Ausflugstipps Mit dem Rad über den Rhein

Emmerich/Rees · Viele Radtouren in der Region sind auf Fähren angewiesen. Dank der gestiegenen Zahl an E-Bikes erleben sie derzeit einen Boom.

Foto: scholten

Hätte es die Finanzkrise im Jahr 2007 nicht gegeben, säße Daniel de Raaf heute vielleicht im Finanzamt, wäre in Excel-Tabellen vertieft und müsste wütende Steuerzahler besänftigen. Stattdessen quert der 39-Jährige von 10 bis 19 Uhr immer wieder den Rhein zwischen Reeser Promenade und Reeserschanz, blickt auf Stadtmauer, Kirchtürme und den Mühlenturm und in die zufriedenen Gesichter von Tagestouristen, Radfahrern und Kindern, für die eine Fahrt mit dem „Rääße Pöntje“ ein Höhepunkt des Tages ist.

„Vor 15 Jahren war eins von zehn Fahrrädern ein E-Bike, heute ist es umgekehrt“, sagt Daniel de Raaf und nennt den boomenden Markt der elektrisch betriebenen Räder einen „Sechser im Lotto“ für den Familien- und Fährbetrieb: „Fahrradfahren ist in, weil es auch weniger anstrengend geworden ist. Vor 20 Jahren war man mit Gazelle und Drei-Gang-Schaltung der König, machte einmal im Jahr eine 30-Kilometer-Tour und hat dann einen Haken dran gemacht. Heute fahren die Leute fast jeden Tag lange Strecken.“

            Fährbetrieb zwischen Rees und Reeserschanz um das Jahr 1925.

Fährbetrieb zwischen Rees und Reeserschanz um das Jahr 1925.

Foto: scholten

Der 30-Kilometer-Klassiker führt von Rees über Xanten nach Bislich und wieder nach Rees, dabei werden das „Rääße Pöntje“ sowie die „Keer Tröch II“ zwischen Xanten und Bislich genutzt. Für Anfänger und Familien mit Kindern empfiehlt Daniel de Raaf die 18-Kilometer-Strecke Rees-Grieth mit Nutzung der Fähren „Rääße Pöntje“ und „Inseltreue B“. Die Rheinbrücke ist dabei keine Konkurrenz: „Es gibt Leute, die einfach Angst haben mit dem Fahrrad die Brücke zu überqueren, außerdem überwiegt bei der Fährfahrt der Spaß an der Freude. Die Leute haben keinen Zeitdruck und sie genießen den Blick auf die Rheinpromenade.“

Der Rhein vor Rees ist 300 Meter breit. Weitere 200 Meter fährt das „Rääße Pöntje“ zum Anleger in der Flutmulde. Das 54 Millionen Euro teure Jahrhundertprojekt, das die Reeser Rheinpromenade vor der Urgewalt des Rheins schützen soll, wäre fast der Todesstoß für den Fährbetrieb gewesen. „Die Stadt Rees hat sich sehr für die Fähre eingesetzt“, sagt Daniel de Raaf, „andernfalls wären wir ersatzlos gestrichen worden.“ Er sieht in der Fähre eine „Visitenkarte für die Stadt“, gibt an Bord viele gute Tipps für Restaurants und Sehenswürdigkeiten und kommt kaum hinterher, neue Rees-Broschüren auszulegen.

Auch Heinz Hell, Stiefvater von de Raaf und Kapitän der „Inseltreue B“ zwischen Grieth und Grietherort, ist sich der touristischen Bedeutung seiner Fähre bewusst: „Egal ob das Restaurant Nass oder die Gastronomie in Grieth, auch Kalkar, Kleve, Goch und die vielen Gaststätten im Hinterland profitieren von uns“, sagt der 71-Jährige, der sich ein Leben ohne den Rhein nicht vorstellen kann: „Die Schifffahrt ist mein Leben!“

Hell hat keine Ahnung, wie oft er in den letzten 28 Jahren vom linken Rheinufer zum rechten und wieder zurück gefahren ist. Aber er hat sich die vielen Lebensgeschichten eingeprägt, die ihm Passagiere während der kurzen Fahrten erzählt haben. Zum Beispiel der alte Kapitän, der ehebedingt in Australien lebt und alle fünf Jahre in die Schweiz fliegt, um den Rhein von der Quelle bis zur Mündung zu Fuß abzulaufen.

Passagiere, die freundlich fragen, dürfen den Kapitänen über die Schulter schauen. Computer sucht man vergebens. „Ich blicke nach links, nach rechts und wieder nach links, als wenn ich über die Straße gehen will“, erklärt Daniel de Raaf. „Da ich im Winter selbst die großen Pötte fahre, kann ich genau einschätzen, wie schnell die anderen Schiffe zu Tal fahren. Und hoch genauso. Wenn Schubschiffe vorbeikommen, bleibe ich lieber eine Minute länger im Strom liegen und warte ab, bis die Wellen vorbei sind.“ Die Passagiere wissen das durchaus zu schätzen: „Mir hat noch nie einer gesagt: Gib’ mal Gas, ich muss rüber! Die Leute sind ja gern auf der Fähre.“

Bei Bedarf kann de Raaf mit seinen zwei Funkgeräten, die verbindlich an Bord sein müssen, Kontakt zu den anderen Kapitänen auf dem Rhein aufnehmen. Ein kurzer Plausch mit Michael van Laak, der mit dem Schubschiff Kohle zwischen Rotterdam und Duisburg fährt, gehört vor Rees zum Pflichtprogramm. „Der Rhein ist ein Dorf“, weiß auch Heinz Hell, der zu jedem Schiff auf dem Rhein eine Geschichte kennt und diese gern mit seinen Fahrgästen teilt.

Die „Inseltreue B“ will Heinz Hell noch lange fahren: „Ich bin da genau wie mein Cousin Rudi Hell. Der ist jetzt 82 und wird seinen Aalschokker erst verlassen, wenn er 1,80 Meter tiefer liegt.“ Auch Daniel de Raaf sieht sich noch Jahrzehnte auf der Reeser Fähre: „Ob das auf diesem Schiff passieren wird, ist angesichts der Diskussionen über Diesel und Abgase nicht sicher. Aber ich bin fest entschlossen, mit diesem Job in Rente zu gehen.“

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