In Mönchengladbacher Berufskolleg Aliou Barry erzählt Schülern von seiner Flucht

Mönchengladbach · Der 23-Jährige aus der afrikanischen Republik Guinea besucht das Berufskolleg in Mülfort – und hat einen Song „Mama, don‘t cry“ aufgenommen.

 Aliou Barry (links) ließ sich von seinen Mitschülern Samuel Stuckas und Jennifer Asani zu seinen Erfahrungen aus Geflüchteter befragen.

Aliou Barry (links) ließ sich von seinen Mitschülern Samuel Stuckas und Jennifer Asani zu seinen Erfahrungen aus Geflüchteter befragen.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Näher kann man einem Flucht-Schicksal kaum kommen: In großer Offenheit, mit bewundernswerter Kraft und hoher Emotionalität stellte der 23-jährige Aliou Barry aus Guinea jetzt im Berufskolleg Rheydt-Mülfort für Wirtschaft und Verwaltung seinen Mitschülern ein sehr persönliches Projekt vor.

Die Planungen dafür begannen im Sommer 2019. Er gehörte zu den Schülern von Religionslehrerin Annette Banerjee. „In der Kennenlernrunde sagte er: ‚Ich bin Aliou und ich bin Künstler‘,“ erinnert sich Banerjee. „Das war außergewöhnlich. Aliou besitzt eine starke Ausdruckskraft, er hat eine Botschaft.“ Schnell wurde ihr klar: „Da müssen wir etwas draus machen.“ Ein Projekt wurde begonnen, dessen Umsetzung von Corona, vom Lockdown, von Distanzunterricht immer wieder verzögert wurde. Nun endlich konnte das Ergebnis dieses Projektes den Mitschülern der Klassen der Höheren Handelsschule vorgestellt werden.

Manchmal erhält etwas, das vor einiger Zeit entstand, in der Gegenwart „eine solche Brisanz und Aktualität, dass es einem die Sprache verschlägt“. Mit diesen Worten begrüßte Stephany Kerstges, Schulleiterin des Berufskollegs die Gäste. Und verwies damit auf den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene massenweise Flucht von Menschen.

Aliou Barry wird im Frühsommer seinen Abschluss an der Handelsschule absolvieren. Seit sieben Jahren lebt er in Deutschland. Geboren in Conakry, der Hauptstadt der afrikanischen Republik Guinea, floh er als politisch Verfolgter mit 16 Jahren unbegleitet von Familienangehörigen in Richtung Europa. Dass Deutschland sein Zufluchtsland wurde, war ein Zufall. Barry kam zunächst nach Bochum, blieb dort drei Jahre, dann musste er nach Mönchengladbach umziehen.

Die Wunde, die die Flucht in Aliou Barry hinterließ, sitzt tief. Er hat ein Lied getextet und komponiert, in dem er die Trauer beschreibt: „Mama, don’t cry“ heißt es. Barry, der Französisch, Englisch, Spanisch, Deutsch und verschiedene Dialekte seines Heimatlandes spricht, verfasste es in englischer Sprache. In seinem Lied wendet er sich an seine Mutter, der er erklärt, dass er fliehen musste, um zu überleben, dass er von ihr träumt und ihre Liebe brauche, um nicht unterzugehen. Er bittet sie: „Weine nicht, liebe Mama, deine Tränen sollen trocken. Oh, Mama, bitte weine nicht, ich brauche nur dein Lächeln.“

Den Song, produziert von Musikingenieur Sebastian Schade, hat er in einem Video gesungen. Darin sieht man ihn über das Schulgelände gehen, immer wieder gibt es Einspieler von gewalttätigen Aktionen in seiner Heimat. Ein bewegendes Video.

Im Anschluss stellte sich Barry, dessen Künstlername Dankotako lautet, den Fragen seiner Mitschüler Jennifer Asani und Samuel Stuckas. Ihre Fragen und Barrys Antworten ließen das Bild eines jungen Mannes entstehen, der mit klarem Blick und voller Trauer auf eine ungerechte Welt blickt. „Es ist nicht leicht, du musst damit leben, du kannst es nicht ändern“, sagte er im Hinblick auf sein eigenes Schicksal.

Barry erzählte auch von Rassismuserfahrungen in Deutschland, schränkte aber auch ein: „Egal, wo man hingeht, es gibt gute und schlechte Menschen.“ Künstler zu sein, so erklärte er, ist sein Weg, die Menschen zu repräsentieren, die keine Stimme haben. Seine Botschaft, die er nicht oft genug wiederholen konnte: „Peace, peace, peace and peace.“

Das Berufskolleg hat ein Heft herausgegeben, in dem die Geschichte von Aliou Barry, sein Lied, sein Appell für Frieden ebenso abgedruckt sind, wie Zeichnungen, die seine Mitschülerin Viktoria Laubach zu dem Lied gemacht hat.

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