Amtsgericht Liebeswahn bringt Frührentner vor Gericht

wiehagen · Ständige Nachstellungen eines Nachbarn sind für eine Frau zur Qual geworden. Jetzt stand der Stalker vor Gericht.

 Ein 48-jähriger Mann musste vor Gericht, weil er eine jüngere Frau belästigte.

Ein 48-jähriger Mann musste vor Gericht, weil er eine jüngere Frau belästigte.

Foto: picture alliance / dpa

Für einen Hückeswagener (48) war es der Traum von einer Liebesbeziehung, den er irgendwann mit der Wirklichkeit verwechselte. Für die 20 Jahre jüngere Frau, um die sich seine Wahnvorstellungen drehten, wurde es zum Alptraum. Sie erstattete Anzeige gegen den Mann, die nun zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wipperfürth führte. Der Anklagevorwurf: Nachstellung. Das ist der Fachbegriff für das, was allgemeinen „Stalking“ genannt wird.

Die Anklage basierte auf einem Vorfall im August 2017 in Wiehagen: Der nun angeklagte Frührentner hatte von seinem Balkon aus Fotos von der 28-jährigen Frau gemacht, die ein Stockwerk tiefer auf dem Balkon ihrer Wohnung ein Sonnenbad nahm und nur mit einem Bikinihöschen bekleidet war. Die Frau, die sich schon länger von dem Mitbewohner im Haus belästigt fühlte, bemerkte das und rief die Polizei. Die Beamten kamen, löschten die Fotos von der Digitalkamera des Mannes, und das Ermittlungsverfahren nahm seinen Lauf.

Ja, er habe die intimen Fotos von der jungen Frau gemacht, gab der Angeklagte im Prozess zu, was ohnehin nicht zu leugnen war. Er habe geglaubt, er dürfe das: „Wir waren doch zusammen und sind das eigentlich immer noch.“ Tatsächlich waren beide nie ein Paar, wie sich in der Verhandlung herausstellte. Die Beziehung zwischen beiden hatte es nur in seinen Fantasien gegeben. Weil er selbst die irgendwann als Wirklichkeit annahm, legte er ihr Geschenke vor die Tür, passte sie immer wieder im Treppenhaus ab, lief hinter ihr her. „Ich habe Angst vor ihm“, sagte die 28-Jährige.

Das versetzte den Angeklagten sichtlich in Rage. Bei einem wütenden Zwischenruf wurde sein Realitätsverlust erneut deutlich: „Die ist psychisch krank. Einmal in der Woche sagt sie mir, dass sie mich liebt – und jetzt behauptet sie hier so was. Die gehört unter Betreuung.“ Tatsächlich hatte es früher schon einmal zur Debatte gestanden, den Frührentner unter Betreuung zu stellen. Der eigene Vater und auch seine Schwester wollten das, weil sie überzeugt sind, dass der 48-Jährige wegen geistiger und psychischer Probleme professionelle Hilfe im Alltag braucht. Er selbst hatte die Betreuung jedoch abgelehnt.

Auch vor diesem Hintergrund stellte sich nun vor Gericht die Frage nach seiner Schuldfähigkeit, der sich selbst keiner Schuld bewusst zu sein schien. Die Antwort könnte nur ein Gutachter nach eingehender Untersuchung des Mannes geben. Deshalb entschied sich das Gericht im Einvernehmen mit der Staatsanwältin zu einer Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen.

Nachdrücklich redete der Richter dem Hückeswagener aber ins Gewissen: „Diese Frau wollte und will nichts von Ihnen. Das müssen Sie endlich akzeptieren. Lassen Sie die Frau in Ruhe!“ Sollte es noch einmal Strafanzeigen wegen Nachstellung geben, drohe die Unterbringung in der Psychiatrie. „Gut, dann bin ich jetzt eben lieb!“ Ob er verstanden hat, was der Richter ihm mit auf den Weg gab und was die Verfahrenseinstellung für ihn bedeutet, blieb zweifelhaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort