Auftakt zur Interkulturellen Woche in Hückelhoven „Ist die Menschheit noch zu retten?“

Hückelhoven · Bei der Auftaktveranstaltung der Interkulturellen Woche äußert Landrat Stephan Pusch seine Sorge über menschenverachtende Tendenzen und Kriege. In Hückelhoven leiste man einen wichtigen Beitrag für das Miteinander.

 Impression von der Auftaktveranstaltung zur zehnten interkulturellen Woche im C-Gebäude des Gymnasium Hückelhoven. Kejsi Ago (19 Jahre) ist seit sieben Jahren dabei, hier unterhält sie sich mit Schulleiter Arnold Krekelberg und Thorsten de Haas (li., 2. Begeordneter der Stadt Hückelhoven).

Impression von der Auftaktveranstaltung zur zehnten interkulturellen Woche im C-Gebäude des Gymnasium Hückelhoven. Kejsi Ago (19 Jahre) ist seit sieben Jahren dabei, hier unterhält sie sich mit Schulleiter Arnold Krekelberg und Thorsten de Haas (li., 2. Begeordneter der Stadt Hückelhoven).

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Zehn Jahre Interkulturelle Woche: Mit einem Rückblick und musikalischen Beiträgen gestalteten Schülerinnen und Schüler des Hückelhovener Gymnasiums mit ihren Lehrern die gut besuchte Auftaktveranstaltung. Landrat Stephan Pusch, der wieder die Schirmherrschaft übernommen hatte, zeigte sich betroffen von der aktuellen Situation. „Die Frage ist, ob die Menschheit noch zu retten ist“, sagte er. Mitten in Europa gebe es einen russischen Angriffskrieg, mit menschenverachtenden Aussagen wie „wir löschen die Ukraine aus“ knüpfe man an die dunkle Zeit des NS-Regimes unter Adolf Hitler an. „Die Menschheit fällt in die Barbarei zurück“, so Pusch. „Wir machen Kniefälle bei Despoten, um Gas zu bekommen und im Winter nicht im Kalten hocken zu müssen.“

Einen Lösungsansatz sieht er nur im Kleinen, wenn jeder bei sich selbst anfange. In seiner mittlerweile 20-jährigen Amtszeit habe er nicht solche Krisen erlebt wie seit dem Corona-Ausbruch. „Die Riesenherausforderungen im Moment sind nicht einfach, aber wir sollten jetzt nicht resignieren.“

Viele Hückelhovener setzten sich für ihre Mitmenschen ein, zeigten Solidarität, seien bereit, Stellung zu beziehen und gegen Fremdenfeindlichkeit aufzutreten, unterstrich der Zweite Beigeordnete Thorsten de Haas, der Bürgermeister Bernd Jansen vertrat. „Wir alle sind weiterhin gefordert, den Übeln des Antisemitismus und Rassismus die Stirn zu bieten.“ Die Interkulturelle Woche leiste, so de Haas weiter, einen wichtigen Beitrag für das Miteinander der Menschen in der Stadt Hückelhoven sowie im Kreis Heinsberg. Auf diese Weise könne man mehr voneinander erfahren, Missverständnisse könnten ausgeräumt und der Reichtum, den kulturelle Vielfalt biete, entdeckt werden.

Birgit Fluhr-Leithoff als Sprecherin des Arbeitskreises, der die Interkulturelle Woche organisiert, betonte, wie wichtig das offene Miteinander sei. „Offen geht! Vielfalt verbindet!“ lautet das beziehungsreiche Motto der zahlreichen Veranstaltungen wie Autorenlesungen, ein antirassistisches Fußballturnier, Moscheeführungen oder Podiumsdiskussionen im gesamten Kreisgebiet. „Bilder von Zerstörung und Gewalt, Flucht und Lebensgefahr erschüttern, machen betroffen“, sagte Fluhr-Leithoff. Für ein friedliches Miteinander in einer offenen Gesellschaft einzutreten, Brücken zu suchen und sich nicht der Spaltung hinzugeben, sei der Auftrag der Mitwirkenden bei der Interkulturellen Woche.

Religionslehrerin Annelore Hecker erinnerte an das Projekt „Zusammen leben – zusammen wachsen“, für das Menschen, die seit den 1960er Jahren zur Zeche Sophia-Jacoba kamen, vor zwei Jahren ihre Geschichte erzählt hatten. Die enge Verknüpfung zwischen Interkultureller Woche und Gymnasium komme nicht von ungefähr, erklärte Schulleiter Arnold Krekelberg. „Wir leben die Interkulturelle Woche jeden Tag an unserer Schule, wo die Begegnung unterschiedlicher Kulturen stattfindet und das Miteinander gelingt.“ Das Gymnasium sei von Anfang an maßgeblicher Mitplaner und Mitgestalter gewesen.

Kejsi Ago flüchtete mit ihrer Familie aus Albanien, fand ein neues Zuhause in Kleingladbach. Inzwischen hat die 19-Jährige ihr Abitur in Hückelhoven bestanden, sie wird in wenigen Tagen ihr Jurastudium in Marburg aufnehmen. Seit sieben Jahren engagiert sich die junge Frau im Vorbereitungsteam der Interkulturellen Woche. Sie berichtete, wie sie sich anfangs als Schülerin der sogenannten Internationalen Vorbereitungsklasse gefühlt hat: unsicher, fremd, einsam. Inzwischen ist aus Kejsi Ago eine selbstbewusste Frau geworden. Sie möchte Rechtsanwältin werden, anderen Menschen helfen. „Es war lange unklar, ob wir hierbleiben konnten. Immer wenn wir einen Aufenthaltsbescheid hatten und ich dachte, dass nun alles gut ist, kam eine Aufforderung zur Ausreise“, erinnerte sie sich an die schwierige Zeit.

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