Interview Willi Endresz CDU will viele Meinungen integrieren

Hückeswagen · Der CDU-Vorsitzende spricht über Ideologien innerhalb der Parteienlandschaft und die Derbheit der Sprache.

 Der Ortsvorsitzende der CDU, Willi Endresz.

Der Ortsvorsitzende der CDU, Willi Endresz.

Foto: CDU

In zwei Rückblenden hatte die BM an Ereignisse erinnert, bei denen die CDU als Partei viel Kritik einstecken musste. Am 11. November 1968 kam es zu einer ideologischen Auseinandersetzung zwischen der 68er-Bewegung und Altvorderen der Christdemokraten. Im Januar 1979 musste man sich in einem Leserbrief die Frage von Jürgen Löwy gefallen lassen, wie man denn mit Andersdenkenden umgeht. Kurz zuvor war Marie-Luise Recknagel aus der Fraktion ausgeschlossen worden, da sie bei einer Stadtdirektorwahl für den parteilosen Oppositionskandidaten Hans-Jürgen Pauck gestimmt hatte. Ob diese beiden Ereignisse eventuell miteinander zu tun haben und wie Jahrzehnte später ein CDU-Repräsentant diese bewertet, darüber sprach die BM mit Willi Endresz, seit 2007 Vorsitzender des CDU Hückeswagen.

Wenn Sie die Ereignisse mit nun zeitlichem Abstand betrachten, wie bewerten Sie diese?

Endresz Ich kann mir das heute in der Form nicht mehr vorstellen. Vor allem habe ich im Zusammenhang mit der Wahl von Hans-Jürgen Pauck die Geheimniskrämerei nicht verstanden. Offenbar wollte man taktisch vorgehen. Da der Kandidat nicht direkt von den Bürgern, sondern vom Rat gewählt wurde, war es damals nicht üblich, ihn vorher ausgiebig bekannt zu machen und zu werben.

Nun steht die grundsätzliche Frage im Raum: Wie geht man mit Andersdenkenden um?

Endresz Jetzt kann ich nur für die CDU sprechen: Grundsätzlich gibt es bei uns keinen Fraktionszwang. Natürlich versuchen wir, zwecks Zielerreichung einheitlich aufzutreten, vor allem bei wichtigen Entscheidungen. So erwarten wir von möglichen Andersdenkenden, dass sie uns vorher Bescheid geben, damit der Fraktionsvorsitzende in der Ratssitzung nicht überrascht wird

Nun waren die Leute der 68er-Bewegung auch Andersdenkende, vor allem im ideologischen Sinn. Gibt es diesen ideologischen Kampf im Hinblick auf die Linke heute noch?

Endresz Die Bewegung hat damals natürlich auf dem Land ordentlich Staub aufgewirbelt. Meiner Beobachtung nach ist heute der ideologische Kampf gegen die Linke eher untergeordnet, vor allem auf kommunaler Ebene, wo meistens sachlich argumentiert wird. Natürlich ist es gut, wenn politische Gruppierungen für mehr Sozialleistungen eintreten. Den finanziellen Spielraum erwirtschaften wir alle gemeinsam, indem Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Steuern den Staat dazu in die Lage versetzen. Der Staat darf aber dafür nicht dauernd neue Schulden aufnehmen, das verbietet die Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen. Hinzu kommt, dass einige Linke noch leibhaftig die DDR kennen. Offenbar wird vergessen, mit welcher Brutalität das Regime seinerzeit handelte. Mich regt es nicht auf, wenn die Linke eine große Anhängerschaft hat. Wenn aber die Freiheit des Individuums beschnitten wird, ist für mich eine Grenze erreicht.

Wie bewerten Sie denn überhaupt Bewegungen dieser Art, sei es auf bundespolitischer Bühne oder auf kommunaler?

Endresz Besonders mit Blick auf die Ereignisse beim Martinszug ist für mich immer noch und immer wieder denkbar, dass die Leute auf die Straße gehen. Das Beispiel „Protest gegen die Grundsteuer B-Erhöhung“ ist in etwa vergleichbar. Solche Gruppen bilden sich spontan, meistens über die sogenannten Sozialen Medien. Wenn das Thema dann aus ihrer Sicht positiv erledigt ist, sind die Gruppen wieder weg. Und wenn dann andere sehen, dass man damit Erfolg hat, ahmen sie das natürlich nach. Auch die heutige Medienlandschaft trägt dazu bei. Früher war die Bevölkerung alleine auf Zeitung, Radio oder Fernsehen angewiesen, das heißt die Informationen flossen nicht so schnell wie heute, und vieles lief über Mundpropaganda. In den nun interaktiven Medien können sie solche Bewegungen sprichwörtlich aus dem Boden schießen zu lassen.

Wie erklären Sie sich denn die sehr harte Rede von Alfons Koppelberg, der mit der damaligen VHS-Führung so ins Gericht ging?

Endresz Man ist in dieser Zeit verbal anders miteinander umgegangen. Heute gibt es dafür den Begriff „political correctness“. Durch dieses ungeschriebene Gesetz werden viele Meinungsäußerungen abgeschwächt und verwischt, so dass der Wähler die Parteien nicht mehr unterscheiden kann und fragt: Was soll ich wählen? Damals hat man klar die Fronten zwischen den Parteien abgesteckt, indem vereinfachend schwarz-weiß argumentiert wurde. Auch die Befragungstechnik der Journalisten trägt dazu bei. Es wird extrem hartnäckig nachgebohrt, obwohl klar ist, dass man nichts sagen will, vor allem dann nicht, wenn in Partei oder Fraktion noch keine verkündbaren Beschlüsse gefasst wurden. Dann wird die Aussage unbestimmt.

Das heißt also, dass die Derbheit der Sprache oder das verdecken von internen Konflikten und Entscheidungsprozessen, eben nicht typisch CDU sind?

Endresz Ja. Nehmen wir das Beispiel der internen Konflikte, wir haben hier ein ganz normales soziales Verhalten vorliegen. Jede Organisation regelt so etwas erst intern. Selbst in der Verwandtschaft macht man das. Und wenn dann doch etwas rauskommt, wird es eben von den Medien ausgeschlachtet. Das will man natürlich vermeiden.

Bleibt immer noch die Frage: Wie gehen Sie denn nun mit Außenseitern um?

Endresz Grundsätzlich gibt es kein Patentrezept. Es gibt keine Arbeitsverträge nach Arbeitsrecht, wie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in denen der Umgang miteinander klar geregelt ist. In einer Partei wird das „Miteinander“ der Mitglieder durch eine Satzung bestimmt, in der das Werkzeug des Parteiausschlussverfahrens enthalten ist. Dieses stellt jedoch eine hohe Hürde dar, wie ich selbst in einem Fall in einem anderen Ortsverband feststellen konnte. Es kommt dabei immer auf die Charaktere an. Wir sind als CDU eine Volkspartei mit vielen Strömungen und haben auch den Anspruch, möglichst viele Meinungen zu integrieren. Andere Meinungen müssen möglich sein.

Das Interview führte Norbert Bangert

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort