„Maria Stuart“ im Schauspielhaus Drama um zwei starke Frauen

Düsseldorf · Judith Bohle spielt Maria Stuart in Friedrich Schillers gleichnamigem Theaterstück. Eine Rolle, in der auch das Kostüm eine Herausforderung darstellt.

 Judith Bohle in opulenter Robe im letzten Akt von „Maria Stuart“.

Judith Bohle in opulenter Robe im letzten Akt von „Maria Stuart“.

Foto: Sandra Then

Mit der Premiere von „Maria Stuart“ am 22. Januar erweitert sich das Rollenspektrum von Judith Bohle um eine klassische historische Figur. Sie ist die Titelheldin in Schillers Drama, das Laura Linnenbaum fürs Schauspielhaus inszeniert. „Bei der Probenarbeit war es uns wichtig, bestimmte Aspekte ihres Charakters besonders zu beleuchten“, erzählt sie. „Maria handelt aus eigenem Antrieb. Schiller hat sie als stolze, überzeugte Kämpferin gezeichnet und mit feministischen Zügen bedacht.“ Das käme auch hier zum Ausdruck. Aber mehr noch habe man versucht, „die Politikerin in ihr zu stärken, die geschickte Verhandlerin. Obwohl das in ihrer bedrängten Lage aussichtlos ist.“

Ihre mächtige Kontrahentin, Königin Elisabeth I. von England, wird von Minna Wündrich gespielt, derzeit als „Minna von Barnhelm“ zu sehen. „Folgt man den historischen Vorlagen, ist sie eigentlich die befreitere Frau“, sagt Judith Bohle. „Schiller aber hat seine Sympathie ganz klar der Maria zugeschrieben.“ Die Inszenierung begab sich auf eine interessante Suche: „Wie verhalten sich Frauen, wenn sie sich im Kontext zu einer Männerwelt behaupten müssen?“ Höhepunkt des Dramas ist der Dialog der Königinnen, der, wie man weiß, nie stattgefunden hat. Dennoch ist er aus Sicht der Schauspielerin nachvollziehbar: „Schiller, aber Jahrzehnte vorher auch Lessing, haben hochpsychologische Figuren erschaffen, deren Haltung in ihren Grundsätzen vertretbar und glaubhaft ist.“

Drei Mal wechselt Judith Bohle ihr Kostüm, vom schlichten Kleid in der Kerkerszene bis zur opulenten Robe im letzten Akt. „Ich gebe zu, ein solches Kostüm zu tragen, ist eine Herausforderung“, sagt sie und lacht. „Unser Bühnenbild hat sehr hohe Stufen. Damit es elegant aussieht, sie herunterzusteigen, muss man schlicht üben: Wie gehe ich mit diesen riesigen Reifröcken? Muss ich in die Knie gehen, wie bewege ich mich überhaupt, vielleicht seitwärts?“ Die echte Maria soll bei ihrer „Selbstinszenierung in den Tod“ rote Unterwäsche getragen haben, die entblößt worden sei. „Das machen wir nicht“, erklärt Judith Bohle. „Es wird aber durchaus ein spektakuläres Schaulaufen der Überzeugung gegenüber Elisabeth werden.“

Zu den beiden starken Protagonistinnen kommt in Düsseldorf eine Regisseurin. Nimmt dieses rein weibliche Trio einen anderen Blickwinkel auf das Intrigenspiel am Hofe ein? „Da klingt etwas an, das mir wichtig ist“, antwortet die Schauspielerin. Sie sei hier und an vorigen Theatern auch feministischen Regisseuren begegnet. „Ich glaube also nicht, dass Frauen automatisch die besseren Feministen sind. Aber Laura Linnenbaum arbeitet ganz sicher unter dieser Prämisse und ist dazu befähigt. Auch Wolfgang Michalek, der den Grafen von Leicester spielt, glüht und kämpft für diese Sache.“ Überziehen wollte man den feministischen Aspekt aber nicht, schränkt sie ein. „Man muss den Krimi bedienen, sonst funktioniert das Stück nicht. Wir sind dabei geblieben, Schiller sorgfältig zu folgen und ihm zu vertrauen.“

Judith Bohle kam zur Spielzeit 2015/16 in das damals vom neuen Intendanten Wilfried Schulz geformte Ensemble. Neben ihrem kleineren Part als trauernde Witwe in „Minna von Barnhelm“ spielt sie derzeit etliche Rollen in „Alice“, wirkt als Sittah bei „Nathan (to go)“ mit und ist die sachliche Vorsitzende des Ethikrats in „Gott“ von Ferdinand von Schirach. Das Stück um den selbstbestimmten Suizid ist nach wie vor ausverkauft. Den Grund glaubt sie zu kennen: „Auch wir Spieler empfinden die starke Wertigkeit dieses langsamen Entblätterns der Argumentationen für die Zuschauer, es scheint sich um einen soziokulturellen Dissens zu handeln, der ernst zu nehmen ist.“

Für die Vielschichtigkeit ihrer Rollen ist Judith Bohle dankbar. „Repertoire zu spielen, bildet das Rückgrat unseres Stadttheater-Systems. Manche Stücke würden sich en suite anbieten, aber wir Schauspieler profitieren enorm von den ständig wechselnden Vorstellungen, weil sich alles gegenseitig befruchtet.“

Dankbar ist die Mutter einer dreijährigen Tochter auch für die Freiheit, die ihr das Schauspielhaus 2021 gewährte. „Ich habe etwas Aufregendes erlebt“, sagt sie und erzählt von dreimonatigen Dreharbeiten für die TV-Serie „Safe“ bei ZDFneo (Sendetermin im Herbst 2022). In einer alten Villa in Berlin entstanden unter der Regie von „Oscar“-Preisträgerin Caroline Link acht 45minütige Folgen über eine spezielle Kinder- und Jugendtherapieform. Judith Bohle spielt die weibliche Hauptrolle, eine Psychologin, ihr Vater ist Matthias Habich. Sie hat diesen Ausflug genossen: „Es ist wunderbar, in ein Ensemble eingebunden zu sein und dennoch diese spannenden Fernseh-Erfahrungen machen zu können.“

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