Patienten in Sorgen wegen Thrombose-Gefahr Ansturm von Geimpften auf Radiologie in Neuss

Neuss · Vor allem Frauen sind besorgt über Nachrichten, dass der Impfstoff Astrazeneca Thrombosen fördern kann. Viele lassen das Thrombose-Risiko von einem Radiologen untersuchen, positive Befunde blieben bislang aus.

 In einer Woche registrierte Professor Hinrich Wieder mehr Abklärungsuntersuchungen auf Thrombose-Verdacht als sonst in einem Jahr.

In einer Woche registrierte Professor Hinrich Wieder mehr Abklärungsuntersuchungen auf Thrombose-Verdacht als sonst in einem Jahr.

Foto: Melanie Zanin (MZ)

Am Tag, an dem die ersten Meldungen zu einer möglichen Häufung von sogenannten Sinusthrombosen nach einer Coronaimpfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca in der Presse waren, ging es los: „Wir hatten direkt vier, fünf Anrufe von hausärztlich niedergelassenen Kollegen, die dringend Patienten vorstellen wollten“, erinnert sich Professor Hinrich Wieder, Facharzt für Radiologie und Nuklearmedizin. Bislang aber fiel der Befund der Untersuchungen am Zentrum für Radiologie und Nuklearmedizin in Nachbarschaft des Rheinland-Klinikums Neuss immer negativ aus.

Sinusthrombosen, bei denen sich Blutgerinnsel in jenen Gefäßen des Gehirns bilden, die Blut vom Gehirn zum Herzen zurückleiten, sind deutlich seltener als die bekannten Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien, waren aber nach Impfungen mit dem Wirkstoff des britisch-schwedischen Herstellers vermehrt aufgetreten – meist in Verbindung mit einer abgesenkten Anzahl von Blutplättchen (Thrombozytopenie). Dieses Vorkommen wurde inzwischen als „sehr seltene Nebenwirkung“ in die Fach- und Gebrauchsinformation, also die sogenannte Packungsbeilage, des Impfstoffs aufgenommen. Bis zum 21. April wurden dem Paul-Ehrlich-Institut, das für die Überwachung der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen in Deutschland verantwortlich ist, 63 Fälle von Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff gemeldet, darunter 49 Frauen und 14 Männer. Zwölf Fälle, alle ohne die genannte Thrombozytopenie, traten nach der Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech auf. Dagegen stehen mehrere Millionen Menschen, die ohne schwerwiegende Nebenwirkungen geimpft wurden.

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA und das Paul-Ehrlich Institut (PEI) gehen davon aus, dass diese Nebenwirkung bei einem von 100.000 Geimpften auftreten kann, das sind 0,001 Prozent der Impfungen. Das PEI weist darauf hin, dass „COVID-19 mit einem Risiko für schwere Verläufe mit Krankenhausaufenthalten und Tod verbunden ist“. Oder,  einfach ausgedrückt: Jede Impfung ist besser, als Corona.

Heftige Kopfschmerzen, die über das bekannte Maß hinausgehen, aber auch Krampfanfälle oder Lähmungen könnten auf eine solche Thrombose hinweisen. „Bei uns waren es überwiegend junge Frauen, die von den Hausärzten zur Abklärung geschickt wurden,“ erinnert sich Wieder und ergänzt „wir hatten in einer Woche ungefähr die Anzahl, die wir sonst in einem Jahr zum Ausschluss dieser eher seltenen Erkrankung haben“. Er vermutet, dass die Patienten durch die Presseberichte verunsichert waren und ihren Körper daher besonders beobachtet hätten.

Diagnostisch kann man den Verschluss der Hirngefäße durch eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Kopfes oder auch per Computertomographie (CT) sichern. An den Standorten des Zentrums für Radiologie und Nuklearmedizin Rheinland (ZRN), bei dem Professor Wieder Gesellschafter ist, in Neuss, Dormagen und Grevenbroich hat sich zum Glück keine der Verdachtsdiagnosen bestätigt.

Der Wirkstoff von Astrazeneca wurde zu Beginn der Impfkampagne im Rhein-Kreis im Februar  vor allem an Angehörige der priorisierten Berufsgruppen verimpft. Termine für die Neusser Bürger, die in diesen Tagen ihren zweiten Astra-Termin gehabt hätten, sind vom Impfzentrum um drei Wochen verschoben worden. Die über 60-jährigen bekommen dann Astrazeneca, die unter 60-jährigen nur dann, wenn sie es ausdrücklich wünschen. Andernfalls erfolgt die zweite Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Am Termin ändert sich aber nichts.

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