Aufführung in Moers Schlosstheater zeigt Stück über die Loveparade

Mit „Parade 24/7“ bringt das Schlosstheater ein Rechercheprojekt über die Loveparade-Katastrophe auf die Schlossbühne. Es ist der Versuch einer Auseinandersetzung mit dem Unglück mit Mitteln des Theaters.

 Kerzen brennen an der Unglücksstelle der Loveparade 2010.

Kerzen brennen an der Unglücksstelle der Loveparade 2010.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Diese Wunde ist nicht verheilt, vielleicht wird sie es nie sein: Die Loveparade-Katastrophe ist für Betroffene und Angehörige mit Leid, Schmerz und Trauer verbunden. Ulrich Greb, Intendant am Schlosstheater in Moers, wagt mit seinem Ensemble dennoch den Versuch einer Auseinandersetzung mit der Katastrophe und ihren Folgen. „Parade 24/7“ heißt sein groß angelegtes Rechercheprojekt, das am Mittwoch, 19. Februar, im Moerser Schloss uraufgeführt wird. Es ist der Versuch, sich diesem Ereignis auf Basis von Interviews, Zeugenaussagen, Protokollen und Medienberichten mit Mitteln des Theaters anzunähern.

„Es geht nicht darum, die Ereignisse vom 24. Juli 2010 nachzuzeichnen, oder die jungen Menschen, die dort getanzt haben, identifizierbar zu machen“, sagt der Intendant des Moerser Schlosstheaters. Er stelle in der Inszenierung Systemfragen: Wie konnte das passieren? Was sagt die Katastrophe über die Gesellschaft aus? Wie geht man mit Schuld um? Dabei beabsichtigt Ulrich Greb nicht, die Schuldfrage zu beantworten, das überlässt er jedem einzelnen Zuschauer. Die juristische Aufarbeitung der Katastrophe ist bislang nicht abgeschlossen.

Dass die Fragen nach Schuld und Verantwortung bis zur „absehbaren“ möglichen Verjährung des Verfahrens am 28. Juli 2020 vermutlich unbeantwortet bleiben, mache ihn aber fassungslos und sei auch Anlass für das Theaterstück gewesen. Überforderung und Überschätzung seien für ihn in diesem Fall die übergeordneten Themen, sagt der Intendant. Die Recherche für die Inszenierung startete im Mai 2019, die Vorgehensweise war dokumentarisch. Ulrich Greb und sein Team sprachen mit Betroffenen und Augenzeugen, durchforsteten Protokolle und Medienberichte. Die aufgeschriebenen Zitate führt er in der Inszenierung zusammen, will dabei Widersprüchliches aufdecken und Kontrastieren.

Im Kulturhauptstadtjahr 2010, sagt er, hätten sich viele Hoffnungen an dieses Mega-Event geknüpft, zu dem Millionen Raver erwartet wurden. Doch die friedliche Technoparty geriet für 21 Menschen zur Todesfalle, 600 wurden im Gedränge im Zugangsbereich verletzt. Die juristische Aufarbeitung liste eine Vielzahl von Ursachen für die Katastrophe auf: unklare Zuständigkeiten zwischen den Ämtern der Stadtverwaltung Duisburg, dem Veranstalter und der Polizei, ein umstrittenes Sicherheitskonzept mit einer Rampe und Fehlentscheidungen in der kritischen Phase am Veranstaltungstag. „Trotzdem empfiehlt das Gericht am 6. Februar 2019, das Verfahren einzustellen. In der Begründung heißt es, neben Planungsfehlern sei ein kollektives Versagen einer Vielzahl von Personen am Veranstaltungstag für das Unglück mitverantwortlich“, fasst Intendant Greb in einer Pressemitteilung zusammen und meint: „Damit atomisiert sich sozusagen die Schuldfrage, und am Ende ist niemand mehr verantwortlich. Die drohende Verjährung ist für die Angehörigen das Schlimmste.“

 Nachdem 2019 bekannt geworden war, dass sowohl Schlosstheater Moers als auch das Kom’ma-Theater Duisburg zum zehnten Jahrestag der Katastrophe Inszenierungen planen, gab es zunächst heftige Reaktionen von Betroffenen und Angehörigen. Ulrich Greb suchte das Gespräch mit ihnen. Vor der Premiere wird für sie eine geschlossene Aufführung stattfinden.

 Ein Probenfoto mit dem Ensemble des Schlosstheaters.

Ein Probenfoto mit dem Ensemble des Schlosstheaters.

Foto: Kristina Zalesskaya.

Da sich das Ensemble der Thematik stark über Bewegung annähert, arbeitete das Schlosstheater erstmals mit einem Choreografen zusammen. Für die musikalische Untermalung sorgt Emilio Gordoa, Improviser in Residence 2019. Es spielt das komplette Ensemble des Schlosstheaters.

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