Interview mit Borussia-Revue-Machern „Eine Liebeserklärung an die Fußballfans“

Mönchengladbach · Martin Maier-Bode und Tobias Wessler, die Macher der Revue „Wir sind Borussia“, sprechen über echte Fans, subventioniertes Theater und generationenübergreifende Stücke.

 Martin Maier-Bode (links) und Tobias Wessler haben die Borussia-Revue erdacht und damit einen großen Erfolg am Theater gelandet.

Martin Maier-Bode (links) und Tobias Wessler haben die Borussia-Revue erdacht und damit einen großen Erfolg am Theater gelandet.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Herr Maier-Bode, von Ihnen und Tobias Wessler stammt die Borussia-Revue, die seit Samstag wieder im Theater zu sehen ist. Sie selbst sind in Düsseldorf geboren und bekennender Fortuna-Fan. Haben Sie durch die Revue so etwas wie Zuneigung zu unserer Borussia entwickelt?

Maier-Bode Die gab es schon. Ich bin in Neuss groß geworden, die Grenze zwischen Fortuna- und Borussia-Fans lief mitten durch meine Klasse. Und spätestens als die dunklen Jahre für die Fortuna kamen, lag es einfach nahe, dass man die Borussia zumindest als emotionale Erstligavertretung empfand. Als wir uns dann mit der Borussia-Revue beschäftigt haben und total tolle Unterstützung durch den Verein bekamen, hat mich das natürlich schon gepackt, und aktuell stiere ich auf zwei Ergebnisse pro Spieltag.

Und bei Ihnen, Herr Wessler?

Wessler Ich bin jetzt seit 20 Jahren mit dem Theater Mönchengladbach verbunden und ich gucke natürlich immer, wie die Borussia gespielt hat. Ich bin heute kein Fußballfan mehr wie ich es als Kind war, aber ich habe den Verein als sehr familiär und sympathisch kennengelernt. Je intensiver man sich mit einem Verein beschäftigt, desto größer wird die Zuneigung.
Maier-Bode Unsere Revue ist ja auch eine Liebeserklärung an alle Fußballfans. Wir schlagen die Brücke sogar bis nach Köln.

Ist das Theater zur Nordkurve geworden? Ist der Funke übergesprungen?

Wessler Das, was wir uns erhofft haben, ist tatsächlich gelungen, und das freut mich sehr. Wir wollten die Leute ansprechen, die noch nie oder schon lange nicht mehr im Theater waren, dabei aber die klassischen Theatergänger nicht verlieren. Fußballfans sollen Theater erleben, Theaterbesucher erfahren, was Stadionatmosphäre bedeutet.
Maier-Bode Es war uns wichtig, dass die Leute sich mitgenommen fühlen. Und die Rückmeldungen der Fußballfans zeigen, dass es funktioniert.

Welchen Kontakt haben Sie denn zu Fußballfans?

Wessler Ich hatte schon, bevor wir die Revue gemacht haben, ganz engen Kontakt, denn ein direkter Nachbar war und ist noch Borussenfan. Da habe ich erlebt, was Fan-Sein wirklich bedeutet. Er ist Mitglied in einem ganz kleinen Fanclub, fährt zu jedem Auswärtsspiel und als die Borussia Champions League gespielt hat, hat er mit anderen Fanclubs zusammen ein Flugzeug gechartert – ohne zu wissen, wo es hingehen würde. Da wurde mir klar, dass ich noch nie ein echter Fan war. So wurde die Idee geboren, einen Abend für Fans zu schaffen.

Sind Sie als Theatermacher nicht neidisch auf die Begeisterung, die Fußball wecken kann?

Maier-Bode Fußball ruft immer die volle Leidenschaft der Fans wach, das kann dem Theater nicht immer gelingen, denn Theater muss die ganze Bandbreite der Gesellschaft bedienen und neben emotionalen auch intellektuelle Ansprüche berücksichtigen.

Der Fußball spricht die ganze Gesellschaft an. Sollte das Theater das nicht auch?

Wessler Ja, natürlich. Aber der Auftrag des Theaters ist nicht nur, jeden anzusprechen, sondern auch, alle gesellschaftlichen Aspekte zu besprechen. Theater ist mehrdimensional.

Wie viel Show steckt im Fußball? Mehr als im Theater?

