Worum geht es bei den Protesten im Hambacher Forst?
Die Protestaktionen, Demonstrationen, Klagen und die Besetzung des Waldes haben alle ein Ziel: den letzten Rest des Hambacher Forst zu erhalten. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Darum setzen sich die Aktivisten für den Erhalt ein
Zum einen gehören zum Baumbestand des Hambacher Forst Jahrhunderte alte Eichen und Buchen. „Es handelt sich um die mit Abstand größte Eichen-Hainbuchenwaldfläche innerhalb der atlantischen biogeographischen Region Deutschlands“, schreibt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Zum anderen leben im Hambacher Forst zahlreiche geschützte Tierarten. Dazu zählen unter anderem die Bechsteinfledermaus, der Springfrosch, die Haselmaus und der Mittelspecht. Weiter kommt der Hambacher Forst als sogenanntes Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet in Betracht, berichtet die Zeitschrift Geo.
Nicht zuletzt argumentieren die Umweltaktivisten: Es darf kein weiterer kostbarer Wald für die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung geopfert werden. „Allein die nahegelegenen Kraftwerke schleudern jährlich 80 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Luft und damit ein Zehntel der gesamtdeutschen Emission. Und die Schonung von Wäldern als grüne Kohlenstoffsenken spiele eine bedeutende Rolle beim Kampf gegen den Klimawandel“, schreibt Geo weiter.
Darum geht der Protest immer noch weiter
Überzeugt hat es die Politik viele Jahre lang nicht. Aber: Im Januar 2020 beschloss die Bundesregierung nicht nur den Ausstieg aus der Kohleenergie bis 2038, sondern auch, dass der Hambacher Forst erhalten bleibe und nicht für den Tagebau gerodet werde. Ein voller Erfolg, freute sich Greenpeace damals. Doch der Jubel hielt nicht lange an. Statt dessen gehen die Protestaktionen weiter. Der BUND klagt erneut vor Gericht, der Wald ist immer noch besetzt und sogar ehemalige Mitglieder der Kohlekommission empören sich in einer Stellungnahme, wie die Politik mit dem Wald umgeht, berichtet die Zeitschrift Geo. Denn auch wenn er nicht gerodet wird, ist der Fortbestand des Hambacher Forst nach Ansicht von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern weiter stark gefährdet .
Hintergrund ist folgender: Gemäß der Leitentscheidung zum künftigen Braunkohleabbau im Rheinischen Revier, die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung unter Armin Laschen beschlossen wurde, darf RWE noch weitere 600 Hektar Fläche östlich des Hambacher Waldes auf zwei Sohlen abbaggern, um dort Materialien für den Böschungsaufbau im Restloch zu gewinnen. Und damit hat der Konzern bereits begonnen. Bis auf 50 Meter darf an den Waldrand gebaggert werden. Eine Studie belegt jedoch, dass ein Abstand von bis zu 500 Metern erforderlich ist, um den Wald zu retten. Denn um die Funktionen des Waldes langfristig zu erhalten, müsse er sich mit den umliegenden Restwäldern verbinden. Baggert RWE jedoch wie vorgesehen rund um den Hambacher Forst weiter, ist diese Vernetzung nicht möglich.
Das zweite Problem heißt Hitze: Der Boden im Baggerloch habe sich im Sommer 2018 auf bis zu 45 Grad Celsius aufgeheizt, heißt es in einer Studie, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat. Die Temperaturdifferenz zwischen dem kühlen Wald und dem ungeschützten Boden habe bis zu 22 Grad betragen. Und schon heute zeige sich, dass viele Bäume am Rand des Hambacher Forst diesem Hitze-Stress nicht „gewachsen“ sind und absterben. Rückt das Braunkohleloch noch näher an Hambi heran, werden noch mehr Bäume dieser Hitze zum Opfer fallen.
Hinzu kommt Problem Nummer drei: Trockenheit. Für den Kohleabbau wird Grundwasser abgepumpt. Die Schäden durch das fehlende Wasser seien bereits jetzt im ganzen Wald allgegenwärtig, berichtet ein Baumbesetzer der Augsburger Allgemeinen. „An der Abbruchkante sterben die Bäume zuhauf“, erzählt er. Einen weiteren Grundwasserverlust, durch weiteres Abbaggern könne der Hambacher Forst nach seiner Einschätzung nicht überleben.
Er setzt seinen Protest aber auch aus einem ganz anderen Grund fort: Um die Entschädigungszahlung in Millionenhöhe an die Betreiber der Kohlekraftwerke für das vorzeitige Abschalten der Kraftwerke zu verhindern. Die Konzerne hätten schließlich gewusst, welche gigantischen Umweltschäden sie anrichten und was der Kohleabbau für die Menschen in der Region bedeute. Dafür dürfen sie nicht auch noch belohnt werden, sondern müssten stattdessen selbst eine Entschädigung für die Umweltschäden zahlen.
Welche unterschiedlichen Positionen gibt es beim Streit um den Hambacher Forst?
Eine völlige andere Ansicht als die Umweltaktivisten vertritt der Energiekonzern RWE. Vor allem aus finanziellen Gründen. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner verwies Konzernchef Rolf Martin Schmitz 2018 darauf, dass sein Unternehmen einen Verlust von vier bis fünf Milliarden Euro machen werde, wenn der Hambacher Forst stehen bliebe. Weiter argumentiert der Konzern, dass die Kohle gebraucht werde, um die Grundversorgung mit Elektrizität zu sichern. 2018, als der BUND einen Rodungsstopp beantragt hatte, erklärte Schmitz in einem Schreiben an die Kohlekommission: „Eine vorübergehende Aussetzung der geplanten Rodung im Tagebau Hambach würde bereits kurzfristig die Fortführung des Tagebaus und damit die Stromerzeugung der Kraftwerke Niederaußem und Neurath in Frage stellen.“ Einer Ansicht, der sich der damalige Ministerpräsident Armin Laschet vorbehaltlos anschloss. Die Einschätzung erwies sich jedoch als falsch. Die Rodung blieb aus und es kam zu keinerlei Engpässen bei der Stromversorgung.
Aktuell gibt es aber vor allem unterschiedliche Positionen rund um die Räumung des Waldes 2018. „Anlass für den neuen Konflikt ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln, das den mehrwöchigen Polizeieinsatz (geschätzte Kosten: 50 Millionen Euro) gegen Waldbesetzer und Baumhaus-Bewohner im September für rechtswidrig erklärt hatte“, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Das Gericht stellte fest, die Landesregierung habe 2018 ihre Sorge um den Brandschutz im Wald nur vorgeschoben, um die Räumung juristisch zu rechtfertigen.
Ein Urteil, dass die Stadt Kerpen, die die Räumung auf Anweisung des Landes durchführen musste, akzeptieren wollte. Mit knapper Mehrheit hatte der Stadtrat entschieden, keine Berufung zu beantragen. Damit will sich Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) jedoch nicht abfinden. Sie wies die Stadt an, gegen das Urteil vorzugehen. Und ein Sprecher der Stadt Kerpen erklärte gegenüber der SZ, dass die Stadt dieser Aufforderung auch Folge leisten werde.
Sprecher von SPD und Grünen warfen der schwarz-gelben Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vor, die damalige Räumung weiterhin "mit juristischen Winkelzügen" und "Holzhammer-Methoden" zu rechtfertigen. „Anstatt einzugestehen, dass die Räumung des Hambacher Waldes illegal war, heizt sie den Konflikt erneut an“, kritisiert die Grünen-Politikerin Antje Grothus das Vorgehen Scharrenbachs.
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