Fabian Schäfer über die Vermittlung von Klimawissen „Nachhaltige Lehre ist an jeder Fakultät möglich“

Interview · Universitäten sollten das notwendige Wissen über die Klimakrise und entsprechende Handlungskompetenzen vermitteln, sagt Fabian Schäfer. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum und Teilnehmer eines besonderen Programms der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.

 Fabian Schäfer kümmert sich an der Ruhruniversität Bochum um Projekte und Angebote rund um nachhaltige Lehre.

Fabian Schäfer kümmert sich an der Ruhruniversität Bochum um Projekte und Angebote rund um nachhaltige Lehre.

Foto: Marquard/RUB

Herr Schäfer, Sie arbeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für ökonomische Bildung der Ruhr-Uni Bochum und unterrichten Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen, geben Workshops zum Thema Existenzgründung. Wie ist das Wissen der Studierenden um den Klimawandel?

Fabian schäfer Natürlich ist das Wissen um die Klimakrise da. Aber erschreckend wenige wissen, an welchem Punkt wir tatsächlich gerade stehen. Und was jetzt eigentlich ganz konkret angegangen werden müsste. Dabei sind diese Studierenden die Entscheider und Entscheiderinnen und Gestalter und Gestalerinnen von morgen. Unsere Verantwortung als Universität muss es sein, die Studierenden in allen Fächern mit dem entsprechenden Wissen über die Klimakrise auszustatten. Ich selbst habe in meinem wirtschaftswissenschaftlichen Bachelorstudium erlebt, dass das Thema Nachhaltigkeit keinen Platz im Studium hatte. Das änderte sich im Master: Ich habe mich für Economic Policy Consulting entschieden, der auch als „Weltuntergang-Verhinderungs-Master“ beworben wurde. Und dort ging es dann auch mal um die Frage, ob der Fokus auf Gewinnmaximierung heute noch richtig ist oder jemals war, und wie eine ökonomisch sinnvolle Anpassung an den Klimawandel aussehen sollte.

Was sollte sich an den Universitäten und Hochschulen ändern, wenn es um nachhaltige Lehre geht?

Schäfer Nachhaltige Lehre kann man an jeder Fakultät anbieten. Juristen und Juristinnen können beispielsweise Fälle untersuchen, bei denen die Deutsche Umwelthilfe geklagt hat. Mediziner und Medizinerinnen müssen die steigenden Temperaturen in den Blick nehmen, die vor allem ältere Menschen zunehmend belasten. Architekten und Architektinnen können dazu beitragen, die Städte zu kühlen, außerdem sind sie entscheidend beim Umrüsten der Gebäude auf erneuerbare Energien – aktuell dringender denn je. Und sogar Theaterwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen können über Klimaschutz sprechen: Entweder, indem das Thema Teil eines Stücks ist, oder wenn es darum geht, Theaterproduktionen möglichst nachhaltig zu gestalten, etwa, in dem man auf der Bühne wenig Müll produziert. Grundsätzlich gilt: Die Klimakrise ist die Herausforderung unserer Zeit. Unis und Hochschulen sollten hierbei vorangehen und Lehre anbieten, die das notwendige Wissen an Studierende vermittelt und darüber hinaus auch die dazugehörigen Handlungskompetenzen. Wandel fängt mit Bildung an. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, unser Bildungssystem im Sinne von Bildung für nachhaltige Entwicklung zu transformieren.

Dafür setzen Sie sich an verschiedenen Stellen ein. So wurden Sie jetzt von einer Jury ausgewählt, um an dem Jahresprogramm der Stiftung Innovation in der Hochschullehre teilzunehmen, die von Bund und Ländern gefördert wird. Worum geht es dabei?

