Analyse: Das neue Großklinikum im Rhein-Kreis Neuss Drei Gründe für die Krankenhaus-Fusion

Im Rhein-Kreis Neuss entsteht deutschlandweit das zehntgrößte kommunale Klinikum. Das ist so beschlossen. Doch was haben Patienten davon? Bessere Zahlen machen Kranke nicht gesund. Argumente, warum neue Strukturen noch bessere Medizin vor Ort versprechen.

Drei gute Gründe, die für die Krankenhaus-Fusion im Kreis Neuss sprechen
Foto: dpa/Fabian Sommer

Das schönste Ostergeschenk haben sich die Politiker in Kreistag und Stadtrat Neuss selbst gemacht. Angeführt von Landrat Hans-Jürgen Petrauschke (CDU) und Bürgermeister Reiner Breuer (SPD) ist die Krankenhaus-Fusion beschlossene Sache. Wenn die Aufsichtsbehörden zustimmen, erwächst aus den Rhein-Kreis Kliniken (RKK) an den Standorten Dormagen und Grevenbroich sowie dem Lukaskrankenhaus und der Dependance „Rheintor“ in Neuss das zehntgrößte kommunale Krankenhaus Deutschlands, der Marktführer im Städteviereck Krefeld, Düsseldorf, Köln und Mönchengladbach. Auf diesen Erfolg dürfen sich alle Beteiligten an den Feiertagen einen Eierlikör genehmigen. Gut gemacht!

Doch mit den Beschlüssen zur Fusion ist die Arbeit nicht getan. Im Gegenteil. Sie fängt jetzt erst an. Es geht darum, die mit der Fusion verbundenen Vorteile herauszuarbeiten und – vor allem – für die bestmögliche medizinische Versorgung der Menschen im Rhein-Kreis zu sorgen. Welchen Nutzen bringt die Fusion? Was haben die Patienten davon? Drei gute Gründe.

 Wird mit Patricia Mebes das Chef-Duo bilden: Nicolas Krämer („Lukas“).

Wird mit Patricia Mebes das Chef-Duo bilden: Nicolas Krämer („Lukas“).

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Erstens Synergien heben. Das wird vor allem in Verwaltung und Technik angesagt sein. Auf Dauer werden, sagen zumindest Experten, hundert Stellen wegfallen. Betriebliche Kündigungen soll es nicht geben, also wird die natürliche Fluktuation genutzt. Im Klartext: Frei werdende Stellen werden nicht neu besetzt. Das Einsparpotenzial bei Personal, Einkauf, Apotheke, IT, Haustechnik etc. beziffern die Gutachter mit fünf Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren.

 Wird mit Nicolas Krämer das Chef-Duo bilden: Patricia Mebes (RKK).

Wird mit Nicolas Krämer das Chef-Duo bilden: Patricia Mebes (RKK).

Foto: Thomas Wiedenhöfer, Rhein-Kreis Neuss Kliniken

Zweitens Medizinische Schwerpunkte bilden. Krankenhäuser haben generell nur dann Zukunft, wenn sie neben der Grundversorgung auch Spezialitäten bieten, also Zentren bilden. In diesem Kontext könnten die Standorte Dormagen und Grevenbroich profitieren. Prothetik und Gefäßchirurgie (Dormagen) oder Altersmedizin und Mammachirurgie (Grevenbroich) sind die Stichworte – Spezialisierungen also, über die das Neusser „Lukas“ reichlich verfügt. Von der Kinder- und HNO-Klinik über Schildchilddrüsen-OP’s bis hin zur Hand-, Bauchspeicheldrüsen- und neuerdings auch Thoraxchirurgie.

Aber ein Großklinikum, das nun im Rhein-Kreis entsteht, kann bei Entscheidern in der Landespolitik und bei Kostenträgern mit seiner Marktmacht leichter neue Angebote durchsetzen als kleine „Einzelkämpfer“. Augenklinik und Herzchirurgie fehlen im Kreis. Wie sinnvoll Herzchirurgie wäre, zeigt ein Beispiel: Der angesehene Kardiologe Michael Haude musste am „Lukas“ seine Tavi-Operationen (minimal-invasive Herzklappen-Eingriffe) einstellen, weil sie von den Kassen nur noch dort bezahlt werden, wo eine Herzchirurgie existiert. Das „Lukas“ musste sich zu „Tavi-Zeiten“ Herzchirurgen ausleihen.

Drittens Potenziale ausschöpfen. Ein spezialisiertes und im Angebot verbreitertes Klinikum wird mehr Patienten aus dem Kreis binden und zugleich mehr auswärtige Patienten anlocken. Experten schätzen das Potenzial auf ein Drittel der heutigen Patientenzahl. Gelingt das wirklich, werden mittelfristig zwischen 60.000 und 70.000 Patienten mehr in Dormagen, Grevenbroich und Neuss behandelt.

Allein diese drei Gründe werden zu einer besseren medizinischen Versorgung kreisweit beitragen, nicht zuletzt auch, weil sich ein Großklinikum betriebswirtschaftlich besser führen lässt. Medizin, Wirtschaftlichkeit und Patientenvertrauen stehen in einer Wechselwirkung. So bildet die Fusion die Basis für den Erfolg, für den aber weiter hart gearbeitet werden muss.

Erforderlich ist ein kompetenter, mutiger Aufsichtsrat mit einem starken Vorsitzenden, der Ziele hat, die Verantwortlichen treibt und die Belegschaft motiviert. Erforderlich ist eine starke Geschäftsführung, die bereit ist, die (innere) Fusion zu gestalten und das Vertrauen des Aufsichtsrates genießt. Die scheint – im Gegensatz zum Aufsichtsratsvorsitzenden – gefunden. Allen Spekulationen zum Trotz: Die bisherigen Geschäftsführer Nicolas Krämer („Lukas“) und Patricia Mebes (RKK) werden wohl auch das neue, gleichberechtigte Chef-Duo bilden. Das ist eine Chance, denn ein dritter Geschäftsführer bleibt möglich. „Der ist im freundlichen Sinn eine Option“, sagt ein Insider, „wer will, der kann diese Option auch als Drohung verstehen.“ Nichts überzeugt letztlich mehr als Erfolg.

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