Kronberg Fritz Rau – Legende des Musikgeschäfts

Kronberg · Der vielleicht bedeutendste Tourneeveranstalter ist im Alter 83 Jahren gestorben. Er hat über 6000 Konzerte organisiert – darunter auch viele Auftritte von Jimi Hendrix, Eric Clapton, Peter Maffay und den Rolling Stones.

 Konzertveranstalter Fritz Rau (Mitte) mit Mick Jagger (rechts) und Peter Maffay 1982 in München.

Konzertveranstalter Fritz Rau (Mitte) mit Mick Jagger (rechts) und Peter Maffay 1982 in München.

Foto: amw / Interfoto

Im Grunde sind Konzertveranstalter tragische Existenzen. Menschen, ohne die in der Musik zwar nichts geht, die aber doch von vielen für überflüssig oder wenigstens lästig gehalten werden und oft unbekannt bleiben; mehr oder weniger graue Backstage-Existenzen; bessere Kartenverkäufer eben.

Bei Fritz Rau aber war alles anders. Aber nicht, weil er sich in den Vordergrund spielte, sondern weil er einfach da war und alle ihn kannten und viele ihn schätzten. Das ist fast so unglaublich wie die berühmten Worte, die Mick Jagger zu Raus 70. Geburtstag übers Radio verkündete: "Congratulations Fritz, you are the godfather of us all." Eine Legende schon zu Lebzeiten also. Jetzt ist Fritz Rau in Kronberg bei Frankfurt im Alter von 83 Jahren gestorben.

Gezählt hat er die Konzerte, die er veranstaltete, nicht; es sollen über 6000 gewesen sein. Und mit Jazz hat es begonnen. 1955 war das. Der Ort: Heidelberg; der Interpret: Albert Mangelsdorff. Vielleicht war das kein Zufall, jedenfalls war es eine Art Bekenntnis. Später, als er schon Konzerte von Jimi Hendrix und Joan Baez, von Johnny Cash und Eric Clapton, von Madonna, Zappa und David Bowie über die Bühne gebracht hat, wird er sagen: "Jazz ist die Universität der Popularmusik."

Fritz Rau hat Deutschland einige Jahrzehnte mit Live-Musik versorgt, ohne dass er den Menschen einen bestimmten Stil verordnete. Er veranstaltete das, was ihm und vor allem den Menschen gefiel. Und dazu gehörten dann auch Konzerte von Howard Carpendale, Udo Jürgens, Peter Alexander, Nana Mouskouri, Udo Lindenberg und vor allem Peter Maffay. Gerade mit ihm verband ihn eine enge Freundschaft. Fritz Rau hat Maffay entdeckt und gefördert, hat ihn aufgerichtet, wenn es mal nicht so lief. Rau hatte sogar den Übermut, Maffay 1982 als Vorgruppe der Stones auftreten zu lassen. Ein Fehlgriff. Der Sänger wurde erbarmungslos ausgepfiffen, bis Rau der Kragen platzte, auf die Bühne kam und rief: "Wenn ihr die bewerft, dann müsst ihr auch mich bewerfen." An Maffay schätzte Rau das Authentische: "Dieser Mann ist als Mensch geblieben, wie er war", sagte Rau. Sein letztes Großprojekt – vor seinem Abschied aus dem aktiven Geschäftsleben 2004 – war Maffays Tabaluga-Tournee. Der damals 74-Jährige setzte darin eine große Hoffnung, es war der Wunsch und wahrscheinlich auch die Illusion eines schon alten Mannes, noch einmal jene Welt zu erschaffen, die verloren gegangen zu sein schien: "Ich habe so viele Konzerte gemacht, die die Generation auseinander brachten. Tabaluga vereint sie."

Wer die heutige Konzertwelt mit ihrem opulenten Kalender voller Riesenevents betrachtet, wird das Lebenswerk von Fritz Rau möglicherweise nicht so recht zu würdigen wissen. Aber diese Welt hatte er überhaupt erst erschaffen und Formate erprobt, die heute zum Standard des Musikgeschäfts gehören. Zum Beispiel große Open-Air-Konzerte abseits mehrtägiger Festivals. Irgendeiner musste damit einfach begonnen haben, und auch das war Fritz Rau. Bob Dylan und Eric Clapton ließ er 1977 ausgerechnet auf dem Gelände des Nürnberger Reichsparteitags auftreten. 80 000 Menschen kamen, und Rau ließ die Rockmusikbühne gegenüber der früheren Hitler-Bühne aufbauen. Das war durchaus hintersinnig gemeint, denn so schaffte er es, dass auf dem historisch kontaminierten Gelände 80 000 Menschen Hitler den Rücken zukehrten, wie er sagte.

Ohnehin ist politisches Engagement Fritz Rau nie fremd gewesen: Er war zeitweilig Mitglied der Grünen, organisierte ein paar Großveranstaltungen für sie zum Wahlkampf im Jahr 1983 und kandidierte als SPD-Mitglied noch vor zwei Jahren für den Stadtrat im hessischen Kronberg.

Dass das Musikgeschäft bei aller Freundschaft immer auch ein Geschäft blieb, musste er auch erfahren. Ausgerechnet die Stones wechselten Anfang der 1990er Jahre zu einem anderen Konzertveranstalter. Dieser hatte mehr Geld geboten.

(RP)
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