Interview zum Saisonstart der A-Liga „Nur mit guten Fußballern gewinnst du nichts“

Interview · Frank Wachmeister vom SV Schelsen und Peter Daners von GW Holt sind in die Kreisliga A aufgestiegen. Im Interview sprechen beide über das richtige Verhalten von Trainern bei Aufstiegsfeiern, die Probleme der kurzen Saisonvorbereitung und warum man manche Spieler besser nicht ins Team holt.

 Frank Wachmeister (l.) und Peter Daners (r.) sind mit ihren Teams in die Kreisliga A aufgestiegen.

Frank Wachmeister (l.) und Peter Daners (r.) sind mit ihren Teams in die Kreisliga A aufgestiegen.

Foto: Daniel Brickwedde

Herr Daners und Herr Wachmeister, aus Trainersicht, was ist anstrengender: eine Saisonvorbereitung oder ein Aufstiegsfeier-Marathon?

Frank Wachmeister Eine Feier läuft von alleine, wenn die richtigen Jungs dabei sind. Wenn es gut ist, willst du gar nicht mehr aufhören. Bei der Vorbereitung musst du den Jungs eher hinterherrennen, dass sie überhaupt kommen (lacht). Die Vorbereitung ist schon anstrengender. Du bist in einer Stresssituation, weil du nicht weiß, ob man alles richtiggemacht hat: Ziehen alle mit, kommen die neuen Spieler zum Training, wie läuft die Integration?

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Foto: Rheydter SV

Peter Daners Wir waren mit unserer Aufstiegsfeier leider spät dran – wir mussten ja bis zum letzten Spieltag warten. Da haben wir nur eine Feier gemacht. Ich mache es mit meiner Mannschaft allerdings immer so, dass ich nach je fünf Siegen ein Essen ausgebe. Deswegen haben wir während der vergangenen Saison schon einige Male gefeiert – nur das wir noch nichts in der Hand hatten. Die Aufstiegsfeier war trotzdem ordentlich. Wir konnten im Vorfeld nur nichts Großes planen. Es gab nach der Saison nur zwei Wochen Pause, da klappte dann auch keine Abschlusstour mehr, weil die Jungs wussten: In zwei Wochen geht es schon wieder los – ich muss nun Urlaub machen.

Wachmeister Bei uns gab es das volle Programm. (Schelsen stand bereits einige Wochen vor Saisonende als Aufsteiger fest, Anm. d. Red.) Wir hatten eine sensationelle Abschlussfahrt mit Traktoren und Partyanhänger. Die Jungs sind dann noch nach Mallorca. Bei uns war das wirklich perfekt, dafür, dass wir so lange warten mussten. Wir konnten es richtig genießen: Drei Wochen am Stück – jede Einheit war eine Party.

Sind Sie bei den Feiern voll dabei oder überlassen Sie dann den Spielern das Feld?

SV Schelsen Aufstieg Kreisliga B

SV Schelsen Aufstieg Kreisliga B

Foto: Theo Titz

Wachmeister Mir hat ein Trainer mal als Weisheit mitgegeben: „Der Mannschaft muss man ihren Raum lassen.“ Ich feiere schon mit, ziehe mich aber aus gewissen Sachen raus. Wenn du als Trainer sternhagelvoll da herumläufst und alles vergisst, was die Etikette ausmacht – die Jungs behalten das im Gedächtnis. Da kannst du schnell alles verkehrt machen und verlierst den Respekt. Wie du mit der Mannschaft feierst und umgehst, dafür brauchst du als Trainer schon ein gutes Händchen.

Daners Man ist irgendwie immer noch verantwortlich. Auch wenn wir in die Stadt fahren, bin ich immer derjenige, der schaut, dass auch alles rund läuft. Ich feiere mit, würde mich aber nie völlig betrinken. Natürlich macht es aber Spaß, mit den Jungs zu feiern. Der Trick ist: Du bist ihr Freund, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.

Die kurze Vorbereitung haben Sie schon angesprochen. Sechs Wochen liegen dieses Jahr zwischen Saisonende und Saisonstart – bedeutet: nur rund vier Wochen Vorbereitung.

