„Tag der deutschen Einheit“ in Kaarst Festrednerin rechnet mit der DDR ab

Kaarst · Beim Festakt zum Tag der deutschen Einheit in der Rathaus-Galerie hat Edda Schönherz die ehemalige DDR kritisiert.

 Festrednerin Edda Schönherz hat Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus und den weiteren Gästen beim Festakt in der Rathaus-Galerie ihre Eindrücke aus der ehemaligen DDR geschildert.

Festrednerin Edda Schönherz hat Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus und den weiteren Gästen beim Festakt in der Rathaus-Galerie ihre Eindrücke aus der ehemaligen DDR geschildert.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

„Frauen in der DDR“: Unter dieser Überschrift stand der Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in der Kaarster Rathaus-Galerie. Festrednerin war Edda Schönherz. Was sie zu sagen hatte, berührte zutiefst und stand in krassem Gegensatz zu den Stimmen, die verharmlosend sagen, in der DDR war nicht alles schlecht. Schönherz machte deutlich, dass die DDR für Menschen mit kritischem Verstand sehr schnell zum Albtraum werden konnte – zu einem Albtraum, den sie selbst erlebt hat.

Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus sprach von „einem Tag, der uns erinnern und mahnen möchte“. Zum Festprogramm gehörten die musikalischen Einlagen von drei Frauen des Kaarster Kammerorchesters: Irmgard Platen (Geige), Beate Tuisel (Bratsche) und Dorothea Seifert (Cello) spielten unter anderem „Divertimento Nr. 101 in C-Dur, „Allegro“ von Joseph Haydn. Dass es nicht unbedingt ein „Divertimento“ – also ein Vergnügen – war, in dem Arbeiter- und Bauernstaat zu leben, ging aus dem Vortrag von Schönherz hervor. Die 74-Jährige, die als Fernsehansagerin zeitgleich mit der Einführung des Farbfernsehens auf den Bildschirmen der DDR fast täglich zu sehen war, eckte 1974 mächtig an. Ihr Vergehen, das ihr drei Jahre Zuchthaus ohne jeglichen Kontakt zu ihren Kindern Annette und René einbrachte: Sie hatte sich im Rahmen eines Ungarn-Urlaubs bei den Botschaften der USA und der Bundesrepublik Deutschland nach Ausreisemöglichkeiten erkundigt.

Nach der Haft bot man ihr einen Job als Hilfskraft in einer Großbäckerei an. Ihr Credo: „Auch wenn im Prozess der Deutschen Einheit Fehler gemacht wurden, darf man das DDR-Unrecht nicht schön reden.“ Für Schönherz muss die Frage skurril klingen, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen ist: „Die Täter haben auf der Menschenwürde herumgetrampelt, es gab mehr als 250.000 politische Häftlinge, 33.775 von ihnen wurden gegen West-Mark an die BRD verkauft – ein moderner Sklavenhandel“, sagte sie. Gemeinsam mit ihren beiden Kindern wurde Schönherz freigekauft. Sehr bald schon war sie im BRD-Fernsehen präsent. Das SED-Unrecht habe auch dazu geführt, dass hunderttausende begabter junger Menschen kein Abitur machen und nicht studieren durften. Was die Festrednerin bitter beklagte: „Keiner der Verantwortlichen hat jemals Worte der Entschuldigung gefunden.“ Stattdessen sei von Rache und Siegerjustiz gefaselt worden. Hortplätze seien dazu genutzt worden, Kinder zu SED-Mitgliedern zu erziehen.

Florian Delmes (15), Lea Fehrs (17) und Johanna Krieger (16) vom Georg-Büchner-Gymnasium hielten einen kurzen Vortrag über die Rolle der Frau in der DDR. Das Ergebnis des Schülerprojekts: Die Gleichberechtigung konnte nicht, wie vom Staat propagiert, umgesetzt werden. 92 Prozent der Frauen waren voll berufstätig, aber zusätzlich zu ihrem Job mussten sie die Familie managen und alle Hausarbeiten erledigen. Immerhin: Die Antibabypille gab es gratis und Schwangerschaftsabbrüche waren problemloser möglich als in der BRD.

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