Schuldenbremse in NRW Zweite Verfassungsklage wegen der Notlage in NRW

Düsseldorf · SPD und FDP verklagen den Landtag wegen des chaotischen Gesetzgebungsverfahrens zur Notlage. Von dem Organstreitverfahren erhoffen sie sich ein Urteil, das die Rechte der Abgeordneten stärkt.

 Die Fraktionschefs Thomas Kutschaty (SPD, l.) und Henning Höne (FDP).

Die Fraktionschefs Thomas Kutschaty (SPD, l.) und Henning Höne (FDP).

Foto: dpa/David Young

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag hat innerhalb weniger Wochen bereits das zweite Verfahren rund um die Ausrufung der Notlage und damit die Umgehung der Schuldenbremse in NRW angestrengt. Nach der inhaltlichen Überprüfung lassen SPD und FDP nun auch das parlamentarische Zustandekommen vom Verfassungsgerichtshof in Münster beurteilen. In einem selten chaotischen Haushaltsverfahren hatte Schwarz-Grün mit der eigenen Mehrheit am 20. Dezember die Notlage kurz nach Sitzungsbeginn auf die Tagesordnung setzen lassen. Die Parlamentarier hatten nach Angabe von FDP-Fraktionschef Henning Höne gerade einmal 26 Minuten Zeit, um sich mit dem komplexen Antrag vertraut zu machen.

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte am Freitag vor Medienvertretern: „So etwas Dilettantisches wie im letzten Jahr, das habe ich in 18 Jahren im Parlament noch nie erlebt – handwerklich miserabel, kommunikativ blamabel und politisch absolut indiskutabel.“ Einem ordnungsgemäßen demokratischen Verfahren sei Schwarz-Grün in keiner Weise gerecht geworden. „So kann man mit Abgeordneten nicht umgehen. Der Landtag ist ein Gesetzgebungsorgan und kein Notariatssekretariat. Das lassen wir uns auch so einfach nicht bieten.“ In dem Verfahren seien die Parlamentsrechte aller Abgeordneten massivst verletzt worden.

FDP-Fraktionschef Höne sprach von einem besorgniserregenden Trend: „Je größer und je weitreichender die Beschlüsse und ihre Folgen sind, desto schneller werden die Entscheidungen getroffen, desto weniger wird auf das eigentliche Beratungsverfahren Wert gelegt.“ Man wolle zurück zu geordneten Verfahren, nicht als Selbstzweck und nicht um Dinge zu verzögern.

Höne übte scharfe Kritik auch an Landtagspräsident André Kuper (CDU). Von ihm hätte er sich eine andere Rolle gewünscht- „nämlich eine, wo er das Parlament gestärkt hätte und bei dem Beratungsverfahren auch entsprechend darauf hingewirkt hätte.“

Durch die Kurzfristigkeit habe es keine Möglichkeit gegeben, zum Beispiel bei externen Experten oder Verbänden anzurufen, um sich ein Feedback einzuholen, um die eigene Meinungsfindung zu unterstützen. „Diese Möglichkeiten müssen Abgeordnete, müssen Fraktionen aus meiner Sicht zwingend haben, mit Experten selber zu sprechen oder im Falle des Falles auch einfach nur mal das Verfahren zu googeln“, sagte Höne. Das sei bewusst von der Landtagsmehrheit missachtet worden, „weil man hier Fakten schaffen wollte. Damit ist aus meiner Sicht ein Schaden an unserem demokratischen Verfahren, an der demokratischen Kultur entstanden“, so der FDP-Fraktionschef.

Der Münsteraner Jura-Professor Hinnerk Wißmann sagte, es handele sich bei der neuen Klage „nicht um die kleine Schwester des ersten Hauptverfahrens, sondern mindestens um einen gleichberechtigten Zwilling“. Die Frage, die mit ihr erörtert werde, gehe weit über die Vorgänge im Dezember 2022 hinaus. Es gehe um eine funktionierende Gewaltenteilung. Es sei wichtig, dass sich das Parlament nicht herumschubsen lasse. Der Panik-Modus sei im Grunde zu einem neuen Normalfall geworden, so Wißmann. „Und das kann wenigstens dort nicht richtig sein, wo Dinge seit Langem absehbar sind.“ Man werde nun der Gerichtsbarkeit die Gelegenheit geben, zumindest Untergrenzen einer funktionierenden Parlamentsarbeit zu markieren.

Der Verwaltungsrechtler Martin Beckmann ergänzte, das Organschreitverfahren sei anders als zum Beispiel eine Normenkontrolle, nicht darauf gerichtet, zur Unwirksamkeiten eines Gesetzes oder eines Beschlusses zu führen. „Es geht darum festzustellen, dass die Rechte von Abgeordneten und von Fraktionen missachtet worden sind.“ Das bedeute aber, dass das Urteil Gesetzeskraft haben werde. Kein Richter, so Beckmann, würde es sich gefallen lassen, wenn man ihm am Abend vorher oder eine halbe Stunde vor Entscheidung einer Verkündung, ein Zettel mit einer komplizierten Begründung auf den Tisch gelegt werde, über den er dann innerhalb von Minuten zu entscheiden habe.

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