"Side Effects" im Kino Der letzte Film von Steven Soderbergh

Düsseldorf · Der 50-jährige Regisseur ("Ocean's Eleven") hat erklärt, er werde keine Kinofilme mehr drehen. "Side Effects" ist also sein Goodbye. Darin spielt Rooney Mara eine Frau, die unter den Nebenwirkungen ihrer Psychopharmaka leidet.

Dieser Film heißt "Side Effects", er ist nicht besonders gelungen, aber das macht nichts. Steven Soderbergh hat ihn gedreht, und der ist einer der wenigen Regisseure, denen man missratene Filme verzeiht, weil der Zuschauer selbst in solchen disparaten Werken Momente erlebt, in denen er sich angeregt fühlt, gefordert und geschmeichelt.

Zudem ist "Side Effects" ein wehmütiges Werk, denn Soderbergh will fortan keine Kinofilme mehr machen. Er zieht sich zurück, "Side Effects" ist sein Goodbye. "Ich brauche einen echten Neustart", meint er, "ich möchte alles anhalten, niederbrennen und von vorn beginnen." Beim Festival in Cannes wird er einen Fernsehfilm über den Showmann Liberace präsentieren, danach widmet er sich nur mehr TV-Produktionen, Musicals und der Malerei. Sagt er.

"Side Effects" beginnt als Psychothriller, sein Titel bedeutet übersetzt Nebenwirkungen. Rooney Mara spielt die Ehefrau eines Börsenspekulanten, sie macht das großartig, ein Nachtwesen ist sie, eine Schlafwandlerin, die in einer Umgebung lebt, die zu verschwimmen droht.

Ihr Mann saß wegen windiger Geschäfte im Gefängnis, nun ist er zurück, sie hat auf ihn gewartet. Sie lieben einander noch immer, das ist gerade klar geworden, da ersticht sie ihn. An dieser Stelle bricht der Film, es beginnt eine Krankengeschichte, ein Bericht aus dem Innern der Pharmaindustrie.

In Wirklichkeit ein Erotikthriller

Die Frau ist depressiv, sie lässt sich behandeln, ein Arzt (Jude Law) gab ihr Medikamente, aber die waren noch nicht zugelassen. Als man diesem engagierten Kerl zu vertrauen beginnt, bricht der Film abermals, wird zum Gerichtsdrama, in dem alles zuvor Gezeigte in Frage steht. Wenn man das Kino verlässt, ahnt man schließlich, dass man eben in Wirklichkeit einen Erotikthriller gesehen hat. Und dass man davon lange nichts merkte, sagt mehr über den Film als über einen selbst.

Die Sprünge sind selten plausibel, die Wendungen eher verwirrend als verwegen. Dennoch ist das ein faszinierender Film. Er wagt den Blick auf einen Lebensstil, er zeigt Menschen, die sich um Wohlstand bemühen und nicht glücklich werden. Sie suchen ihre Schwermut zu verbergen, sie brauchen Pillen, die wiederum andere erfinden, um ihrerseits Wohlstand anzuhäufen.

So ist das bei Soderbergh, seit er für sein Debüt "Sex, Lügen und Video" 1989 aus der Hand von Jury-Präsident Wim Wenders die Goldene Palme in Cannes überreicht bekam: Er erzählt aus dem unbewussten Leben. Ihn interessieren die Schatten, die wir hinter uns herziehen; all das, was wir nicht beabsichtigt, durch unser Tun jedoch in Kauf genommen haben.

Dabei hat er sich oft verrannt, er schlug über die Stränge — das ist notwendigerweise so bei einem, der in 24 Jahren 27 Filme dreht. Drehbücher arbeitete er ab statt sie auszuformulieren. Soderbergh sprang von Idee zu Idee, ihm war nicht nach Verweilen, er wollte Zerstreuung, er wollte überall hin. Es entstanden Actionfilme, Dokumentationen, Katastrophenfilme, Martial-Arts-Produktionen und Wirtschaftssatiren.

28 Mal Spielbergs "Weißen Hai" gesehen

In den 90ern zog er sich schon einmal zurück. Der Mann, der mit "Sex, Lügen und Video" den Boom des unabhängigen US-Kinos auslöste, hatte drei Flops in Folge produziert und brauchte Ruhe. Doch er kehrte 1998 mit "Out Of Sight" zurück, jenem Film, in dem sich zwei von Jennifer Lopez und George Clooney gespielte Zeitgenossen aufsehenerregend verlieben.

Bei den Oscars 2001 war Soderbergh mit zwei Arbeiten nominiert, mit seinem Meisterwerk "Traffic" und mit "Erin Brockovich". Er gewann für "Traffic" den Regie-Preis, und Julia Roberts bekam für "Erin Brockovich" den Darstellerpreis. Soderbergh begeisterte mit "Ocean's Eleven" und verstörte mit den "Che"-Filmen, in denen er über zähe Stunden das Klein-Klein des revolutionären Handwerks dokumentierte.

Er ist erst 50, und er verabschiedet sich nicht wie sein Vorgänger Ingmar Bergman mit einem Meisterwerk: Der Schwede war 62, als er 1982 "Fanny und Alexander" ins Kino brachte und sich fortan dem Theater widmete. Soderbergh liegt mehr am Entwerfen denn am Vollenden.

Er hat alles ausprobiert, was ihn interessiert. Als Jugendlicher sah er 28 Mal Spielbergs "Weißen Hai", damals lernte er, wie man ohne Sentiment erzählt, klar und emotionslos. Er war einer der ersten in Hollywood, die digital filmten; in "Side Effects" leuchtet er Szenen nicht mal mehr aus — der Alltag der Figuren soll authentisch wirken.

"Side Effects" kommt in den besten Momenten "Traffic" nahe, ohne dessen Effizienz zu erreichen. Wie dort Drogen, sind hier Psychopharmaka Symptom. Soderbergh inszeniert die Überlastung der Agierenden, er misstraut dem Augenschein, deshalb tischt er dem Zuschauer im ersten Drittel des Films Lügen auf. Man hat nichts, woran man sich halten kann, alles dreht sich, und der rote Faden führt an kein Ziel.

Soderbergh war ein Begleiter bei der Sinnsuche im Ungewissen. Nun muss man alleine weitermachen.

(RP/das/csr/csi)
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