Nach Missbrauchsfällen in der Kirche Bischof Genn: Ich habe Fehler gemacht

Münster/Moers · Mit einem offenen Brief hat sich der Bischof an die Katholiken im Bistum Münster gewandt. Es geht um Missbrauchsfälle in der Kirche, darunter um den Fall eines Priesters, der trotz Verurteilung in Moers-Asberg tätig war.

 Felix Genn, Bischof von Münster, segnet bei einem Gottesdienst Gläubige.

Felix Genn, Bischof von Münster, segnet bei einem Gottesdienst Gläubige.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Nach den jüngst bekannt gewordenen Missbrauchsfällen im Bistum Münster hat sich nun Bischof Felix Genn zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief bittet er „alle um Entschuldigung, die sich jetzt hintergangen fühlen“ und gesteht Fehler ein. Ich weiß um den gewaltigen Schmerz, den viele Frauen und Männer oft seit Jahrzehnten Tag für Tag spüren und der sie zermürbt“, schreibt Genn. „Gerade das Wissen um diese Frauen und Männer bewegt mich, Ihnen als Bischof und Verantwortungsträger Auskunft zu geben.“

Einer der Fälle, auf die er sich bezieht, ist der eines Priesters, der 1972 wegen „fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen“ zu einer Haftstrafe und 1988 wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, aber dennoch bis ins hohe Alter in den Bistümern Köln, Münster und Essen als Seelsorger tätig sein durfte – darunter von 1986 bis 1988 als Aushilfsseelsorger in der Pfarrei St. Bonifatius in Moers-Asberg. Seit 2002 lebe der Priester als Ruhestandsgeistlicher im Bistum Essen. Die Aufarbeitung dieses Falls habe das Erzbistum Köln an eine unabhängige Kanzlei abgegeben.

Von 2003 bis zu seinem Wechsel nach Münster war Genn Bischof von Essen. „Mir ist bewusst, dass ich als Bischof letztlich für das verantwortlich bin, was im Bistum geschieht“, heißt es in seinem Brief. „Dass damals ein Priester in einer Gemeinde seelsorgliche Dienste tun konnte, obwohl bekannt war, dass er mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war, war ein verheerender Fehler. Mich erschreckt im Rückblick die damals fehlende Einsicht, dass ein Priester grundsätzlich nicht mehr seelsorglich eingesetzt werden darf, wenn er sich solcher Verbrechen schuldig gemacht hat.“

Er habe Anfang Mai von dem Fall erfahren, schreibt Genn weiter. „Ich bekam einen Brief, den ich sofort an unseren Interventionsbeauftragten weitergeleitet habe. Er hat daraufhin umgehend das Erzbistum Köln eingeschaltet. Vor allem die Betroffenen sexuellen Missbrauchs möchten für diesen Fall wissen, wer welche Verantwortung trug. Diese Antworten müssen wir geben. Das gilt für alle Fälle sexuellen Missbrauchs. Daher haben wir im Bistum Münster die Universität Münster beauftragt, in völliger Unabhängigkeit Antworten auf diese Fragen zu suchen und die Vergangenheit aufzuarbeiten.“

Genn bezieht sich außerdem auf einen Fall in Kevelaer. Dort soll ein Priester in den 80er Jahren eine Frau über einen längeren Zeitraum missbraucht haben. Die Frau hatte sich bereits 2010 ans Bistum gewandt. „Wir haben den Sachverhalt nach Rom an die Glaubenskongregation gemeldet“, schreibt Genn. „Nach Abschluss der dortigen Prüfungen wurde der Geistliche emeritiert. In einem Dekret wurden ihm seelsorgliche und priesterliche Tätigkeiten nur in einem vom Bistum zugewiesenen Bereich gestattet.“

Weil der Priester weiter öffentlich predigte, wandte sich die Frau vor drei Jahren erneut ans Bistum. „Ich habe ihn dann schriftlich hingewiesen, dass eine Zelebration nur eine Ausnahme sein dürfe und ihm nur erlaubt sei, wenn nicht mit einer großen Öffentlichkeit zu rechnen sei“, so Genn. Dies sieht er heute als Fehler an. „Zum einen hätte ich das Verbot sehr viel deutlicher formulieren müssen. Was heißt ,Gottesdienste ohne große Öffentlichkeit’? Das ist unpräzise und muss künftig unbedingt unmissverständlich und klar formuliert werden.“ Er sehe auch ein, „dass ich dem ernstzunehmenden Hinweis, dass der Priester sich nicht an das ausgesprochene Verbot hält, noch konsequenter hätte nachgehen müssen.“

Der Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs bleibe „eine ständige Aufgabe und Herausforderung“, so Genn. „Auch, wenn es nicht sein darf, so können dabei leider doch weiterhin Fehler passieren.“ Er habe aus diesen Fehlern gelernt, „und lerne hier ständig weiter“. „Von daher bin ich gerade denen, die Kritik äußern, dankbar. Denn die Kritik richtet immer wieder zu Recht den Fokus darauf, dass wir in jeder Hinsicht heute ein System des aufmerksamen Hinsehens benötigen. Das sind wir und das bin ich den Betroffenen sexuellen Missbrauchs und der heilenden und befreienden Botschaft des Evangeliums schuldig.“

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort