Neues Angebot an der Uni Bonn Theologie und Wirtschaft im Doppelpack

An der Universität Bonn kann man ab dem Wintersemester die Fächer Theologie und Wirtschaftswissenschaften in einem Bachelor kombinieren. Das Ziel: den ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit interdisziplinär zu begegnen.

 Zweigleisiges Angebot: In Bonn beginnt der Studiengang Theologie und Wirtschaft.

Zweigleisiges Angebot: In Bonn beginnt der Studiengang Theologie und Wirtschaft.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Bonn Der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende Nahrungsmittelknappheit, der exorbitanten Preissteigerungen bei Gas und Benzin, der Fachkräftemangel in vielen Branchen, die Rohstoffknappheit, und natürlich – allen voran – der Klimawandel: Die Zeit, die die Menschheit gerade erlebt, ist von vielen Herausforderungen und Fragen geprägt, die vielleicht nicht rein aus ökonomischer Sicht beantwortet werden können und sollten. Und weil herausfordernde Zeiten einen neuen Blickwinkel benötigen, startet an der Universität Bonn im Herbst ein neues Studienangebot: Ab dem Wintersemester können Studierende die Fächer Katholische Theologie und Wirtschaftswissenschaften im Bachelor of Arts kombinieren.

Die Katholisch-Theologische Fakultät und der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften gehen mit diesem Kooperationsmodell neue Wege und verstehen das gemeinsame Studienangebot als Beitrag zum spezifischen Profil der Exzellenzuniversität Bonn. „Die Wirtschaftswissenschaften haben ihre Wurzeln in der Theologie“, sagt Jürgen von Hagen, Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und Direktor des Instituts für internationale Wirtschaftspolitik an der Universität Bonn. „Erstes systematisches Nachdenken über wirtschaftliche Phänomene finden wir bei den Scholastikern, Thomas von Aquin und späteren, die erste monetäre Theorie über den Zusammenhang von Inflation und Geldumlauf bei den scholastischen Mönchen von Salamanca.“ Viele der Begründer der modernen Wirtschaftswissenschaften seien Theologen gewesen, so der Professor. „Zum Beispiel Adam Smith, der in Glasgow Moraltheologie lehrte, oder Thomas Malthus, der Begründer der Bevölkerungsökonomik, aber viele andere auch. Das verwundert nicht, denn die Wirtschaftswissenschaften behandeln viele ethische Fragen, ebenso wie die Theologie. Wir besinnen uns also mit diesem kombinierten Studienangebot gewissermaßen auf unsere Wurzeln.“
Der interdisziplinär ausgerichtete Studiengang vermittelt die fachlichen Grundlagen von Katholischer Theologie, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre – darüber hinaus befähigt er die Studierenden dazu, das Gelernte aufeinander zu beziehen und auf die Analyse und Bewertung grundlegender ökonomischer wie gesellschaftlicher Herausforderungen anzuwenden. Dabei schaffen die wirtschaftswissenschaftlichen Module die Voraussetzung für ein fundiertes Verständnis ökonomischer Zusammenhänge in ihren betriebs- und volkswirtschaftlichen Dimensionen. Die Theologie fragt nach den zugrundeliegenden Annahmen unseres Menschen- und Weltbildes, nach gesellschaftlichen Zielvorstellungen und Kriterien ethischen Handelns angesichts der globalen Krisen unserer Zeit.
„Es handelt sich um ein neues Studienangebot, das so keine Vorläufer hatte“, sagt Jürgen von Hagen. „In der Gestaltung lehnt es sich eng an die gemeinsamen Studiengänge der Wirtschaftswissenschaften mit der Philosophischen Fakultät an, die es schon seit einigen Jahren gibt.“ Das neue Angebot richtet sich an Bachelorstudentinnen und -studenten mit Interesse an gesellschaftlichen und theologischen Fragen. Der Studiengang vermittelt wirtschaftswissenschaftliche und theologische Reflexions- und Handlungskompetenzen.

Die Vertreter der Katholisch-Theologischen Fakultät und des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften sind sicher: Aus der Kombination von Theologie und Wirtschaft ergeben sich spannende Antworten auf Fragen unseren gesellschaftlichen Zusammenlebens. „Es gibt theologische Perspektiven auf gesellschaftliche Probleme wie Gleichheit, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Arbeit und Arbeitsmarkt, Geld, Finanzmärkte und vieles mehr bis hin zu Menschenbildern, auf die auch die Wirtschaftswissenschaften schauen, jede Disziplin mit ihren Methoden und spezifischen Vorgehensweisen“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Jürgen von Hagen. „Die Spannung, auch in der Forschung, liegt darin, diese Perspektiven in Verbindung zu bringen. Ein Beispiel: Die moderne Verhaltensökonomik müht sich darum, ethische Aussagen zu treffen, ohne dafür ein Vorwissen mitzubringen. Da kann die Theologie helfen. Umgekehrt fehlen ethischen Diskursen über ökonomische Fragen in der Theologie meist die Kenntnis der Sachverhalte. Da können die Wirtschaftswissenschaften helfen.“

Auf dem Stundenplan der Bachelor-Studierenden, die sich für die neue Fächerkombination Wirtschaft-Theologie entscheiden, stehen übrigens auf der einen Seite Biblische Theologie (Altes Testament, Neues Testament), Historische Theologie (Alte Kirchengeschichte, Mittlere- und Neue Kirchengeschichte), Systematische Theologie (Fundamentaltheologie, Dogmatik, Christliche Gesellschaftslehre, Moraltheologie) und Praktische Theologie (Religionspädagogik, Liturgiewissenschaft, Pastoraltheologie, Kirchenrecht).
Auch Philosophie ist Bestandteil des Fächerkanons. Der Bachelor-Studiengang Wirtschaftswissenschaften verknüpft betriebs- und volkswirtschaftliche Grundlagen, um den Studierenden ein fundiertes Verständnis der Wirtschaft zu vermitteln. Die Volkswirtschaftslehre betrachtet die Gesamtwirtschaft, also die Wechselwirkungen zwischen Staat, Unternehmen und Individuen. Die Betriebswirtschaftslehre beschreibt die Führung, Steuerung und Organisation eines wirtschaftlichen Betriebs oder Unternehmens. Die Studierenden lernen komplexe gesellschaftliche Fragestellungen und Probleme aus ökonomischer Sicht zu betrachten. Dazu gehören die Identifizierung von Akteuren, möglichen ökonomischen Konsequenzen und Handlungsoptionen.

„Die Absolventinnen und Absolventen des neuen Studiengangs erhalten einen vollwertigen Bachelorabschluss sowohl in Katholischer Theologie als auch in Wirtschaftswissenschaften und können damit in dem einen oder anderen Fach ein Masterstudium und eine Promotion anschließen“, sagt Jürgen von Hagen. Der Studiengang eröffnet damit auch den Zugang zu einem breiten Spektrum von Berufsfeldern in Wirtschaft und Politik, Profit- und Non-Profit-Organisationen, kirchennahen und kirchlichen Einrichtungen.

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