Maier-Bode Im Fußball steckt viel mehr Geld.
Wessler Ich finde, Fußball ist in Deutschland noch nicht sehr showbehaftet. Der Ablauf im Stadion hat sich in den letzten zwanzig, dreißig Jahren eigentlich nicht verändert. Nur voller sind die Stadien geworden.

Ist die Show im Theater größer geworden?

Maier-Bode Die technischen Möglichkeiten sind größer geworden und werden natürlich auch ausgereizt. Bilder und Sprache haben sich aber auch verändert. Die Sehgewohnheiten der Zuschauer sind heute anders. Sie haben sich an schnelle Schnitte und Perspektivwechsel gewöhnt, und das spiegelt sich auch in der Struktur der Revue.

Ist das Experiment „Theater trifft Fußball“ geglückt? Wurde nachhaltig neues Publikum erschlossen?

Wessler Die Fans nehmen den Abend an, und die Revue ist fast immer ausverkauft. Für Februar und März gibt es aber noch genügend Karten. Ich finde es wichtig, dass ein Stadttheater auch Themen aus der Stadt aufgreift, und das passiert bei der Revue. Nach der Premiere stellte ein Kritiker die Frage, was ein solches Stück am subventionierten Theater zu suchen habe. Die Antwort darauf lautet: Alle Bürger subventionieren das Theater, auch die Fußballfans. Wir wollten einen Abend schaffen, der auch generationenübergreifend funktioniert – für Kinder, Eltern und Großeltern. Das funktioniert. Ob diejenigen, die in der Revue waren, weiterhin ins Theater kommen, weiß ich nicht. Das hängt sicher auch vom Angebot ab.

Theater gilt eher als elitär, Fußball als Volksthema. Haben Sie bewiesen, dass das zusammenpasst?

Maier-Bode Ein Stadttheater ist ein Bürgertheater. Es muss viele ansprechen und gleichzeitig auch Nischen bedienen.
Wessler Es ist kein Downgraden des Theaters, wenn man die Bevölkerung anspricht. Ein Stadttheater sollte die Identität der Kunst innerhalb der Stadt darstellen. Und die künstlerische Leistung des Theaters wird nicht nur durch Regisseur oder Autor bewirkt, sondern ganz entscheidend durch die Schauspieler. Wie beispielsweise Bruno Winzen es schafft, den ganzen Abend Günter Netzer darzustellen, das ist hohe Schauspielkunst.

In welche Richtung muss sich Theater Ihrer Meinung nach entwickeln?

Wessler In den letzten Jahren wurde vieles richtig gemacht, gerade auch in Mönchengladbach und Krefeld. Wichtig finde ich, dass das Theater ein Ort der Begegnung und Kommunikation bleibt, bestenfalls aus allen Gesellschaftsteilen. Wenn beispielsweise ein Stück keine Pause hat, fehlt die Kommunikation zwischen den Zuschauern.

Hatten Sie anfangs Angst, dass das Stück nicht funktioniert?

Maier-Bode Die Angst vor dem Scheitern begleitet Künstler immer. Aber wir waren von dem Konzept überzeugt.
Wessler Die Fans identifizieren sich mit dem Stück. Das haben wir gehofft, aber konnten es nicht in diesem Maße erwarten.

Sie haben das Batman/Joker-Prinzip genutzt – jedes Gute hat ein böses Gegenstück. Was wäre die Borussia-Revue ohne den Erz-Gegner 1. FC Köln?

Maier-Bode Die Rivalität gehört zur Geschichte, aber eigentlich zeigen wir, dass der FC-Fan aus dem gleichen Holz geschnitzt ist wie der Borussenfan.
Wessler Die Liebesgeschichte hat im Gegensatz zu Romeo und Julia auch ein Happy End. Letztendlich brauchen die Gegner einander.
Maier-Bode Allerdings ist Köln im Augenblick durch den Abstieg in die 2. Liga zu schlecht. Die Kölner machen es einem eben nie leicht. Wir mussten ein wenig umstellen.
Wessler Ja, wir haben da eine Lösung gefunden, aber die verraten wir noch nicht.

Wie stark müssen Sie die Revue aktualisieren?

Maier-Bode Es gibt Mini-Blocks im Stück, die regelmäßig aktualisiert werden.
Wessler Aber erfreulicherweise ist die Stelle: „Wir sind die einzigen, die dem FC Bayern zeigen, wo’s lang geht“ immer noch richtig.

Das Gespräch führten Karsten Kellermann, Denisa Richters, Angela Rietdorf und Inge Schnettler.

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