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Lehrer-Kolumne Was passieren kann, wenn Kinder nicht selbst zur Schule gehen dürfen

Mönchengladbach · Wenn Eltern ihrem Nachwuchs jeden Stein aus dem Weg räumen, geht das selten gut. Das zeigt das Beispiel von Emil – meint Lehrer Felix Nattermann in unserer Kolumne.

 Ein Vater bringt seinen Sohn zur Schule. (Symbolbild)

Ein Vater bringt seinen Sohn zur Schule. (Symbolbild)

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Es klopft. Ich unterbreche meine Worte, die ich gerade an meine Klasse richte. Die Schülerinnen und Schüler der 5A schauen gespannt zur Tür. Ein Oberstufenschüler öffnet die Tür und schiebt Emil (Name geändert) in die Klasse. „Gehört dieser Schüler zu Ihnen?“, fragt der Oberstufenschüler. Ich nicke. Emil läuft stillschweigend an mir vorbei zu seinem Platz. Fast 20 Minuten zu spät. Der Oberstufenschüler berichtet, dass er Emil im Foyer der Schule aufgegriffen hat. Dort stand der Fünftklässler einfach herum und tat nichts. Was war passiert?

Emil hat eine Raumänderung nicht mitbekommen und stand so vor einem abgeschlossenen Raum und ging darauf ins Foyer, wo seine Problemlösekompetenzen endeten. Er wusste nicht mehr weiter und blieb einfach stehen. Er kam nicht auf die Idee, zum Lehrerzimmer oder zum Sekretariat zu gehen, einen vorbeigehenden Schüler oder Lehrer zu fragen, nochmals auf den Plan zu schauen oder einfach nur seinen Klassenraum aufzusuchen. Nein, er blieb einfach stehen.

Felix Nattermann Lehrer am Gymnasium am Geroweiher

Felix Nattermann Lehrer am Gymnasium am Geroweiher

Foto: Deutscher Lehrerpreis/Sebastian Semmer

So etwas passiert leider immer öfter. Eltern räumen mit besten Absichten ihrem jungen Nachwuchs jeden Stein, jede Herausforderung, jede Chance auf eigene Lebenserfahrung aus dem Weg. Sie dürfen als Erstklässler nicht mehr selber ihren Schulweg meistern, nicht mehr auf Bäume klettern, draußen nicht mehr mit Freunden rumtoben und auch nicht mehr ihre eigenen Konflikte austragen. Heute wird alles bestens kontrolliert und über die Köpfe der Kinder hinweg für sie entschieden. So zwingen wir die Kinder in eine Welt des Konsumierens.

Dabei ist es egal, ob sie Zuhause, in der Schule oder im Verein immer brav gesagt bekommen, was sie machen sollen oder ob sie vorm Handy, Computer oder der Playstation sitzen, die in aller Regel ebenfalls nur konsumiert werden. Kinder brauchen Freiräume. Freiräume, wo sie selber für sich verantwortlich sind, selber Risiken abwägen müssen, mal etwas wagen und sich mal ausprobieren können. Vereine, Schule und das Elternhaus zusammen müssen solche wichtigen Räume wieder schaffen.

Felix Nattermann ist Lehrer in Mönchengladbach am Gymnasium am Geroweiher und Autor von „Gebt den Kindern die Verantwortung zurück“.

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