Interview mit Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath „Neue Mehrheiten“ gegen die A 1-Stelze

Leverkusen · Das Corona-Jahr hat für Leverkusens Stadtchef einen Wahlsieg, aber auch Rückschläge gebracht. Ein Gespräch über die Pandemie, den Autobahnausbau und den 60. Geburtstag.

 Uwe Richrath mag seinen Garten auch im Winter. Hier fühlt er sich frei, kann durchatmen und auf die Schutz-Maske verzichten. Ein klares Ja kommt auf die Frage, ob er sich impfen lässt.    

Uwe Richrath mag seinen Garten auch im Winter. Hier fühlt er sich frei, kann durchatmen und auf die Schutz-Maske verzichten. Ein klares Ja kommt auf die Frage, ob er sich impfen lässt.   

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Das Corona-Jahr geht zu Ende. Gab es einen besonders schlimmen Moment, ein persönliches Erlebnis, an das Sie sich erinnern?

Uwe Richrath Ich erinnere mich an den Tag im Frühjahr, an dem wir erstmals die starken Kontaktbeschränkungen für Leverkusen erlassen mussten, die das Leben stark eingeschränkt haben. Das war sehr einschneidend, aber notwendig.

Was fehlt Ihnen derzeit am meisten?

Richrath Ich bin 60 Jahre alt, und mir fehlt das gesellschaftliche Leben. Die Vereine, die Feste, das habe ich immer gerne gemacht. Ich brauche die persönliche Nähe, denn ich bin ein geselliger Mensch. Doch arbeiten wir daran, dass wir die Infektionszahlen runter bekommen und dass sich etwas ändert. Uns ging es immer darum, die Risikogruppen zu schützen und die Zahl der Todesfälle möglichst gering zu halten, denn jeder Tote ist einer zu viel.

Was war für Sie das schönste Ereignis 2020? Ihre Wiederwahl zum Oberbürgermeister im September?

Richrath Na sicher. Wenn man sich zur Wiederwahl stellt und dann ein so großes Vertrauen erhält, das war ein herausragender Moment.

Was haben Sie gedacht, als Sie von der Absicht des Bundesverkehrsministers erfahren haben, die zu erneuernden Autobahnstrecken auf den Leverkusener Trassen sämtlich oberirdisch zu führen?

Richrath Ich war sehr enttäuscht. Ich habe das nicht für möglich gehalten. Es gab eine klare Position der Stadt und der Landesregierung, die Stelze zu beenden. Die Kommune und das Land haben das ausführlich begründet. Doch stieß das auf Ignoranz. Wir wollten die Belastungen der Stadt durch den Tunnel senken. Es gab breite Rückendeckung aus dem Stadtrat für eine unterirdische Führung. Die Entscheidung aus Berlin denkt nicht in die Zukunft, sie ist rückwärts gewandt. Bundesverkehrsminister Scheuer weiß offenbar nicht, was die Menschen in Großstädten benötigen – nämlich Lebensqualität, denn sie wohnen hier an der Autobahn. Das ist eine rein fiskalische Entscheidung.

Ist noch was zu retten?

Richrath Wir leben in einer Demokratie, Beschlüsse können rückgängig gemacht werden. Es hängt von Mehrheiten ab. Nichts ist für die Ewigkeit gemeißelt. Die Planungen gehen bis hinein in die 2040er Jahre. Wir müssen also neue Mehrheiten zusammenbekommen, damit solche Planungen nicht Wirklichkeit werden, wir müssen sie beerdigen.

Sie sind ein Neujahrskind, Jahrgang 1961. Am 1. Januar feiern Sie runden Geburtstag. Was ändert sich mit 60?

Richrath Ich habe eine andere Ziffer an erster Stelle meiner Lebensjahrzahl. Sonst verändert sich nicht viel. Ich liebe meine Frau, freue mich über meine Familie und meine Freunde. Ich bin ein „glücklicher Sechziger“ und bin froh, dass ich die Stadt weiter gestalten kann, und das in einer einzigartigen Zeit.

Der Impfstoff soll bald kommen. Würden Sie sich impfen lassen?

Richrath Auf jeden Fall. Ich habe Vertrauen in die Wissenschaft. Das Verfahren wurde beschleunigt, doch ist die Sicherheit hoch. Es ist die einzige Möglichkeit, die Pandemie in den Griff zu bekommen, so dass wir uns bald wieder frei bewegen können und die Wirtschaft ans Laufen bekommen. Ohne das wird es schwer, Arbeitsplätze zu sichern. 

2020 ist Ihnen mit der Senkung der Gewerbesteuer ein politischer Coup gelungen. Wie hat sich das bisher ausgewirkt? Wie steht die Stadt finanziell da?

Richrath Ich habe immer gesagt: Das 250-Punkte-Programm ist ein Wachstumsprogramm. Wir haben 100 Millionen Euro Gewerbesteuer eingenommen und liegen damit 35 Millionen Euro unter dem Soll. Das liegt aber an der Pandemie. Ohne Corona hätten wir das Ziel erreicht. Es ist ein Signal für die Zukunft. Wir werden mehr Wirtschaftskraft nach Leverkusen holen. Wir haben mit dem Chempark den größten Industriepark Europas. Ich habe große Hoffnung, dass wir die Zielmarke erreichen. Die Gewerbesteuersenkung ist auch ein Impuls für die kleinen und mittleren Betriebe, bei uns zu investieren und Rentabilität zu erwirtschaften. Wir geben diesen Betrieben Liquidität für ihre Entwicklung.

Sie sind auf fünf Jahre gewählt. Was sind Ihre Pläne für die Nach-Corona-Zeit?

Richrath Leverkusen als wirtschaftlich interessanten Standort zu erhalten, aber auch als Wohnstandort. Dazu gehört eine soziale Infrastruktur wie Kitaplätze und die Schulbausanierung, ebenso die Digitalisierung von Lernsystemen. Wir werden enger zusammenrücken müssen, doch fehlt uns der Platz. Zudem sind wir eine Sportstadt und auf Meisterschaftskurs in der Fußball-Bundesliga. Es geht aber auch um den Breitensport. Wir wollen alle Vereine mit Kunstrasen ausstatten. In der Kultur wollen wir das Konzept des Schlosses weiter abarbeiten und das Museumsprojekt vorantreiben.

Was ist Ihr größter Wunsch für 2021?

Richrath Natürlich, dass wir die Pandemie hinter uns lassen. Dass wir zusammenhalten in einer schwierigen Zeit und in Leverkusen möglichst wenige Opfer zu beklagen haben.

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