Wachmeister Die vier Wochen sind für uns Amateurtrainer eine Katastrophe. Und in dieser Zeit sind auch noch Sommerferien, in denen die Familienväter wegfahren …

Daners … und der Spirit ist ja noch nicht da. Normalerweise sind die Jungs nach Pause und sechs Wochen Vorbereitung wieder heiß und wollen um Punkte, Tore und die Meisterschaften spielen. Das ist jetzt nicht der Fall. Es gab ja kaum eine Pause.

 Peter Daners Trainer GW Holt

Peter Daners Trainer GW Holt

Foto: Heiko van der Velden

Was hat das für Konsequenzen in der Trainerarbeit?

Wachmeister Wir werden auch nach Saisonstart weiterhin dreimal in der Woche trainieren müssen. Die Zeit brauchen wir. Sechs Wochen ist das Mindeste, was du als Trainer als Vorbereitung benötigst. Die fehlen uns jetzt. In dieser Zeit geht es um Grundlagenausdauer, Kraftausdauer und Tempo – aber auch um einen Mannschaftsabend. Wo machen wir den? Bei uns in Schelsen steht nun am Wochenende das Schützenfest an. Das heißt, ab Freitag werden die Bürgersteige hochgeklappt und fünf bis sechs Jungs marschieren mit. Ich habe gesagt: Feiert, ihr habt drei Jahre nicht gefeiert. Ich fahre nun mit den anderen zum ersten Spieltag. Das macht es nicht einfacher, aber so musst du es machen.

Daners Von uns Amateuren fährt ja auch niemand zur WM. Es braucht im Amateurbereich eigentlich niemand Rücksicht auf den Rahmenspielplan der Profis zu nehmen. Der einzige Vorteil: Es betrifft alle Mannschaften. Ich behaupte daher: In den ersten sechs Wochen der Saison muss jeder Trainer seine Mannschaft noch weiter aufbauen.

Wie groß ist der sportliche Schritt von der B- zur A-Liga?

Daners In den Topspielen der B-Liga sind alle hellwach. Gegen die anderen Mannschaften von unten passt du dich an. Nun müssen wir über die gesamte Saison das Maximallevel abrufen. Das ist gar nicht so einfach.

Wachmeister Im Vorjahr haben wir – ohne unseren Gegnern zu nahe zu treten – drei bis vier interessante Spiele gemacht. Nun werden wir jede Woche ein interessantes Spiel haben. Wenn wir im vergangenen Jahr Spiele mit 6:0 gewonnen haben, dann werden wir jetzt Spiele auch Mal mit 0:6 verlieren. Das wissen wir. Es ist keine Überliga, aber wir werden ans Limit gehen müssen. Woche für Woche.

Worauf haben Sie bei der Kaderzusammenstellung für die neue Spielklasse geachtet?

Wachmeister Du machst dir schon deine Gedanken: Wer passt sportlich und verstärkt uns – und wer passt zudem in die Mannschaft. Ich hätte keinen Spieler genommen, der uns zwar sportlich verstärkt, aber nicht zu meinen Jungs passt. Ich halte immer mit einzelnen Spielern aus der Mannschaft über mögliche Neuzugänge Rücksprache: Was hältst du von dem? Dann können die Spieler ihre Meinung sagen, letztendlich entscheide allerdings ich. Wenn die Jungs aber sagen, das passt nicht, lasse ich die Finger davon. Das ist zu empfindlich – du kannst mit einem Spieler alles über den Haufen werfen.

Daners Bei mir ist das genauso. Menschlich muss es passen. Wir wollten uns aber auch in der Breite verstärken, da kann man nicht nur Leute holen, die einen Stammplatz anvisieren. Ich habe fast alle Spieler aus Mönchengladbach in meinem Telefonbuch und habe viele kontaktiert. Einige hatten mir zuvor schon mal abgesagt, die rufe ich dann aber wieder an: Wie sieht das dieses Jahr aus? Davon sind nun zwei dazugekommen, mit denen ich schon lange Kontakt halte und da freue mich richtig drüber. Mit Rene Eschweiler (Co-Trainer in Holt, Anm. d. Red.) habe ich noch jemanden, der ebenfalls ein großes Netzwerk hat. Ich frage im Vorfeld allerdings auch meine Leute bei den Vereinen über gewisse Spieler aus – und nehme dann erst Kontakt auf. Wenn mir dann jemand sagt, der Spieler ist ein Vogel, dann muss man gut überlegen. Das kann dir viel kaputtmachen.

