Theater in Moers „Mein Herz schlägt für das Theater“

Moers · Joanne Gläsel gehört seit dieser Spielzeit zum Ensemble des Schlosstheaters. Ein Theater, das so konsequent gesellschaftliche Themen auf die Bühne bringt, sei ihr selten begegnet, lobt die vielseitige Schauspielerin.

  
 Schauspielerin Joanne Gläsel ist mit dem Engagement in Moers nach 40 Jahren in ihre Heimat Nordrhein-Westfalen zurückgekehrt. Sie hat an vielen Theaterhäusern in Deutschland gearbeitet.  
  Foto:   Bechhaus

Schauspielerin Joanne Gläsel ist mit dem Engagement in Moers nach 40 Jahren in ihre Heimat Nordrhein-Westfalen zurückgekehrt. Sie hat an vielen Theaterhäusern in Deutschland gearbeitet. Foto: Bechhaus

Foto: Rüdiger Bechhaus

Joanne Gläsel ist angekommen – in der Grafenstadt und im Ensemble des Schlosstheaters. In der Inszenierung „Dantons Tod“ gab sie als Robespierre-Anhänger Louis de St. Just ihre Visitenkarte ab. Theaterfans erlebten sie außerdem im Rahmen der „Hörsturz“-Reihe in der Szenekneipe „Die Röhre“. Mit ihrem Engagement in Moers ist die vielseitige Schauspielerin, die an Theaterhäusern von Berlin und Dresden bis Konstanz, Oldenburg und Pforzheim quer durch die Republik gearbeitet hat, nach 40 Jahren in ihre Heimat NRW zurückgekehrt.

„Es ist schön, aber auch ungewohnt, wieder hier zu sein“, erzählt sie und freut sich, so viel schneller einen Besuch bei Familie und Verwandten im Rheinland planen zu können. Als Wohnsitz wählte sie Moers, weil sie es merkwürdig fände, sagt Joanne Gläsel, nicht in der Stadt zu wohnen, in der sie Theater spielt. Der Bezug zu den Menschen ist ihr wichtig. „Ich möchte wissen, was sie bewegt und was in der Stadt los ist. Und ich mag keine langen Anfahrten. In Berlin brauchte ich auch nur acht Minuten von Zuhause bis zum Theater“, erzählt sie lächelnd.

Ihre Karriere ist voller besonderer Theatererfahrungen: Das in den 80er Jahren viel diskutierte und damals hochmoderne Regie-Theater, in Dresden das Brecht’sche Theater, das die Schauspieler ihr Handwerk auspacken ließ, dann psychologisches Theater, das viel Lebenserfahrung erfordert, oder auch 110 Vorstellungen ensuite gespielt in einem Kammerspiel in Heidelberg. „In unserem Beruf muss man viel sein, um Verschiedenes spielen zu können und die Motivation der Menschen zu verstehen, die man darstellt.“ Viel habe sie aus ihrer Zeit an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin mitgenommen. „Dort saßen alle Gewerke um den Regisseur herum, um alles – Beleuchtung, Musik – in dem Moment mit zu entwickeln. Es ist toll, so viele unterschiedliche Regie-Handschriften kennenzulernen“, sagt die Schauspielerin.

Das Schlosstheater in Moers, sagt sie, sei bekannt als zwar kleines, aber waches und politisches Stadttheater. Ein Theater, das so konsequent gesellschaftliche Themen auf die Bühne bringe, sei ihr selten begegnet. Dass es ein kleines Haus sei, sei seine Besonderheit. „Das gibt mir das Gefühl, als Schauspielerin gebraucht zu werden – weil es nur noch vier andere gibt.“ Das Ensemble sei intensiv an der Entstehung der Produktionen beteiligt, könne sich einbringen und werde gefragt, was es über das Thema denkt. „Das ist nicht überall so“, erzählt Joanne Gläsel, die zurzeit mit Regisseurin Anna Frick und dem Ensemble gerade die nächste Premiere entwickelt: „Die Polizey“ nach einem Fragment von Friedrich Schiller. „Es handelt sich um eine Stückentwicklung, die auch über die Improvisation entsteht“, erzählt die Schauspielerin. Gläsel arbeitete auch freischaffend für Hörfunk, Film und Fernsehen. 2002 wurde sie für ihre Rolle der KHK Eva Klaussner in der ZDF-Krimi-Reihe „Der Ermittler“ für den Publikums-Bambi in der Kategorie „Die beliebteste Kommissarin“ nominiert. Nach drei Jahren und 18 Folgen sei sie die wiederkehrenden Krimi-Floskeln leid gewesen. „Mein Herz schlägt für das Theater. Ich liebe es im Raum zu spielen, mit dem ganzen Körper zu erzählen und mit dem Publikum in Kontakt zu stehen“, erzählt sie. Auf der Theaterbühne habe jeder Abend eine andere Qualität. „Wir spüren, ob das Publikum wach und nah dran ist oder schlechte Laune hat“, betont Gläsel. Spannende und relevante Gesellschaftsthemen auf die Bühne zu bringen, hält sie für wichtig. „Das hält den Kopf wach“, sagt Schauspielerin, die sich auch zur Spielleiterin fortbilden ließ. Theater könne zwar keine Lösungen anbieten, sagt sie, aber das Publikum auffordern mitzudenken.

Am 20. Oktober und am 9. November können Theaterfreunde in Moers die Schauspielerin von einer neuen Seite kennenlernen. An beiden Abenden liest sie jeweils um 19.30 Uhr im Studio aus dem Tagebuch der Etty Hillesum „Das denkende Herz“. Hillesum war Jüdin und schrieb in den Jahren 1941 bis 1942 Tagebuch, um ihren Alltag, ihre Liebe und ihre Ängste zu bewältigen. Am 30. November 1943 wurde sie in Auschwitz ermordet.

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