Reaktionen nach dem Flüchtlingsgipfel in Berlin NRW-Flüchtlingsministerin Paul will vom Bund schnelle Fortschritte sehen

Düsseldorf · NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul warnt vor einer Aushöhlung des Asylrechts. Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW, Anja Weber, kritisierte Planungen für mehr Abschottung und Abschiebungen als unmenschlich und unsinnig. Reaktionen aus NRW auf den Flüchtlingsgipfel.

 Flüchtlings- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne). Der Bund soll Kosten, die durch die Versorgung Geflüchteter entstehen, dauerhaft stärker mittragen, fordert sie.

Flüchtlings- und Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne). Der Bund soll Kosten, die durch die Versorgung Geflüchteter entstehen, dauerhaft stärker mittragen, fordert sie.

Foto: dpa/Malte Krudewig

NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) hat verhalten auf die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern reagiert. In der Frage der finanziellen Entlastung von Städten und Gemeinden sei der Gipfel „nicht so weit gekommen, wie es aus Sicht von Ländern und Kommunen notwendig gewesen wäre“, sagte Paul unserer Redaktion. Sie forderte: „Der nun verabredete Arbeitsprozess zwischen Bund und Ländern muss zu einer Verständigung auf ein tragfähiges Finanzierungssystem führen.“

Weiter erklärte Paul: „Die nun verabredete und durch den Bund zugesagte zusätzliche Milliarde ist ein erster Schritt. Aber wir müssen endlich wegkommen von Einzelverhandlungen zu Einmalzahlungen. Es braucht eine dauerhafte Finanzierung, die sich dynamisch an die tatsächlichen Zahlen der Geflüchteten anpasst und neben Unterbringung und Versorgung, die Kosten der Integration berücksichtigt.“

Außerdem forderte Paul von der Bundesregierung mehr Bemühungen um Einbindung der Menschen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. „Um Integration von Beginn an fördern zu können ist es notwendig, dass der Bund seine Pläne zur Kürzung von Mitteln im Bereich der Erstorientierungskurse zurücknimmt“, befand sie, und: „Wer arbeiten kann und will, muss das auch tun können.“

Nicht zuletzt betonte Paul die Bedeutung des Asylrechtes. „Das Grundrecht auf Asyl und unsere humanitäre Verantwortung, denjenigen Schutz zu bieten, die vor Krieg, Gewalt und Verfolgung zu uns fliehen, darf nicht ausgehöhlt werden“, sagte sie. Migrationsabkommen mit anderen Nationen sollen nach den Plänen der Bundesregierung die Rücknahmebereitschaft dieser Länder für jene Menschen befördern, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, aber auch legale Zuwanderung ermöglichen. „Wege legaler Migration zu schaffen ist der beste Weg, um irreguläre Migration zu verringern und Menschen sichere Wege zu eröffnen“, sagte Josefine Paul. „Die Bundesregierung ist hier gefordert, schnell Fortschritte zu erzielen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwochabend verschiedene Schritte und Maßnahmen angekündigt, die Asylverfahren beschleunigen und zu mehr Abschiebungen führen sollen. Außerdem sollten die Außengrenzen der EU besser gegen unkontrollierte Zuwanderung gesichert werden.

Diese Tonlage stößt bei Arbeitnehmervertretern auf Skepsis. „Überlegungen zu einer Abschottung der Außengrenzen und mehr Härte bei Abschiebungen sehen wir kritisch“, sagte Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in NRW, unserer Redaktion. „Solche Maßnahmen sind nicht nur unmenschlich, sondern mit Blick auf den Fachkräftemangel oft auch unsinnig. Die Menschen, die wir für den Arbeitsmarkt anwerben wollen, sind zum Teil dieselben Menschen wie die, die nun abgeschoben werden sollen. Und das nur, weil ihr Weg nicht der deutschen Bürokratie entspricht.“

Auch beim Streit um die Finanzierung sei es wichtig, dass die Belange der Geflüchteten nicht in den Hintergrund treten, forderte Weber weiter. „Die Integration in den Arbeitsmarkt muss ebenso deutlich verbessert werden wie Unterkunftsmöglichkeiten und Bildungsangebote. Hierzu muss auch das Land etwas beitragen und die Kommunen stärker unterstützen.“

Bei der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag ist man zuversichtlich, dass der Bund sich darauf einlassen wird, dauerhafte Zuwendungen je nach Zahl der Geflüchteten zu leisten. „Es wäre schön, hätte man sich Mittwoch schon auf eine Pro-Kopf-Pauschale geeinigt. Aber das ist das einzig sinnvolle, und deshalb haben wir die Hoffnung, dass es auch so kommt“, sagte der kommunalpolitische Sprecher Justus Moor. Er forderte das Land NRW dazu auf, seinen Anteil aus der in Aussicht gestellten Milliarde Euro vollständig an die Städte und Gemeinden weiterzureichen. „Das muss komplett an die Kommunen gehen“, befand er. „Die Digitalisierung der Ausländerämter ist auch aus dem Landeshaushalt stemmbar. Das hat dich die Landesregierung eh vornommen, also soll sie es jetzt auchmachen.“

Kommunale Spitzenverbände reagierten enttäuscht auf die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels. Der Landkreistag NRW nannte sie „völlig unzureichend“. Über schnellere Asylverfahren, mehr Abschiebungen und die Verteilung Geflüchteter in der Europäischen Union werde schon seit Jahren verhandelt, ohne dass sich wirksame Veränderungen ergeben hätten.

„Die Zugangszahlen müssen runter. Allein um die gesellschaftliche Akzeptanz nicht weiter zu gefährden“, sagte Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städte- und Gemeindebundes. Eine Neuausrichtung der Migrationspolitik sei überfällig. Mit einer am Donnerstag verabschiedeten Erklärung wolle man ein Signal an die Bundes- und Landespolitik senden. Darin werden unter anderem die Beschränkung von Zuwanderung und mehr Abschiebungen gefordert, ebenso wie Investitionen in Flüchtlingsunterbringung, Wohnungen, Kita- und Schulplätze und Integration.

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