Hückeswagens Partnerstadt Etaples im Dezember Aufatmen bei Frankreichs Fischern

>Etaples · Die Verhandlungen zum Brexit hingen auch an den Fischereirechten. Vor allem französische Fischer sind darauf angewiesen, weiterhin vor Englands Küste fischen zu können.

 Französische Fischer löschen ihre Ladung. Sie haben große Befürchtungen, was die Folgen des Brexits betrifft.

Französische Fischer löschen ihre Ladung. Sie haben große Befürchtungen, was die Folgen des Brexits betrifft.

Foto: Bornkessel/Borwnkessel

Je näher Weihnachten rückte, desto größer wurden die Sorgen jener Menschen in Etaples und Umgebung, die ihren Lebensunterhalt mit Fischfang und Fischverkauf verdienen. Denn auch über die künftige Entwicklung dieses Wirtschaftszweiges sollte in den Brüsseler Verhandlungen zum Brexit noch vor Jahresende Einigung erzielt werden. Dessen Zentrum ist Boulogne-sur-Mer, der größte Fischereihafen Frankreichs und etwa 30 Kilometer von Hückeswagens Partnerstadt entfernt. Anfang Dezember war Premierminister Jean Castex nach Boulogne und Calais gereist und hatte sich die Nöte der Fischer angehört. „Sie haben gesagt, sie hätten unsere Sorgen verstanden“ – mit deutlichen Worten wandte sich Xavier Bertrand, Präsident des Regionalrates Hauts-de-France, damals an den Staatschef. „Aber wir wollen endlich wissen, woran wir sind“, zitiert ihn die Zeitung „La Voix du Nord“ in ihrer Ausgabe vom 4. Dezember. Aber der blieb ihm zu diesem Zeitpunkt die Antwort schuldig, Castex reiste nach Paris zurück: Außer Spesen nichts gewesen – die Frustration an der Küste war groß.

Der Premierminister hatte bei den Fischern im Hafen Loubet keine gute Figur gemacht. Denn anders als hierzulande ist das Schicksal der Berufsfischer in Frankreich – wie auch in England – ein nationales und sehr emotional besetztes Thema. Die Häfen von Boulogne und Calais wären nach einem harten Brexit ohne Regelungen vom Verlauf der Fischfanggebiete und von künftigen Zugangsrechten besonders betroffen: Im Ärmelkanal grenzt das britische Fischereirevier dicht an den europäischen Kontinent. Um in die EU-Gewässer, etwa jene rund um das EU-Mitgliedsland Irland zu gelangen, können die französischen Boote nicht ohne weiteres die englischen Gewässer durchqueren. Die Briten saßen in den seit Jahren andauernden Verhandlungen bei weitem nicht am längeren Hebel: Denn es geht nicht nur um den Fang auf See, sondern auch um die Verarbeitung an Land. Da auf der Insel weniger Menschen Fischprodukte konsumieren als etwa in Frankreich, muss das Vereinigte Königreich große Mengen seiner Fänge nach Europa exportieren, darunter auch Räucherwaren wie Lachs aus Zuchtfarmen. Ein Teil des Fischfangs der EU-Staaten wird zudem im schottischen Peterhead auktioniert und von dort aus nach Boulogne transportiert, um hier im Industriegebiet Capécure verarbeitet zu werden.

An Heiligabend kam dann doch noch die so lange erwartete Einigung zustande: Die Fischer der EU erhalten weiterhin Zugang zu den britischen Fischereirevieren. Das wird zunächst für fünf Jahre gestattet, und in dieser Spanne muss deren Fangmenge schrittweise um 25 Prozent reduziert werden. Danach sollen EU und Großbritannien über neue Fangquoten verhandeln. Bis Ende Februar muss das EU-Parlament dieser Regelung zugestimmt haben, eine Zusage der Parlamentarier in London heute, Mittwoch, vorausgesetzt.

Auf den Booten im Fischereihafen von Boulogne-sur-Mer herrschte an den Weihnachtstagen große Erleichterung. Ein Geschenk aus Brüssel, verpackt in letzter Minute? Die Politiker in der Region Hauts-de-France haben immer wieder versichert, dass es für den Arbeitsmarkt an der Küste auch einen Plan B gegeben hätte, um die Folgen eines harten Brexits zu mindern. Die Rede ist vom Ausbau des Boulogner Hafens mit einem Reparaturdock. Vor allem aber setzt man hier auch auf Fischproduktion in Aquakulturen. Das wäre kein schlechtes Projekt angesichts der Überfischung der Meere, wenn eine alte Tradition wie der Fischfang auf offener See im Zuge neuer Abkommen immer wieder infrage gestellt wird.

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