Premiere im Theater am Schlachthof in Neuss Borchert-Stück zieht Zuschauer in seinen Bann

Neuss · Zum 100. Geburtstag von Wolfgang Borchert zeigt das Theater am Schlachthof dessen legendäres Antikriegs-Drama „Draußen vor der Tür“. Das Publikum war beeindruckt.

 Drei Schauspieler spielen viele Rollen in dem Stück „Draußen vor der Tür“, das jetzt Premiere im Theater am Schlachthof hatte.

Drei Schauspieler spielen viele Rollen in dem Stück „Draußen vor der Tür“, das jetzt Premiere im Theater am Schlachthof hatte.

Foto: Christoph Krey

In wenigen Tagen jährt sich allerdings auch der Todestag des Autors, der nur 26 Jahre alt wurde. Borchert wuchs in den Nachwehen des Ersten Weltkriegs auf und starb an den Folgen der zweiten Jahrhundertkatastrophe.

Im Untertitel des Dramas heißt es: „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will.“ Das stimmte schon 1947 nicht, als in Hamburg die Uraufführung stattfand. Borcherts Geschichte von dem Kriegsheimkehrer Beckmann wurde für Jahrzehnte zur klassischen Schullektüre. In der pointiert eingestrichenen Fassung des Theaterleiters Markus Andrae, der auch Regie führte, entfaltet es immer noch seine Wirkung auf die Zuschauer. Drei Fragen stehen im Mittelpunkt der Handlung: Wie kommt es, dass individuelles Sterben als großes Leid, in Millionenzahlen aber ohne größere Betroffenheit wahrgenommen wird? Wer trägt die Verantwortung für eine gesellschaftliche Schuld? Und: Wo steckt Gott, wenn man ihn wirklich braucht? Drei Darsteller teilen sich die vielen Rollen des Abends. Lars Evers ist der Kriegsheimkehrer Beckmann. Nach einem Suizidversuch von der Elbe wieder ausgespuckt, begegnet er den Nachkriegsmenschen zunächst ängstlich, voller Misstrauen. In dem Maße wie er deren rücksichtslose Lebensgier durchschaut, wird er zum Nihilisten.

Johanna Wagner erbringt allein durch ihre schnell aufeinander folgenden Rollenwechsel die vielleicht größte Leistung des Siebzig-Minuten-Abends auf die Schlachthofbühne. Sie ist der Tod, ein liebeshungriges Mädchen, die Frau eines Obersten und schließlich der Andere, eine von Borchert hineingeschriebene Persönlichkeits-Leerstelle. Auch Tim Fleischer kommt für kurze Momente als der Andere ins Rampenlicht. Sein Können zeigt er aber in der Rolle des Obersten und des Direktors eines Kabarett-Theaters. Den ehemals fanatischen Soldatenschinder überzieht er mit einer schäbigen Maske von Gemütlichkeit. Nach dem Motto: Was gestern war, Schwamm drüber und darauf einen Kognak. Und als Kabarettist meint er: „Humor ist, wenn es nicht wehtut.“ Eine Theaterempfehlung.

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