Schäfer In dem Programm erarbeiten sich 33 Hochschulangehörige Wissen und Kompetenzen, um Nachhaltigkeit in ihren Lehrveranstaltungen sinnvoll und unabhängig vom Fach zu verankern. Sie sollen so neue Ideen für die eigene Lehre entwickeln. Das Programm startet jetzt im Herbst und beinhaltet neben Workshops auch eine Exkursion an die Lappeenranta University of Technology (LUT) in Finnland. Diese hat bereits in umfassender Weise Nachhaltigkeitsaspekte in Anlehnung an die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen auf vielen Ebenen des Hochschullebens umgesetzt – schade, dass keine deutsche Universität da als Beispiel herhalten kann.

Wie stehen die deutschen Hochschulen denn in Sachen Nachhaltigkeit da?

Schäfer Wie in der Gesellschaft auch ist das Thema grundsätzlich angekommen an den Hochschulen. Das Wissen ist also da. Was fehlt ist einerseits das Know-How, um dieses Wissen auch in Handlungen umzusetzen und anderseits die notwendigen finanziellen Ressourcen, um den Wandel gestalten zu können. In Bonn wurde beispielsweise ein Ko-Rektorat für Nachhaltigkeit installiert, in Bochum ein Nachhaltigkeitsbüro gegründet. Problem ist die personelle Ausstattung: Wie sollen zwei Personen das Thema Klimakrise an einer Universität mit mehreren zehntausend Studierenden und Beschäftigten beackern? Ich wünschte mir, dass die Universitäten als Orte des Wissens und des Wandels mehr Druck auf die Politik ausüben könnten, damit wir endlich ins Handeln kommen. Und, dass sie selbst dem Thema die Priorität beimessen, die Ihnen die wissenschaftlichen Erkenntnisse liefern, gerade wenn es um die Verteilung von Geldern geht.

Wie legen Sie in Ihrer eigenen Lehre schon jetzt den Fokus auf Themen wie Klimakrise und Nachhaltigkeit?

Schäfer In Gründer und Grünerinnen-Workshops beispielsweise kann ich beim Thema Produktdesign über nachhaltige Verpackungen sprechen. Oder im Bereich Marketing über Green-Washing. Ich habe festgestellt: Wenn man die Studierenden für Nachhaltigkeit sensibilisiert, dann findet man dies auch im Endergebnis wieder, also im Businessplan oder Produktentwurf.

Sie engagieren sich auch abseits der Uni für den Klimaschutz und das Wissen um die Klimakrise. Wo sind sie aktiv?

Schäfer Ich möchte etwas verändern, nach dem Motto: global denken, lokal handeln. Deshalb habe ich gemeinsam mit damaligen Kommilitonen und Kommilitoninnen „youngperspectives.ruhr – Die Denkfabrik aus'm Pott“ gegründet. Wir möchten das Ruhrgebiet nachhaltiger gestalten, denn: Viele Dinge, die Bund und Länder beschließen, müssen in den Kommunen umgesetzt werden. Dafür gibt es dort vor Ort aber kaum Kapazitäten oder sie entstehen gerade erst mit den sogenannten Klimschutzmanagern und -managerinnen. Bei Fridays for Future engagiere ich mich ebenfalls, habe die Ortsgruppe Students for Future hier in Bochum gegründet. Eines unserer wichtigsten Projekte, das mir sehr am Herzen liegt, und wofür wir unter anderem den Verein „Klimabildung“ gegründet haben, ist die „Public Climate School (PCS)“. Sie nimmt die Klimakrise als Ausgangspunkt, um Themen wie (Klima-)Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Politik in die Schule, Uni und Gesellschaft zu bringen – als analoge oder digitale Projektwoche. Lehrpersonen bekommen von uns Materialien, außerdem gibt es ein digitales Live-Programm. Klimabildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung werden bisher kaum an Schulen und Universitäten behandelt. Schüler und Schülerinnen und Studierende werden somit nicht genügend auf die zukünftigen Herausforderungen wie Klima- und Biodiversitätskrise vorbereitet. Genau das ändern wir mit der PCS. Die nächste findet statt vom 7. bis 11. November, schaut gerne vorbei!

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