Nach Vorstellung von Missbrauchsstudie Werner Thissen verliert Ehrentitel in Münster

Kleve/Münster/Hamburg · Fünf Monate nach der Vorstellung einer Missbrauchsstudie hat der Münsteraner Bischof Felix Genn dem aus Kleve stammenden früheren Hamburger Erzbischof Werner Thissen (83) seinen Titel als Ehrendomkapitular entzogen.

Der aus Kleve stammende Werner Thissen.

Der aus Kleve stammende Werner Thissen.

Foto: dpa

Der Geistliche habe als Generalvikar und Weihbischof in Münster „schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch gemacht“, teilte Genn mit. „Dieser Schritt erfolgte nicht zuletzt auch aufgrund einer Initiative von Betroffenenseite.“ Werner Thissen ist in Kleve geboren und aufgewachsen, anschließend besuchte er das Collegium Augustinianum Gaesdonck.

Thissen werde sich zu dem Vorgang nicht äußern, teilte das Erzbistum Hamburg auf Anfrage der Katholischen-Nachrichten Agentur (KNA) mit. Er hatte bereits 2019 in einem Interview des Münsteraner Online-Portals kirche-und-leben.de schwere Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen eingeräumt. Es sei falsch gewesen, „überzogen und unrealistisch“, auf die Therapierbarkeit von Tätern vertraut und kaum mit Opfern Kontakt gehabt zu haben, sagte er damals. Thissen war ab 1986 Generalvikar und ab 1999 Weihbischof im Bistum Münster; von 2003 bis 2014 war er Erzbischof von Hamburg.

Die Missbrauchsstudie der Universität Münster war im Juni vorgestellt worden. Sie zählt im Bistum Münster zwischen 1945 und 2020 insgesamt 196 Beschuldigte und 610 Betroffene. Die Wissenschaftler werfen den Vorgängern Genns vor, für eine „klerikale Vertuschungsgeschichte“ verantwortlich zu sein. Auch Thissen wird in der Studie kritisch erwähnt.

Genn hatte nach Vorstellung der Studie ein breites Maßnahmenpaket gegen Missbrauch und Machtmissbrauch angekündigt. „Es wurde schon einiges auf den Weg gebracht; es gibt aber hier und da Schwierigkeiten in der Umsetzung; und es bleibt noch viel zu tun“, erklärte er am Freitag.

Vier Missbrauchsfälle seien noch einmal überprüft worden. Ein Verfahren sei im Vatikan eingestellt worden, weil sich kein konkreter Vorwurf habe feststellen lassen. Ein zweites Verfahren werde derzeit noch im Bistum überprüft und anschließend nach Rom weitergeleitet. Über die Abgabe an den Vatikan werde in einem dritten Fall aus dem Jahr 1974 derzeit beraten. Der Beschuldigte sei 85 Jahre alt und übe keine priesterlichen Dienste mehr aus. Ein vierter Fall werde durch einen externen Kirchenrechtler geprüft.

Genn hat laut Mitteilung zwei Kirchenrechtler beauftragt, Regeln für eine neue Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bistum Münster zu formulieren. Zudem solle in Kürze gemeinsam mit dem Bistum Osnabrück ein unabhängiges Forschungsprojekt zu geistlichem Missbrauch auf den Weg gebracht werden. Zum weiteren Umgang mit Missbrauch erklärte der Bischof: „Es wäre gut, den Staat künftig stärker zu beteiligen und bei der Aufarbeitung mit in die Pflicht zu nehmen.“

Am Freitag kam zudem in einem Bericht des „Westfälischen Anzeigers“ in Hamm Kritik am Bistum Münster auf. Der Diözese seien seit 2019 Vorwürfe gegen einen 2004 gestorbenen Priester bekannt gewesen; die Pfarrei aber sei nicht informiert worden. Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, begründete dies laut Zeitung unter anderem mit fehlenden Personalressourcen und einer Vielzahl von Fällen.

(lukra/KNA)
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