Welche Spielertypen braucht es dann in der A-Liga?

Daners Es geht vor allem um Arbeiter. Ich hatte im Mittelfeld mal jemanden, der hat alles weggeräumt – dem habe ich aber auch gesagt: Wenn du den Ball hast, gib ihn deinem Mitspieler. Diese Spieler sind fußballerisch vielleicht nicht so gut, aber sie haben die richtige Einstellung, gehen immer ans Limit. Nur mit guten Fußballern gewinnst du die Spiele nicht, diese Arbeitertypen helfen dir manchmal mehr. Wenn du drei oder vier davon in der Mannschaft hast, die die anderen mitnehmen, dann macht das viel aus.

Wachmeister Das schlimmste, was dir als Trainer passieren kann, ist, dass du gierig wirst. Dann holst du dir genau die falschen Jungs ins Team. Die bringen dir Erfolg – aber was ist der absolute Erfolg? Als Dorfverein Landesliga spielen? Das geht in unserer Situation nicht. Dort spielt man ein oder zwei Jahre – dann ist der Akku leer. Du musst als Verein wissen, wer du bist. Natürlich wollen wir gewinnen und überlegen, wer uns dabei hilft Aber es gibt Spieler, die sollte man nicht holen. Da kommt zwar der Erfolg, aber nicht lange. Das können wir uns nicht erlauben. Wir haben so viel Energien in unsere Vereine gesteckt, ich in Schelsen, du Peter in Holt, das ja schon viel höher gespielt hat und nun unten war – wir müssen uns jetzt erst einmal erden.

Daners Ja, Holt hat schon ganz andere Zeiten erlebt. Als ich 2019 nach Holt kam, da musste die Mannschaft noch die Qualifikation spielen, um überhaupt in der B-Liga zu bleiben. Ich habe mir dann das Potenzial der Mannschaft angeschaut: Da waren fünf bis sechs Spieler dabei, die in Ordnung waren – der Rest war zusammengesammelt. Ich musste nach neuen Spielen schauen. Und die holst du am besten, wenn es sich um den Freundeskreis der Spieler handelt. Das ist der beste und einfachste Weg. Dann gibt es auch eine Bindung untereinander.

Wie hat sich das über die Jahre verändert?

Wachmeister Die Gesellschaft verändert sich. Bei vielen Spielern gibt es andere Interessen. Wir in Schelsen leben unheimlich von der Stimmung. Aber die Jungs verlernen das. Du musst extrem viel Zeit damit verbringen, die Spieler an den Verein zu binden, das brauchte es früher nicht. Da hieß es: Es ist Training und die Jungs sind gekommen. Heute ist das anders.

Daners Als ich damals in Hardt anfing (2012, Anm. d. Red.), habe ich 26 Spieler geholt, von denen 18 nach sechs Jahren immer noch da waren. Da gab es eine Bindung, aus Fremden wurden dort Freunde. Das ist schön. Bei mir gibt es beispielsweise ein Handyverbot in der Kabine. Die Leute sollen sich miteinander beschäftigen. Diese Verbindung, mit der Freundschaften aufgebaut werden – das kriegt man aber nicht mehr so leicht hin. Früher haben wir gesagt: Sonntag nach dem Spiel, da bleiben wir noch. Da saßen noch 15 bis 20 Leute bis nachts zusammen. Das gibt es so nicht mehr. Du musst das selbst vorleben, damit der Funke überspringt.

Wachmeister Du versuchst heute, den Jungs deine alten Werte zu erklären – um diese am Leben zu erhalten.

Daners Es ist alles sehr oberflächlich und schnelllebig geworden, auch von der Aufnahmefähigkeit der Spieler.

