Leverkusen 2030 „Autogerechte Stadt nicht mehr die Antwort“

Leverkusen · Der Verkehr nimmt stetig zu. Baudezernentin Andrea Deppe über Konzepte gegen den drohenden Kollaps.

 Baudezernentin Andrea Deppe wagt einen Blick in die Zukunft.

Baudezernentin Andrea Deppe wagt einen Blick in die Zukunft.

Foto: Bernd Bussang

Drei Autobahnen, Einflugschneise, Gleise und Rhein: Ist Leverkusen nur eine Durchfahrtsstadt? Wie kann man die Situation für die Bevölkerung verbessern?

Andrea Deppe Die Situation auf den Autobahnen muss man überregional betrachten. Aber wir haben auch innerhalb der Stadt die Verkehre, und das ist ein Thema, das wir angehen müssen. Bei dem anderen sind wir ein Teil, da müssen wir sicherlich mitarbeiten. Das passiert ja über den Städtetag, über die Politik im Landtag. Aber was in unserer Stadt passiert, darauf haben wir Einfluss.

Wenn wir erstmal beim Autoverkehr bleiben. Autozulassungen sind auf dem Höchststand, die Nachfrage nach SUVs ist ungebremst. Wie realistisch ist die Mobilitätswende?

Deppe Ich glaube, dass sie erzwungenermaßen realistisch ist. Wenn wir uns die Zahlen angucken, dann werden es in der Tat immer noch immer mehr Fahrzeuge. Aber sind das wirklich Fahrzeuge, oder sind es nicht Stehzeuge irgendwann? Denn die Flächen, die wir haben, sind ja nicht weiter zu entwickeln. Wir haben einfach nicht mehr Flächen. Im Gegensatz zu früher, wo wir neue Straßen bauen konnten, größere Straßen, sind wir an unsere Grenzen gestoßen

Könnten Sie sich vorstellen, um zumindest den inneren Bereich von Leverkusen zu entlasten, an strategischen Punkten riesige Park & Ride Parkplätze zu bauen und nur noch sehr begrenzt Autos überhaupt in die Stadt zu lassen?

Deppe Ich glaube, dass man das Thema differenziert angehen muss. Wir müssen schauen, welche Wege können wir zu Fuß gehen, welche können wir mit dem Fahrrad machen, welche Wege können und müssen wir sogar mit dem Auto machen? Und wenn wir das Auto nehmen, welches Auto ist es denn? Carsharing oder privates Carsharing. Und es wird sicherlich Bereiche geben, wo wir irgendwann sagen müssen, da kann nicht jeder zufahren mit dem Auto.

Was bedeutet das?

Deppe Dann muss ich den ÖPNV stärken. Wenn ich den stärken will, brauche ich Flächen. Ich brauche Flächen für den Fußgänger, für den Radfahrer und ich brauche Flächen für den ÖPNV. Und da ich nicht mehr Flächen habe, muss ich umschichten.

Was braucht es dafür?

Deppe Wir brauchen einen ganzen Strauß. Den gibt es noch nicht ganz komplett. Und das ist das Problem: Ich muss auf der einen Seite etwas wegnehmen für den Autoverkehr und kann nicht sofort das Optimale bieten. Aber am Ende muss stehen, dass wir eine lebenswertere Stadt haben. Da kommt der Moment, wo man Mobilität eigentlich nicht alleine sehen kann.

Sondern?

Deppe Wenn wir immer mehr Menschen werden und dafür Flächen brauchen, dann brauchen wir auch Flächen als Aufenthaltsflächen im öffentlichen Raum. Wir brauchen mehr Flächen für den Klimaschutz, wenn wir Bäume pflanzen wollen, wenn wir Grünflächen haben wollen. Dann ist die autogerechte Stadt nicht mehr die richtige Antwort.

So gesehen, ist es sinnvoll, dass die Autobahnen immer weiter ausgebaut werden und neue Rastplätze entstehen? Man weiß ja schon jetzt, dass es trotzdem nicht ausreichen wird.  Müsste man nicht ganz klar sagen, wir stecken das Geld jetzt nicht mehr in diese Erweiterungen, sondern sagen: Alternativen müssen her.

Deppe Das ist es, was Verkehrsplaner als erstes lernen. Mache ich größere Fahrbreiten, mache ich es einfacher für den Nutzer, umso mehr Verkehr erzeuge ich. Das haben wir aber die letzten Jahrzehnte gemacht, aber jetzt sind wir eben an dem Punkt, wo wir sehen: Das wird nicht mehr funktionieren. Wir haben die Fläche nicht mehr.

Man kann die schönsten Ideen haben, aber wenn die Leute es nicht wollen, dann wollen sie es nicht.

Deppe Das mit dem Wollen ist so eine Sache. Ich denke schon, dass es ein Stück weit erzwungen wird aufgrund der Situation. Wenn ich ständig im Stau stehe oder keinen Parkplatz mehr habe, dann kommt ja der Druck in einem selber, wie gehe ich damit um. Selbst wenn wir nichts machen würden, als Planer würde der Druck immer höher. Wir versuchen ja nur die Antworten zu finden, auch wenn wir uns damit unbeliebt machen. Weil die Leute immer noch im Kopf haben, ihr müsst nur was anderes planen, dann fährt auch mein Auto wieder. Aber das wird nicht mehr funktionieren.

Es geht um Leverkusen im Jahr 2030. Können Sie sich vorstellen, dass in 2030 das Problem gelöst ist, dass sie quasi angekommen sind?

Deppe Ich glaube, dass man in einer Stadt nie angekommen ist. Wir entwickeln diese Stadt weiter, und das wird immer so sein. Ich bin mir sicher, dass wir in zehn Jahren Verkehr schon ganz anders leben.

Voraussetzung, man hat schnelles Internet: Könnten Digitalisierung und Home Office den Verkehr nicht enorm entlasten?

Deppe Das macht es so schwierig. Ich kann Themen nicht einzeln betrachten. Es gibt nicht das Thema Mobilität ohne das Thema Klimaschutz oder Digitalisierung oder veränderte Arbeitsplätze. Wir hatten die Industrialisierung, wir haben jetzt die Digitalisierung. Das ist ein kompletter Wandel für unser Leben.

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