Gedenken an Reichspogromnacht in Mönchengladbach „Bahnhof war ein Ort des Grauens und des Todes“

Mönchengladbach · Bei einer Feierstunde am Rathaus Abtei erinnerte Oberbürgermeister Felix Heinrichs auch an die Deporatation von Juden in Mönchengladbach. Bald soll eine Gedenktafel an die Fassade des Hauptbahnhofes kommen.

 Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Leah Floh, und OB Felix Heinrichs enthüllen die Gedenktafel.

Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Leah Floh, und OB Felix Heinrichs enthüllen die Gedenktafel.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

Am 9. November 1938 brannte auch die Synagoge an der Blücherstraße nieder. Wegen des Umbaus der Stadtbücherei fand das diesjährige Gedenken an die Reichspogromnacht nicht am Mahnmal, sondern im Innenhof des Rathauses Abtei statt. Felix Heinrichs nahm den Ort zum Anlass, um über die Rolle von Staat und Behörden unter einem menschenverachtenden Regime zu sprechen. Auch im Rathaus Abtei seien Entscheidungen über Tod und Leben gefallen, auch in Mönchengladbach Synagogen zerstört und Menschen jüdischen Glaubens gedemütigt worden. Er sei erschüttert, wie peinlich genau seinerzeit erfasst, überprüft und Amtshilfe geleistet wurde. „Formal juristisch hatte alles seine Ordnung, und so sparten sich viele das Nachdenken“, hob der Oberbürgermeister hervor. 

Zu Beginn der Feier hatte er mit der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Leah Floh, eine Gedenktafel enthüllt, die bald einen Platz an der Fassade des Hauptbahnhofes bekommen soll. Von dort aus seien mehr als 500 jüdische Bürger in Vernichtungslager deportiert worden, von denen nur knapp 50 die Schoa überlebten. „Mich schaudert, dass unser Bahnhof ein Ort des Grauens und des Todes war“, so Heinrichs. Er sei stolz, im Innenhof trotz Kälte, Dunkelheit und Corona so viele Menschen zu sehen, die mit ihrem Kommen zeigten, dass sich die Schrecken von damals nicht wiederholen dürfen.

„Es gibt kaum noch Täter und Opfer. Die Augenzeugen verlassen uns. Wer beantwortet unsere Fragen?“, sage Floh. Sie bezeichnete die Pogromnacht als Beginn des Genozids an sechs Millionen Juden in Europa. Die jüdische Gemeinde zähle noch 125 Schoa-Überlebende, die ein Leben lang am posttraumatischen Belastungssyndrom leiden.

Es werde oft über das blühende jüdische Leben in Deutschland gesprochen, doch wie sei das möglich, wenn der Weg zum Gottesdienst von schwer bewaffneten Polizisten begleitet werden müsse? Die Integration jüdischen Lebens sei bisher ohne Erfolg. Stattdessen gebe es Parallelgesellschaften, Vorurteile und keine akzeptablen kulturellen Öffnungen. „Es wird sich nichts ändern, wenn wir alle keine persönliche Verantwortung spüren, wegschauen und sich einzelne für privilegiert halten“, so die Gemeindevorsitzende. Sie beklagte eine Rückkehr des Antisemitismus in Deutschland und Europa.

Mit Blick auf die in diesem Jahr renovierte und eingeweihte Synagoge forderte sie auf: „Zwölf Jahre lang haben die Nationalsozialisten alles getan, um jüdisches Leben zu vernichten. Wir sind immer noch da und wollen bleiben. Wir hoffen, dass sie das auch wollen. Zeigen Sie das für das Leben“.

Nach ihren Worten reihte sich Floh in den jüdischen Chor ein. Geiger Francis Norman bereicherte die Feierstunde mit einfühlsamen Improvisationen. In Erinnerung an die Toten stimmte Rabbiner Yitzhak Hönig das Gebet der Totenklage „El Male Rachamim“ an und fügte in den Gesang die Namen von Konzentrationslagern ein.

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