Wachmeister Wenn wir alten Trainer irgendwann verschwunden sind, dann wird es spannend für den Amateurfußball. Es wird immer von Laptoptrainer gesprochen, die jungen Trainer machen ihre Lizenzen. Aber sie wissen hinterher gar nicht, was es überhaupt heißt, mit anderen Menschen umzugehen und diese zu führen. Das ist die Kunst. Eigentlich müsste eine Trainerausbildung viel länger dauern. Nach dem theoretischen Teil benötigt man einen Praxisausbilder an die Hand, der einem beibringt, mit Menschen umzugehen.

Die Kreisliga gilt oft als „Inbegriff“ des Amateurfußballs. Was macht den Charme dieser Spielklasse aus?

Daners Die Derbys – ganz klar. Venn, Hardt, Rheindahlen, das ist alles direkt vor der Tür. Du kennst die Trainer relativ gut und die Spieler kennen sich ebenfalls untereinander. Ich freue mich immer, meine früheren Jungs wieder zu sehen, egal, wo sie nun spielen. Wenn wir in Venn spielen oder in Hardt, da weiß ich, da bleibe ich auch nach dem Spiel im Klubhaus

Wachmeister Odenkirchen ist eigentlich ein Bezirks- oder Landeligist – und der spielt nun bei uns in der Klasse. Und beim Rheydter SV bin ich damals mit meinem Vater noch in der Oberliga unter Peter Schleuter im Stadion gewesen. Gegen diese Mannschaften spielen wir nun. Michael von Amelen (Trainer beim Rheydter SV, Anm. d. Red.) war früher mein Spieler. Das ist natürlich auch interessant. Und die Spiele gegen Peter, die machen natürlich auch Spaß.

Und der sportliche Stellenwert?

Wachmeister Für uns ist es das Highlight. Als Trainer habe ich vieles erlebt. Aber der Verein hat 40 Jahre darauf gewartet, in die A-Liga zu kommen. Es herrscht das Gefühl: Wir sind angekommen. Es wird ein Abenteuer, es soll aber keins sein. Wir haben schon das Ziel, uns in der A-Liga zu etablieren.

Daners In dieser Liga musst du ans Limit gehen. Du bist der Aufsteiger, du bist der Außenseiter, du hast nichts zu verlieren. Die Stimmung im Verein ist aber natürlich gut – wir haben ja auch lange darauf gewartet.

Es kann am Ende zwischen zwei und fünf Absteiger geben – je nachdem, welche Mannschaften aus der Bezirksliga runterkommen. Inwiefern beschäftigt Sie das?

Wachmeister Mich beschäftigt das schon sehr. Der Abstieg wäre der Super-Gau. Mit der kurzen Vorbereitung wird das für mich als Trainer ein stressiges Jahr. Ich gucke jetzt schon in die Bezirksliga und beobachte die Vereine – da bist du schon am überlegen, wer könnte von denen in unseren Kreis absteigen. Das ist eine doofe Situation.

Daners Ich glaube, dass der Einstieg das A und O ist. Durch die englischen Wochen wird der Saisonstart allerdings schwierig (der zweite Spieltag findet unter der Woche statt, Anm. d. Red.). Normalweise würde ich sagen: Sechs Wochen Vorbereitung und nach den ersten Spielen kann man einige englischen Wochen machen – um dann im Dezember nicht mehr spielen zu müssen. Nun gibt es aber englische Wochen, ohne dass es eine richtige Vorbereitung gab. Das ist genau das Falsche. Das kann entscheidend sein. Jetzt zeigt sich auch, ob der Kader breit genug ist.

Das letzte Mal ist 2016 ein Aufsteiger direkt wieder abgestiegen. Warum bleibt das auch in dieser Saison so?

Wachmeister Wir sind stark genug. Wir sind drei Jahre lang oben in der B-Liga gewesen und haben in den Testspielen gegen höherklassige Teams immer gut ausgesehen. Ich glaube, mit der Euphorie und dem Umfeld kriegen wir das hin. Wir landen zwischen Platz acht und zwölf. Bei fünf Absteigern braucht man allerdings mindestens 40 Punkte.

Daners Durch die vielen Spielerwechsel ist es in diesem Jahr schwierig, die Mannschaften einzuschätzen. Ich sehe uns auch zwischen Platz acht und zwölf. Und ich möchte am Ende auf jeden Fall vor Frank stehen (lacht).

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