Video-Installation beim Kunstverein Saug-Roboter und Digitalisierung

Leverkusen · In den Schloss-Remisen zeigt Johanna Reich eine Video-Installation über die Entwicklung des Menschen und die Sprachverwirrung 2.0.

 Johanna Reich  konstruiert Wirklichkeit als eine Form von Illusion. In den Remisen geht es um den medial vereinnahmten Alltag.

Johanna Reich  konstruiert Wirklichkeit als eine Form von Illusion. In den Remisen geht es um den medial vereinnahmten Alltag.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Projektionsflächen mit bewegten Bildern streiten um die Aufmerksamkeit der Besucher im Halbdunkel der Galerie des Kunstvereins Leverkusen, die Johanna Reich für ihre mehrteilige Video-Installation „All the World’s a Frame“ genutzt hat. Immerhin werden sie im Raum verteilte trockene Äste und Treibholzstücke als Naturmaterialien wahrnehmen, die Anker sind in einer zunehmend digitalisierten Realität, deren Vorzüge alle nutzen möchten, ohne sie wirklich zu verstehen.

Weder die mikroskopische Aufnahme noch die Bedeutung der komplizierten Berechnung werden die Besucher wirklich erfassen. Aber darum geht es Johanna Reich nicht, wenn sie sich und dem Betrachter die Grundsatzfrage stellt: Was bedeutet es, (heute) Mensch zu sein? Die Verwirrung ist groß, wenn mit wachsender wissenschaftlicher Erkenntnis neue Probleme und Fragen aufgeworfen und ethisch-moralisch bewertet werden müssen. Dazu kommt die Sprachverwirrung 2.0 in Form von Schlagzeilen und Tweets, die im Sekundentakt wechseln, meist schneller, als man sie lesen oder begreifen kann. In dieser Ausstellung sind es Schriftzüge, die über Wände, Ausstellungsstücke und Personen wandern. Nach dem Zufallsprinzip sorgen Beamer dafür, die in den beiden Räume auf je einen Saug-Roboter geschnallt sind. Jene Haushaltshelfer, die ihrerseits Nutzen des Fortschritts hinterfragen, wenn sie an die Füße der Besucher stoßen und dann die Richtung wechseln.

Doch mit ihnen dreht sich die Nachricht, das Zitat weg, das eben noch im Blick war. Man kann irre werden beim Bestreben, möglichst alles mitzubekommen und zu verstehen – wie im richtigen Leben, wo das Handy permanent Nachrichten bringt, sich Bilder, Beleuchtung und Dauerbeschallung Aufmerksamkeit holen. Für Reich ist es die Abwandlung eines Shakespearezitats, in dem das Leben mit einer Bühne und die Menschen mit Darstellern verglichen werden. Bei ihrer Schau „All the World’s a Frame“ steckt alles nebeneinander.

Auf die Skepsis, dass die aktuelle Entwicklung zu einem guten Ende führen kann, antwortet sie im hinteren Raum durchaus nicht hoffnungslos. Auch er ist verdunkelt, neben den „sprechenden“ Saug-Robotern arbeitete die Künstlerin wieder mit Videoarbeiten. Eine zeigt die zunehmende Verflechtung von Information. Die zweite ist so still wie ansprechend. Vor Ammoniten an der Wand bewegen sich Schattenfiguren der Künstlerin, die das Gestein zu erforschen scheinen. Sie sei glücklich über die Freiheit, die ihr der Kunstverein zum Arbeiten ließ, betont Reich, unterstützt durch die Stiftung Sparda-West.

Vernissage Do, 23. Januar, 19.30 Uhr; geöffnet: 26. Januar bis 1. März Fr 13-17, Sa+So 11-17 Uhr (an Karneval zu), 1. März, 11 Uhr: Gespräch mit der Künstlerin, Adresse: Remisen, Schloss Morsbroich, G.-Heinemann-Straße 80.

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