Kiesabbau in Kamp-Lintfort So wird der Kies-Bedarf im Land errechnet

Kamp-Lintfort · Der Landtagsabgeordnete stellte im Landtag eine kleine Anfrage zur Auskiesung und erfuhr Überraschendes.

 Die Bürger wehren sich gegen die Kiesabbau im Wickrather Feld. Es würde dort eine wichtige Kulturlandschaft zerstört.

Die Bürger wehren sich gegen die Kiesabbau im Wickrather Feld. Es würde dort eine wichtige Kulturlandschaft zerstört.

Foto: Anja Katzke

Herr Schneider, im Entwurf des Regionalplans Ruhr drohen Ihrer Heimatstadt Kamp-Lintfort drei neue Auskiesungsflächen mit einer Gesamtgröße von 160 Hektar. Sie haben als SPD-Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag jetzt dazu eine kleine Anfrage gestellt. Mit welchem Ziel?

René Schneider Für mich rankt sich alles um die Frage, wie viel Sand und Kies man eigentlich benötigt, um den Bedarf zu decken. Ich wollte wissen, wer genau diesen Bedarf ermittelt und wie das vonstattengeht. Für mich ist das eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Die Antwort, die ich erhalten habe, hat mich sehr überrascht.

Inwiefern?

Schneider Ich bin davon ausgegangen, dass sich der Bedarf nach dem Verbrauch unter anderem in der weiterverarbeitenden Industrie richtet. Überspitzt gesagt, gibt aber die Kiesindustrie die Menge vor, die in unserer Region abgegraben wird. Die Bedarfsermittlung erfolgt auf der Grundlage eines landeseinheitlichen Abgrabungsmonitorings. Der Geologische Dienst erfasst dabei den Fortschritt des Rohstoffabbaus nach Flächen und Volumen. Für mich heißt das nichts anderes, als dass gemessen wird, was die Kiesindustrie aktuell ausbaggert. Und das ist dann hochgerechnet der Bedarf. Ich finde, dass man es sich mit dieser Rechnung sehr einfach macht.

Was läuft aus Ihrer Sicht falsch?

Schneider Naja, wenn man aus der Froschperspektive auf Nordrhein-Westfalen guckt, stellt man fest, dass jede Planungsbehörde ausschließlich zielscharf auf ihre jeweilige Planungsebene schaut. Das heißt: Dort, wo schon die größte Dichte an Kiesindustrie besteht, werden die Planungen einfach fortgeschrieben. So etwas muss man aber landeseinheitlich betrachten. Meine Befürchtung ist, dass wir in zehn bis 15 Jahren vor dem Wickrather Feld stehen wie heute vor dem Hambacher Forst.

Im Wickrather Feld hat sich der Bürgerprotest formiert. Die IG Dachsbruch ist sehr aktiv. Wie kann die Interessengemeinschaft die Ergebnisse Ihrer Anfrage im weiteren Verfahren nutzen?

Schneider Man sollte das Abgrabungsmonitoring als Grundlage für die Bedarfsermittlung zumindest hinterfragen. Es ist in erster Linie eine juristische Frage, und ich hoffe, dass wir hier eine Möglichkeit gefunden haben, das Thema anzupacken. Ziel muss es sein, den Landesentwicklungsplan ins Wanken zu bringen. Drei Punkte müssen verhindert werden: der Wegfall der Konzentrationsflächen, die Verlängerung von 20 auf 25 Jahre und die Reserveflächen. Sand und Kies sind endliche Ressourcen. Wir sollten lieber darüber nachdenken, wie wir mit weiterer Auskiesung umgehen wollen.

Was stellen Sie sich vor?

Schneider Wir müssen auch über einen Ausstieg aus der Kiesindustrie nachdenken. Die geförderten Mengen könnten beispielsweise jedes Jahr um einige Prozentpunkte verringert werden. Gleichzeitig muss aber die Recycling-Quote steigen. Die Kiesunternehmer sind insofern gefragt, dass sie alternative Baustoffe entwickeln.

Einzelne Kiesunternehmer und auch Vertreter des zuständigen Branchenverbandes haben erklärt, gar nicht so sehr an einer Auskiesung im Wickrather Feld interessiert zu sein.

Schneider Wenn ich im Geschäft an der Fleischtheke stehe und die Wahl zwischen Filet und Hüfte habe, wähle ich auch das Filet. Ich glaube gern, dass das Wickrather Feld nicht die erste Wahl der Kiesindustrie ist. Am Ende wird sie die Fläche aber doch für sich beanspruchen. Das ist schlicht und einfach ihr Geschäft.

Die Kiesunternehmer sind auf die Städte zugegangen, um einvernehmliche Lösungen zu suchen. War es richtig, dass die meisten Bürgermeister abgesagt haben?

Schneider Erster Ansprechpartner in diesem Verfahren ist ganz sicher nicht die Kiesindustrie. Das sind die Landesbehörden. Wie gesagt: Es darf doch nicht entscheidend sein, was die Produzenten wollen, sondern was die Verbraucher benötigen. Selbstverständlich sollten die Städte und Gemeinden in Gesprächen mit der Industrie stehen, aber nicht am Anfang einer Planung. Ich werde eine Einwendung gegen den Entwurf des Regionalplans und die Änderung des Landesentwicklungsplans schreiben.

Und was wird darin stehen?

Schneider Dass Kamp-Lintfort umwelttechnisch über die Jahrzehnte gebeutelt wurde: durch den Bergbau, die Giftmülldeponie Eyller Berg sowie die Müllverbrennungsanlage Asdonkshof. Durch die neuen Auskiesungsflächen wäre Kamp-Lintfort regelrecht von Kiesgruben umzingelt. Irgendwann reicht es aber für eine Stadt.

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