlicht hat. Demnach wurden in 2011 im Rhein-Kreis 287 Todesfälle nach Schlaganfällen registriert, 34 mehr als zwölf Monate zuvor, 60 mehr als noch zur Jahrtausendwende. Damit entwickeln sich die Kreis-Zahlen offenbar gegen den Landestrend, denn in Nordrhein-Westfalen sinken die Zahlen seit 2000 kontinuierlich.

Die aktuellen Zahlen lösen Ratlosigkeit aus; sie sind vielen Verantwortlichen hierzulande bisher nicht bewusst. Alarm schlägt niemand. "Ich bin verwundert", sagt der Neusser Arzt Dr. Gerhard K. Steiner von der Kassenärztlichen Vereinigung: "Wo kommen die Zahlen her?" Bisher sei er der Überzeugung gewesen, dass Schlaganfall-Patienten dank des Kompetenzzentrums im Johann-Etienne-Krankenhaus auf der Neusserfurth sehr gut versorgt seinen. Steiner kündigte an, "die Zahlen auf ihre Belastbarkeit zu prüfen". Sollte es sich erkennbar um eine negative Tendenz handeln, werde er das Thema in der nächsten Sitzung der Gesundheitskonferenz des Rhein-Kreises ansprechen: "Wenn da etwas in die falsche Richtung laufen sollte, müssen wir handeln."

Die jüngsten Zahlen überraschen auch Dr. Stephan Mohr. Der Chefarzt der Klinik für Neurologie leitet auch das Kompetenzzentrum Schlaganfall am Johanna-Etienne-Krankenhaus. Ob es sich bei den steigen Zahlen der Todesfälle nach Schlaganfällen um einen Trend oder um eine Zufallsschwankung handele, könne vermutlich erst beurteilt werden, so Mohr, wenn die Zahlen für das noch laufende Jahr vorliegen.

Stephan Mohr leitet am "Johanna-Etienne" eine von landesweit aktuell 53 so genannten "stroke units". Hinter diesem Namen verbergen sich spezialisierte Schlaganfallstationen, die nach den Standards der Deutschen Schlafanfall-Gesellschaft zertifiziert wurden. Nach einer Aufbauphase ab 2006 startete das Schlaganfall-Zentrum am "Etienne" in 2007 mit sechs Betten. Heute sind es bereits 12 Betten — die müssen allerdings für 450 000 Einwohner im Rhein-Kreis reichen. Das Verhältnis Betten zu Einwohner bezeichnet Mohr als "knapp". Es habe auch in der jüngeren Vergangenheit Zeiten gegeben, da sei die Aufnahmekapazität erschöpft gewesen.

Die neuen Statistik-Zahlen bestätigen nach Auffassung von Dieter Welsink die Ergebnisse des aktuellen Strukturgutachtens zur Gesundheitsversorgung im Rhein-Kreis: Es empfiehlt den Ausbau entsprechender Versorgungsstrukturen zur Diagnostik, Therapie und Rehabilitation in der Geriatrie und Neurologie. Für Welsink, den Vorsitzenden der CDU-Kreistagsfraktion, ist angesichts der demografischen Entwicklung klar: "Mit steigender Lebenserwartung steigt natürlich auch die Anforderung an unsere ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen, die mit dieser Entwicklung Schritt halten müssen."

(NGZ/url)
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