Gebeutelte Branche Wie der Mindestlohn in der Gastro ankommt

Kleverland · Die Bundesregierung hat fürs neue Jahr eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro versprochen. Wie reagiert die zuletzt gebeutelte Gastronomie auf die Pläne? Wir haben uns bei Dehoga und NGG am Niederrhein umgehört.

 Durch die geplante Mindestlohn-Erhöhung auf zwölf Euro könnten im Kreis Kleve auch Beschäftigte in der Gastronomie profitieren.

Durch die geplante Mindestlohn-Erhöhung auf zwölf Euro könnten im Kreis Kleve auch Beschäftigte in der Gastronomie profitieren.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Seit dem 1. Januar des noch jungen Jahres beträgt der gesetzliche Mindestlohn 9,82 Euro brutto in der Stunde. Zum 1. Juli soll er um weitere 63 Cent auf dann 10,45 Euro steigen – so die aktuelle Gesetzeslage. Laut den im Koalitionsvertrag festgehaltenen Plänen der Ampel-Koalition soll bald jedoch ein weitaus größerer Schritt in der Anpassung des Mindestlohn-Niveaus erfolgen. Zwölf Euro will die Koalition für Arbeitnehmer, und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte schon am Tag der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler eine schnelle Gesetzesvorlage für die Erhöhung an.

Im Kleverland haben wie überall in der Corona-Pandemie Restaurants, Cafés und Kneipen gekämpft – mit ausbleibenden Gästen, Auflagen und fehlendem Personal. Wie kommen die Pläne zur Erhöhung des Mindestlohns in der Gastronomie an? Thorben Schröder leitet mit seiner Ehefrau Anette Opgenoorth den Landgasthof Westrich in Bedburg-Hau, spricht als Dehoga-Vorsitzender im Kreis Kleve aber auch für viele andere Gastronomen. Er sagt: „Ich sehe das Ganze relativ entspannt. Wir sind nicht im Krisenmodus.“ Er befürchte keine größere Gefahr für Gastronomen, Angestellte in Zukunft nicht mehr bezahlen zu können. „Die angekündigte Steigerung ist zwar höher als sonst, aber das war absehbar.“

Auf die bereits seit einer Weile gefassten Pläne der neuen Bundesregierung sei man vorbereitet gewesen. Man müsse allerdings mit Maß steigern, und: Für viele Betriebe ändere sich gar nicht viel. „Dehoga-Tarifverträge sind ohnehin nie am unteren Lohnniveau gewesen“, sagt Schröder. „Es wird einzelne, kleine Betriebe geben, für die die Lohnsteigerung eine höhere Belastung bedeutet.“ Insgesamt sehe er die Steigerung auf zwölf Euro als konsequente Folge der gestiegenen Lebenshaltungskosten. Auch die Preiskalkulationen auf den Speisekarten der Gastronomen stiegen ja um einige wenige Prozentpunkte an.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Nordrhein begrüßt das Lohnplus. „Die versprochene Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro ist ein Meilenstein. Damit werden in der Region die Einkommen vieler Beschäftigter deutlich steigen – insbesondere in Hotels, Gaststätten, Bäckereien oder Fleischereien“, sagt Karim Peters, der seit Ende vergangenen Jahres neuer Chef der NGG Nordrhein ist. Damit kümmert er sich eigenen Angaben zufolge um die Interessen von insgesamt 17.800 Menschen im Gastgewerbe und von 10.700 Beschäftigten in der Ernährungsindustrie am Niederrhein. Peters, der gelernter Industriekaufmann ist, fordert die Ampel-Koalition auf, die Erhöhung des Mindestlohns rasch auf den Weg zu bringen: „Ziel von SPD, Grünen und FDP muss es sein, den 12-Euro-Stundenlohn in den ersten ‚100 Ampel-Tagen‘ hinzubekommen.“

Einer Analyse des Pestel-Instituts in Hannover zufolge würden allein im Kreis Kleve rund 30.500 Menschen davon profitieren – immerhin 22 Prozent aller Beschäftigten, rechnet die NGG vor. Dem Institut zufolge würde auch die Kaufkraft im Kreis Kleve um rund 47 Millionen Euro pro Jahr steigen und den Unternehmen höhere Umsätze bescheren. „Jeder Euro, den Mindestlohn-Beschäftigte am Monatsende extra haben, fließt in den Konsum. Ein Großteil davon wird vor Ort ausgegeben. Beim Restaurant- oder Kinobesuch – oder, um etwas Neues für den Haushalt anzuschaffen“, erklärt Peters. Eine kräftige Anhebung der Lohnuntergrenze sei nicht zuletzt auch mit Blick auf die derzeit hohe Inflationsrate wichtig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort